Hamburg. Noch ist nicht klar, wann Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) die Vertrauensfrage stellt. Weihnachten und Neujahr engen den Spielraum ein.

Noch wird politisch heftig darüber gestritten, wann Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) im Bundestag die Vertrauensfrage stellen soll: am 15. Januar, wie er angekündigt hat, oder sogar schon in der kommenden Woche, wie Oppositionschef Friedrich Merz (CDU) fordert. Der Zeitpunkt ist entscheidend für die Frage, wann die vorgezogenen Bundestagswahlen stattfinden können: bereits im Januar/Anfang Februar oder erst im März/Anfang April.

Hamburgs Landeswahlleiter Oliver Rudolf warnt aus praktischen Gründen vor einem frühen Urnengang. „Ein Wahltermin im Januar bedeutet organisatorisch ein hohes Risiko, weil unter anderem sichergestellt sein muss, dass bis dahin alle erforderlichen Unterlagen wie Stimmzettel und Briefwahlunterlagen vorhanden sind“, sagt Rudolf im Gespräch mit dem Abendblatt.

Landeswahlleiter warnt vor frühem Wahltermin im Januar

Der Sinn der Vertrauensfrage des Bundeskanzlers besteht darin, die Abstimmung zu verlieren und damit den Weg für Neuwahlen freizumachen. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat 21 Tage Zeit für die Entscheidung, den Bundestag aufzulösen und Neuwahlen anzusetzen. Von da an muss die Bundestagswahl innerhalb von 60 Tagen stattfinden. Bleibt es dabei, dass Scholz die Vertrauensfrage am 15. Januar stellt, wäre der späteste Termin für die Bundestagswahl der 6. April.

Ganz anders wäre die Lage, falls Scholz der Unions-Forderung nachgeben sollte und schon in der kommenden Woche die Vertrauensfrage stellte. Steinmeier muss die 21-Tage-Frist nicht einhalten, sondern kann auch innerhalb weniger Tage Neuwahlen ausrufen. Das gilt allerdings als unwahrscheinlich, weil die Neuwahl-Entscheidung an rechtliche Vorgaben geknüpft ist, die das Bundespräsidialamt verfassungsfest prüfen muss.

Gleichwohl: Sollte sich Steinmeier zügig entscheiden, ergäbe sich rechnerisch ein Termin Mitte Januar. Merz hält den 19. Januar für machbar. Selbst wenn der Bundespräsident die volle Beratungszeit von 21 Tagen ausnutzen sollte, gäbe es die Möglichkeit, die 60-Tage-Frist zu verkürzen. Bei der letzten vorgezogenen Neuwahl des Bundestages 2005 war dies der Fall: Da mussten laut der vom Bundesinnenministerium erlassenen „Verordnung über die Abkürzung von Fristen im Bundeswahlgesetz“ die Wahlen innerhalb von 47 Tagen durchgeführt werden.

Bei einem Wahltermin im Januar würden Weihnachten und Neujahr die Fristen verkürzen

Landeswahlleiter Rudolf weist darauf hin, dass bei einem frühen Wahltermin bereits im Januar oder Anfang Februar entscheidende Fristen in die Zeit von Weihnachten und Neujahr fallen würden, wenn der politische Betrieb ein paar Gänge zurückschaltet und auch die öffentliche Verwaltung möglicherweise eingeschränkt ist.

Rudolf hält die Ausschöpfung der 60-Tage-Frist darüber hinaus grundsätzlich für wichtig, um auch den Parteien genug Zeit zur Einreichung ihrer Wahlvorschläge zu geben, die dann schließlich auch noch rechtssicher geprüft werden müssen. Eine Verkürzung der Fristen würde auch dazu führen, dass die Zeitspanne, in der Briefwahl möglich ist, erheblich verkürzt würde. Und: Den etwa 4500 Hamburgern und Hamburgerinnen, die im Ausland leben, müssten die Briefwahlunterlagen zugestellt werden können, und deren Stimmzettel müssten rechtzeitig wieder in Hamburg eintreffen.

