Hamburg. Hamburgerin erhält seit Kurzem Geld von Verein. Das hat ihr Leben verändert. Durch ein Volksbegehren könnten mehr Menschen Modell erproben.

Als Isa U. vor über drei Jahren an der Verlosung für ein Grundeinkommen teilnahm, rechnete sie nicht wirklich damit, zu gewinnen. Am Existenzminimum lebend und mit einer kleinen Tochter war es sowieso nie leicht. Als dann auch noch die Pandemie dazukam, blieb ihre Arbeit als Selbstständige im Eventbereich auch noch auf der Strecke. Also hieß es: sparen, wo es nur geht, Sport blieb auf der Strecke, Urlaube waren nur innerhalb Deutschlands möglich, wenn überhaupt.

Im Juli erhielt die Hamburgerin dann die alles verändernde Nachricht: Isa gewann ein sogenanntes realistisches Grundeinkommen. 1200 Euro bekommt sie seit September jeden Monat über einen Zeitraum von insgesamt drei Jahren. Allerdings hat die Sache einen kleinen Haken: Verdient Isa etwas, wird ein Teil des Geldes wieder an die NGO zurückgebucht. Aber natürlich nie mehr als die 1200 Euro.

Realistisches Grundeinkommen: Der eigene Verdienst wird gegengerechnet

Bei ihrem Gewinn handelt es sich um ein realistisches Grundeinkommen, das die gemeinnützige Nichtregierungsorganisation „Mein Grundeinkommen“ zur Verfügung stellt. Ohne jegliche Einschränkungen gilt das utopische Grundeinkommen: Egal wie viel man nebenher verdient, zurückzahlen muss man nichts. Es sind in diesem Fall jedoch „nur“ 1000 Euro, die man statt über drei, über lediglich ein Jahr erhält.

„Mein Grundeinkommen“ wurde 2014 gegründet und finanziert sich ausschließlich über Crowdfunding. 1800 Personen haben mittlerweile ein utopisches Grundeinkommen bei der Verlosung gewonnen, seit 2023 gibt es nun auch das realistische Grundkommen. Es wurde seither 70-mal verlost. Isa ist eine der Glücklichen, die es testen darf.

Das bedingungslose Grundeinkommen (BGE) wird als Konzept schon seit mehreren Jahren heiß diskutiert und soll aktuell in Hamburg mit dem Volksbegehren ‚Hamburg testet Grundeinkommen‘ in die Erprobung gehen. Grundidee des sozialpolitischen Transferkonzepts ist, dass alle Bürgerinnen und Bürger monatlich einen bestimmten Grundbetrag erhalten, unabhängig von der eigenen wirtschaftlichen Lage. Finanziert werden soll das Konzept durch Steuergelder.

Das Ziel, dass niemand unterhalb des Existenzminimums leben soll, würde somit auch ohne Prüfungen der Gründe für eine finanzielle Unterstützung erreicht. Zudem soll das Konzept eine Möglichkeit für das Sozialsystem sein, gesellschaftlichen sowie wirtschaftlichen Herausforderungen gerecht zu werden.

Wie das Grundeinkommen Isas Leben verändert hat

Wie sie damals darauf gestoßen ist, weiß die Niendorferin gar nicht mehr wirklich. Aber wie auch immer sie darauf kam – es muss wohl durch Internet oder Fernsehen gewesen sein –, sie dachte sich: „Schaden kann es ja nicht“. An allen Ecken hatte die 47-Jährige bis vor Kurzem noch sparen müssen.

Unter anderem an ihrer Gesundheit: Da waren diverse medizinischen Eingriffe an den Zähnen, die sie gerne vornehmen wollte, aber bis jetzt zu teuer waren. Am Sport hatte sie ebenfalls lange gespart: „Mein Sportverein ist um einiges teurer geworden. Normalerweise hätte ich das kündigen müssen, aber jetzt kann ich mir das gönnen.“

Bis zum 30. September sammelt die Volksinitiative „Hamburg testet Grundeinkommen“ noch Unterschriften für das Volksbegehren.  
Bis zum 30. September sammelt die Volksinitiative „Hamburg testet Grundeinkommen“ noch Unterschriften für das Volksbegehren.   © hamburg testet Grundeinkommen | Hamburg testet Grundeinkommen

Ihre ehrenamtliche Tätigkeit, der sie schon Längerem nachgeht, will sie weiterhin fortführen und zusätzlich mehr Zeit investieren. Mehrere Tage in der Woche begleitet sie ein Kind mit besonderem Unterstützungsbedarf und entlastet dessen Familie dadurch im Alltag. Aber auch ihrer eigenen Tochter kann sie jetzt durch das Grundeinkommen mehr ermöglichen. Die Neunjährige darf ihre Violinstunden weitermachen, obwohl die Musikstunden bedeutend teurer geworden sind.

