Hamburg. Im Wahlprogramm der Grünen steht: Kinder sollen Bäderland-Becken kostenlos besuchen können. Für die DLRG ist das zu kurz gedacht.

  • Die Grünen in Hamburg wollen nicht, dass Sicherheit im Wasser für Kinder eine Frage des Geldes ist
  • Kinder bis 10 Jahre sollen deshalb Bäderland gratis besuchen dürfen und der Schulschwimm-Unterricht in den Klassen 1 und 2 stattfinden
  • Doch Hamburgs DLRG-Präsident sieht die Pläne skeptisch

Schwimmen hat immer mehr etwas mit Geld zu tun“, so das harte Urteil von Heiko Mählmann, Präsident der Deutschen Lebens-Rettungs-Gesellschaft (DLRG) in Hamburg. Die Schere gehe immer weiter auf – und das könne doch kein haltbarer Zustand sein, findet er. Denn Sicherheit im Wasser, die sei doch im Zweifel überlebenswichtig.

Das sehen die Hamburger Grünen offenbar ganz ähnlich. In ihrem Programm für die Bürgerschaftswahl haben sie schließlich gleich mehrere Ideen festgehalten, mit denen sie die Schwimmfähigkeit der Hamburger Kinder fördern wollen. Allerdings: DLRG-Präsident Mählmann bleibt skeptisch.

Schwimmbäder in Hamburg: Grüne wollen Besuch für Kinder gratis machen

Obwohl sich das Gerücht hartnäckig halte, „dass immer mehr Kinder in Hamburg ertrinken und dass immer weniger Kinder schwimmen können, das stimmt so nicht“, stellt Maryam Blumenthal, Landesvorsitzende der Grünen, gegenüber dem Abendblatt klar. Es sei aber selbstverständlich trotzdem „ein Auftrag an die Politik, die richtigen Rahmenbedingungen zu setzen, damit kein Kind in Hamburg ertrinkt, weil es nicht schwimmen gelernt hat“. 

„(...) ein Auftrag an die Politik, die richtigen Rahmenbedingungen zu setzen, damit kein Kind in Hamburg ertrinkt, weil es nicht schwimmen gelernt hat.“

Maryam Blumenthal,
Landesvorsitzende der Grünen in Hamburg

Deshalb seien entsprechende Ideen in das sogenannte Regierungsprogramm aufgenommen worden. Einerseits wollen die Grünen das Schulschwimmen auf die Klassen 1 und 2 vorziehen. Andererseits sollen Kinder bis zehn Jahre die Bäderland-Standorte in Hamburg gratis besuchen können.

Der Hintergrund für den geplant kostenlosen Eintritt sei, „dass die Gewöhnung der Kinder an das Element Wasser, der Spaß im Wasser und somit auch das Schwimmenlernen auch Aufgabe der Eltern ist“, so Blumenthal. „Und mit dem freien Eintritt bauen wir Barrieren ab, um als Familie ins Schwimmbad zu gehen. Es soll wirklich nicht am Geld der Eltern scheitern.“ 

DLRG Hamburg: „Schwimmenlernen ist Grundrecht“

DLRG-Chef Mählmann sieht grundsätzlich die Politik in der Pflicht, die Schwimmfähigkeit von Hamburgs Kindern zu fördern. Alles andere sei fahrlässig, „gerade in einer Stadt am Wasser. Für mich ist das Schwimmenlernen ein Grundrecht für Kinder, wie das Lesen- und Schreibenlernen auch“, sagt er.

Trotzdem hält er beide Grünen-Vorschläge für besser gemeint als durchdacht. Ein freier Eintritt in die Schwimmbäder des städtischen Betreibers Bäderland reiche nicht, um Kinder frühzeitig ans Wasser zu gewöhnen. „Da werden sie zu sehr sich selbst überlassen“, so Mählmann. Insbesondere Kinder aus schwierigen familiären Verhältnissen müssten auf dem Weg zur Sicherheit im Wasser gezielter begleitet werden.

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Kinder sollen eher schwimmen lernen: „Da spielt auch Scham eine Rolle“

Auch die Idee, das Schulschwimmen vorzuziehen, besteht für Mählmann nicht den Realitätscheck. Zwar sei die DLRG immer dafür, die Kinder das Schwimmen möglichst früh zu lehren und sie schon im Vorschulalter heranzuführen.

Allerdings sei der Aufwand, sechs- oder siebenjährigen Schülern das Schwimmen beizubringen, für das ohnehin überlastete Lehrpersonal kaum zu stemmen, fürchtet der DLRG-Präsident. Das sei schlichtweg ein organisatorisches Problem. „Sechsjährige brauchen viel mehr Begleitung als Acht- oder Neunjährige, zum Beispiel wenn es um das Umziehen, Duschen und so weiter geht.“

Maryam Blumenthal, Landesvorsitzende der Grünen in Hamburg, hat als Lehrerin und Mutter viel für das Thema Schulschwimmen übrig.
Maryam Blumenthal, Landesvorsitzende der Grünen in Hamburg, hat als Lehrerin und Mutter viel für das Thema Schulschwimmen übrig. © FUNKE Foto Services | Marcelo Hernandez / FUNKE Foto Services

Ein Einwand, den Maryam Blumenthal – nicht nur Grüne-Vorsitzende, sondern zugleich sowohl Lehrerin als auch Mutter – für nichtig hält. Statt zu einem organisatorischen Problem zu werden, könne das frühe Schwimmenlernen die Kinder doch zugleich Selbstständigkeit lehren, meint sie. Gerade mit Blick auf erste Klassenreisen sei es doch gut, wenn die Kinder so früh schon lernen, sich möglichst allein umzuziehen und zu waschen.

„Es ist ein großer Unterschied, ob ein Kind schon mit sieben Jahren schwimmen kann oder erst mit neun. Da spielt auch Scham eine Rolle“, sagt Blumenthal. Es könne für Kinder sehr erniedrigend sein, sich in der dritten oder vierten Klasse vor ihren Schulkameraden als Nichtschwimmer „outen“ zu müssen. Das sei im jüngeren Alter noch ein geringeres Problem.

Schulschwimmen: 95 Prozent der Hamburger Kinder sollen nach der Grundschule schwimmen können

„Es ist weiterhin unser Ziel, dass 95 Prozent der Hamburger Kinder nach der Grundschule das Seepferdchen und 70 Prozent der Kinder das Bronze-Abzeichen erreicht haben“, formuliert Blumenthal. Ein weiteres Puzzleteil dafür, neben den Forderungen aus dem Regierungsprogramm, sei das Kita-Schwimmen. Es sollen möglichst viele Kinder schon vor dem verpflichtenden Schulschwimmen erste Erfahrungen im Wasser gesammelt und bestenfalls schon das Seepferdchen-Abzeichen in der Tasche haben.

Michael Dietel, Sprecher von Bäderland, weist darauf hin, dass sich die Schwimmfähigkeit der Hamburger Kinder stetig verbessere. Fast 60 Prozent aller Kinder hätten nach Beendigung der Grundschulzeit mindestens das Bronze-Abzeichen erreicht –und gelten damit als sichere Schwimmer. Seit Corona seien hier 20 Prozentpunkte dazugewonnen und demnach ordentlich aufgeholt worden, so Dietel.

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Bäderland erhebt regelmäßig Daten zur Schwimmfähigkeit im Auftrag der Schulbehörde. In jedem Jahr besuchen 17.000 Kinder im Rahmen des Schulsports die verschiedenen Bäderland-Standorte. Das städtische Unternehmen bringt 95 Prozent der Hamburger Schulkinder das Schwimmen bei.