Eine Frage ist, ob in der Kürze der Zeit genügend Stimmzettel geliefert werden können

Ein entscheidender Punkt für Rudolfs Warnung vor einem frühen Wahltermin betrifft die Sorge, ob die Wahlunterlagen rechtzeitig zur Verfügung stehen werden. „Wir benötigen für die Stimmzettel Papier mit einer hohen Dichtigkeit, und die Frage ist, ob Papiermühlen und Druckereien in so kurzer Zeit die erforderlichen Kapazitäten bereitstellen können“, sagt Rudolf. Gedruckt werden müssen insgesamt nicht nur Stimmzettel, sondern auch Wahlbenachrichtigungen und Briefwahlunterlagen – und zwar bundesweit. Das Landeswahlamt hat die nötigen Ausschreibungen bereits vorbereitet. Wann sie von der Vergabestelle für die öffentliche Verwaltung veröffentlicht werden, ist noch offen.

„Wenn es ein sehr früher Wahltermin sein muss, dann wird es auch machbar sein. Dann müssen wir alle Anstrengungen zusammenziehen“, sagt Rudolf, ganz loyaler Beamter. Auf den ersten Blick entspannter ist die Durchführung der Wahl, wenn Olaf Scholz die Vertrauensfrage, wie von ihm geplant, am 15. Januar stellt und der Bundespräsident die 21-Tage-Frist ausnutzt. Sollte es eine Fristverkürzung geben, wäre der früheste Zeitpunkt für die Bundestagswahl voraussichtlich der 2. März – der Tag der Bürgerschaftswahl.

Eine wichtige Rolle bei der Festlegung des Wahltermins spielen die Schulferien in den Ländern

Rudolf hält mit Hinweis auf die dann sehr kurze Frist den 2. März als Bundestagswahl-Termin für nicht sehr realistisch. Hinzu kommt, dass der Wahltag dann mitten in der Karnevalszeit läge. Rosenmontag fällt 2025 auf den 3. März. Überhaupt spielen die Ferienzeiten in den Bundesländern bei der Entscheidung über den Wahltermin durchaus eine wichtige Rolle. In der Woche vom 3. bis zum 7. März sind in Bayern Winterferien, was eine Bundestagswahl auch am 9. März sehr unwahrscheinlich macht. In die Zeit vom 10. bis zum 21. März fallen die Hamburger Frühjahrsferien, und am 7. April starten mehrere Bundesländer in die Osterferien. Nach dieser Rechnung wären als Wahltermine der 23. und 30. März sowie der 6. April denkbar.

In Hamburg ist die Lage besonders herausfordernd, weil der Stadtstaat das einzige Bundesland ist, in dem im ersten Halbjahr 2025 bereits eine Wahl stattfindet. Die Vorbereitungen für die Bürgerschaftswahl sind längst angelaufen. Sollten Bürgerschaftswahl und Bundestagswahl am selben Tag abgehalten werden, dann hätte das laut Rudolf weitreichende Auswirkungen. Am Wahlabend könnte voraussichtlich nur das vorläufige Endergebnis der Bundestagswahl ermittelt werden. Die Bürgerschaftswahl würde erst am Tag darauf ausgezählt werden, was politisch schwer vorstellbar ist. Eine Auszählung beider Wahlen noch am Sonntagabend wäre nur dann möglich, wenn die Zahl der Wahlhelfenden von 15.000 auf 30.000 verdoppelt werden könnte, was wiederum nicht sehr realistisch ist.

Ein Abstand von zwei bis drei Wochen zwischen Bundestags- und Bürgerschaftswahl wäre sinnvoll

„Je weiter weg die Bundestagswahl von der Bürgerschaftswahl entfernt ist, desto besser“, sagt Rudolf aus der Hamburger Perspektive. Das hänge auch mit den erforderlichen Kontrollen und Nachprüfungen des Ergebnisses in den Tagen nach der Wahl zusammen. Damit es nicht zu organisatorischen Überschneidungen komme, sei ein Abstand von zwei bis drei Wochen sinnvoll.

Mehr zum Thema

Bundeswahlleiterin Ruth Brand hatte in einem am Freitag bekannt gewordenen Brief an Bundeskanzler Scholz ebenfalls vor einem sehr frühen Wahltermin bereits im Januar gewarnt, weil unter anderem die Zeit „zwischen den Jahren“ die ohnehin kurze Spanne bis zur Wahl weiter verkürzen würde. Nach Informationen des Abendblatts wollen sich Brand und die 16 Landeswahlleiter am Montag per Videokonferenz zusammenschalten, um über den Umgang mit der vorgezogenen Neuwahl zu beraten.