Hamburg. Viele Reisende stehen womöglich vor einem Problem. Eine Hamburger Seniorin berichtet, warum sie wählen will – aber es wohl nicht kann.

  • Die Bundestagswahl 2025 könnte auf den 23. Februar vorgezogen werden
  • Dadurch entsteht eine verkürzte Frist für die Briefwahl von zwei bis drei Wochen
  • Insbesondere Senioren buchen laut Check24 lange Winterreisen

Nach Spanien, Ägypten oder doch in die Türkei? Um dem kalt-nassen Winter Deutschlands zu entfliehen, ziehen nicht nur die Vögel Richtung Süden: Auch die Hamburgerinnen und Hamburger suchen sich ein warmes Plätzchen zum Überwintern. Normalerweise ist das eher ein Segen, kein Problem. Doch vielen Menschen könnte durch den früheren Termin der Bundestagswahl die Möglichkeit geraubt werden, ihr Wahlrecht auszuüben. Und die Parteien verlieren möglicherweise einige Wählerstimmen.

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„Es wird für mich nicht möglich sein, wählen zu gehen“

Marion K. ist Rentnerin. Bereits im Sommer buchte sie ihren Winterurlaub – wie jedes Jahr. „Vom 20. Januar bis zum 24. Februar bin ich zum ersten Mal in Marokko“, erzählt die 73-Jährige. Aber so richtig könne sie sich nicht darüber freuen: „Es wird für mich und viele andere nicht möglich sein, wählen zu gehen.“ Wer in der kalten Jahreszeit Urlaub gebucht hat, tat dies noch vor der „extrem zeitnahen Wahlsituation“. Statt des Termins am 28. September wird die Bundestagswahl auf den 23. Februar vorgezogen. Und liegt damit vor der Rückkehr der reisenden Hamburgerin.

„Das ist unmöglich, ich kann mein Wahlrecht nicht ausüben. Jemand sollte dagegen klagen.“

Marion K. (73)

Zum Glück gibt es die Briefwahl! Oder? Wie so oft beginnt die Antwort darauf mit: „Ja, aber ...“ Denn die Frist für die Briefwahl kann aufgrund des vorgezogenen Termins kaum eingehalten werden. Anstelle der regulären sechs Wochen Vorlaufzeit haben die Wählenden lediglich zwei bis drei Wochen Zeit, um die Unterlagen zu beantragen, auszufüllen und zurückzuschicken, bestätigt Landeswahlleiter Oliver Rudolf dem Abendblatt. „Das ist unmöglich, ich kann mein Wahlrecht nicht ausüben“, sagt die Seniorin aus Farmsen-Berne und fügt hinzu: „Jemand sollte dagegen klagen.“

Oliver Rudolf
Laut Landeswahlleiter Oliver Rudolf könnte die kurze Briefwahlfrist zu Problemen führen. Vor allem für Reisende und Hamburger, die im Ausland leben. © DPA Images | Jonas Walzberg

Landeswahlleiter bestätigt: Briefwahl im Ausland könnte besonders eng werden

Sie könne sich die Briefwahlunterlagen einfach nachschicken lassen, habe ihr jemand freundlich im Wahlbüro gesagt. „Einfach illusorisch“, findet K. Und tatsächlich: Die Rechnung geht wahrscheinlich nicht auf. Landeswahlleiter Rudolf hatte darauf hingewiesen, dass es angesichts der verkürzten Briefwahlzeit besonders eng werden könnte. Insbesondere bezog er sich dabei auf die wahlberechtigten Hamburger, die dauerhaft außerhalb Deutschlands leben.

Problematisch könnte sowohl die rechtzeitige Zustellung als auch die fristgerechte Abgabe der Stimmen werden. Ohne feste Wohnanschrift im Ausland, beispielsweise während eines Hotelurlaubs, ist die Zustellung noch mal schwieriger. Ein Bekannter von Marion K. verreise mit dem Wohnmobil, habe demnach gar keine Anschrift. „Im Mallorca-Urlaub geht das vielleicht noch “, sagt die Rentnerin.

Lange Winterreisen hauptsächlich von Senioren gebucht – exklusive Auswertung

„Die Topdestinationen für Hamburgerinnen und Hamburger im Winter 2024/25 sind Spanien, Ägypten und die Türkei“, schreibt die Online-Vergleichsplattform Check24 auf Anfrage des Abendblatts. Eine exklusive Auswertung zum Reiseverhalten der Hansestädter zeigt, dass auch die Vereinigten Arabischen Emirate und Thailand besonders hoch im Kurs stehen. „Insgesamt ähneln sich die bevorzugten Reiseziele der älteren und jüngeren Generation.“ Mit einer Ausnahme: Dubai zieht überdurchschnittlich viele junge Reisende an.

Senioren in Deutschland
Senioren aus Hamburg verreisen im Durchschnitt deutlich länger als jüngere Personen, zeigt eine Erhebung von Check24. © DPA Images | Jan Woitas

Ein Großteil der Winterreisen liegt zwischen sechs und zehn Tagen, fast ein Drittel der Reisenden ist zwischen elf und 15 Tage unterwegs. Lediglich acht Prozent der Hamburger verreisen länger als 16 Tage – so wie Marion K. Von Problemen wegen der kurzen Fristen für die Briefwahl könnten also besonders Seniorinnen und Senioren betroffen sein: Schließlich würden Reisen mit einer Dauer von mehr als 25 Tagen zum Großteil von über 65-Jährigen gebucht, erklärt Check24. Die längsten Reisen in diesem Winter führen nach Side/Alanya und nach Teneriffa. 55 Tage verbringen die Hamburger dort.

Reise nach Marokko absagen? „Ich kenne niemanden, der das tun würde“

Marion K. hat ihren Winterurlaub seit einigen Monaten geplant, kurz vor der Bürgerschaftswahl ist sie wieder da. Würde sie ihre Reise für die Bundestagswahl absagen oder verkürzen? Die Antwort der 73-Jährigen: ein kurzes Lachen. Und dann: „Ich würde die Reise nicht absagen, und ich kenne niemanden, der das tun würde.“ Hinzu komme, dass sich ihr Pauschaltrip nicht so einfach verkürzen lasse. Das ginge nur mit großem Aufwand und Zusatzkosten, sagt sie.

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„Sollte die Regelung so bleiben, dann wähle ich zum ersten Mal nicht“, sagt K. entschlossen. Trotzdem hoffe sie, dass es für Seniorinnen wie sie eine Möglichkeit gibt, doch wählen zu gehen. „Ich habe immer gewählt“, und gerade jetzt sei es wichtiger denn je. Warum? „Um den Rechtsruck zu verhindern, vor allem nach den Wahlen in den Ostbundesländern.“