Grundeinkommen gibt Hamburgerin Sicherheit, im Notfall abgesichert zu sein

Tatsächlich hätte sogar Isas Tochter das Grundeinkommen gewinnen können: Als sie sich vor drei Jahren für die Verlosung anmeldete, ließ Isa nämlich ihren Lebenspartner und das gemeinsame Kind in eine Verlosungs-Freundesgruppe eintragen. Wenn einer gewinnt, wird das zweite Grundeinkommen unter den anderen aus der Gruppe verlost. Durch den Gewinn erhält nun auch ihr Lebensgefährte, der im Schichtdienst tätig ist, ein realistisches Grundeinkommen.

Aufgrund seines Gehalts bleiben ihm in der Regel somit etwa 200 bis 300 Euro. Das scheint zwar nicht besonders viel, gebe aber trotzdem ein beruhigendes Gefühl, so Isa. Speziell bei einer kräftezehrenden Arbeit sei die Gewissheit, zur Not abgesichert zu sein, sehr hilfreich. Falls das Einkommen etwa wegfallen sollte, beispielsweise wegen eines Arbeitsunfalls, fließt das Grundeinkommen weiter.

Allerdings nicht ewig. Um genau zu sein: noch drei Jahre. Bis dahin will Isa in der Eventbranche wieder mehr Fuß gefasst und etwas angespart haben.

Nicht alle freuen sich mit: die Kritik am Grundeinkommen

Aber was wäre, wenn sie ein dauerhaftes Grundeinkommen hätte? Schließlich ist das die eigentliche Idee des Vereins. Würde sie dann auch noch arbeiten? „Ja, ich würde alle meine Möglichkeiten ausschöpfen und mich beruflich dort einbringen, wo es mir am meisten Freude bringt und wo ich meine besten Leistungen bringen kann.“ Trotzdem würde sie weiterhin sparsam leben: „Das habe ich über all die Jahre sowieso verinnerlicht.“ Grundsätzlich würde sie dann aber mit noch weniger Furcht in die Zukunft blicken und sorgenfreier leben.

Kritik an dem Konzept des Grundeinkommens schlägt ihr immer wieder entgegen. Eine Freundin war sogar absolut dagegen, als Isa ihr von dem Gewinn erzählte. Die Sorge der Kritiker, dass mit einem Grundeinkommen niemand mehr arbeiten würde, hält Isa jedoch für unberechtigt. „Nur aus der Befürchtung heraus, dass einige es vielleicht ausnutzen würden, muss man die Chance ja nicht einfach allen verwehren“, findet sie.

Viele sehen in dem Konzept aber auch eine Bedrohung für den Arbeitsmarkt und stellen die Finanzierung infrage. Die Sorge darum, dass niemand mehr arbeiten geht, wenn Bedürftigkeit sowie Erwerbstätigkeit nicht mehr überprüft würden, steht bei Kritikern häufig im Mittelpunkt.

Volksbegehren läuft: Grundeinkommen vielleicht auch bald in Hamburg

Einmal monatlich geben Isa und ihr Lebensgefährte nun ihr Netto-Einkommen an. Außerdem wird man innerhalb der drei Jahre dreimal unangekündigt dazu aufgefordert, seine Einnahmen in Form von Kontoauszügen – die nicht relevanten Daten dürfen unkenntlich gemacht werden – nachzuweisen. So ergibt sich am Ende des Monats das realistische Grundeinkommen. Auf der Webseite von „Mein Grundeinkommen“ lässt sich dieses auch berechnen – sogar, wenn man noch gar nicht an der Verlosung teilgenommen hat.

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Als erste Langzeitstudie gibt die Organisation Anfang nächsten Jahres ihre Ergebnisse des Pilotprojekts Grundeinkommen bekannt. Diese könnten dann auch in den eventuell anstehenden Modellversuch von „Hamburg testet Grundeinkommen“ einfließen. Das Volksbegehren steht immer wieder in Kontakt mit „Mein Grundeinkommen“. Einer der Wissenschaftler des Pilotprojekts half sogar bei dem Gesetzesentwurf für das Volksbegehren mit. Letztlich handelt sich aber um unabhängige Projekte und Studien mit unterschiedlichen Modellen.

Grundeinkommen für 2000 Menschen in Hamburg?

In Hamburg könnten, sollte es tatsächlich zum Volksentscheid kommen, 2000 Personen von einem bedingungslosen Grundeinkommen profitieren. Nicht aus Spenden, sondern vom Staat finanziert, will die Initiative „Hamburg testet Grundeinkommen“ in einem wissenschaftlichen Modellversuch das Grundeinkommen testen. Dabei würden nach wissenschaftlichen Kriterien repräsentative Straßenzüge ausgewählt, in denen auf Anfrage alle Bewohner und Bewohnerinnen ein Grundeinkommen über einen bestimmten Zeitraum erhalten würden.

So würde sichergestellt, dass das Geld nicht wie eine Art „Lottogewinn“ betrachtet, sondern möglichst realistisch wirkt. Eine Kontrollgruppe erhält in dem Versuch keine Zahlung. Am 30. September endet die Sammlung der Unterschriften, am 1. Oktober werden die Unterschriften dann im Rathaus übergeben.

Isa sieht das Volksbegehren auf jeden Fall als sinnvoll an: „So würden auch Personen, die derzeit dem Grundeinkommen noch skeptisch gegenüber sind, erreicht werden“, meint sie. Unterschrieben hat sie jedenfalls schon.