Hamburg. Warum das bei Starkregen wichtig ist, wie Vorgärten bepflanzt werden sollen, weshalb für Häuser bald keine Baugenehmigung erforderlich ist.

  • Für Einfamilienhäuser, Doppel- und Reihenhäuser in Hamburg bald keine Baugenehmigung mehr erforderlich – unter einer Bedingung
  • Auch für Wärmepumpen und E-Ladesäulen bald keine Genehmigung mehr nötig
  • Hamburg verbietet Schottergärten – weil Erde etwa bei Starkregen mehr Wasser aufnehmen kann

Der Wohnungsbau in Hamburg ist in der Krise, das ambitionierte Wohnungsbauprogramm des rot-grünen Senats – einst sehr erfolgreich – verfehlt die eigenen Ziele. Neue Projekte geht die Bauwirtschaft kaum noch an; Schuld daran sind die hohen Baukosten. Und auch überbordende Bürokratie wird oftmals beklagt. Das soll sich jetzt ändern: Mit einer neuen Bauordnung, den die Landesregierung am Dienstag beschloss, soll das Bauen vereinfacht und Baugenehmigungen beschleunigt werden. Mehr Wohnungsbau ist entscheidend dafür, starke Mietsteigerungen zu dämpfen.

Das dürfte Bauherren besonders interessieren: Für Einfamilienhäuser, Doppelhäuser, Reihenhäuser und sogar kleinere Mehrfamilienhäuser ist in Hamburg bald gar keine Baugenehmigung mehr erforderlich. Sofern die Projekte im Bereich eines qualifizierten Bebauungsplans verwirklicht werden sollen und sie das Baurecht vollständig einhalten, müssen sie nur noch „angezeigt“ werden. Und: Einen Monat nach Einreichung der Bauvorlagen darf bereits mit dem Bau begonnen werden.

Für den Bau von Häusern brauchen Hamburger bald keine Baugenehmigung mehr

Liegt das Grundstück im Bereich eines alten Baustufenplans oder im Bereich einer städtebaulichen Erhaltungsverordnung, werden Wohngebäude weiterhin im vereinfachten Genehmigungsverfahren genehmigt. Das Gleiche gilt für große Mehrfamilienhäuser.

„Schnelleres Bauen heißt günstigeres Bauen. Mit der Neufassung der Hamburgischen Bauordnung setzen wir viele Anregungen aus den Kammern und der Baubranche um und beschleunigen die Baugenehmigungsverfahren, damit wieder schneller gebaut wird“, sagte Stadtentwicklungssenatorin Karen Pein (SPD) am Dienstag bei der Vorstellung der Pläne. „Das spart den Menschen Zeit und Kosten.“ Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) hatte bereits im Abendblatt-Interview angekündigt, den Wohnungsbau in Hamburg deutlich zu vereinfachen.

Auch für Wärmepumpen und E-Ladesäulen bald keine Genehmigung mehr nötig

Außerdem beschlossen: Ab 2026 dürfen Wärmepumpen und Ladepunkte für Elektrofahrzeuge regulär und ohne Baugenehmigung aufgestellt werden. Sogenannte Balkonkraftwerke, Solaranlagen an Fassaden kleinerer Gebäude werden ebenfalls genehmigungsfrei. Eigentümer können sie eigenverantwortlich umsetzen, müssen allerdings natürlich das geltende Baurecht beachten. „Das spart den Menschen Zeit und Kosten“, so Pein.

Erleichterungen gibt es auch beim Thema Parkplätze, was allerdings dazu führen könnte, dass insgesamt weniger neue Stellplätze entstehen. Denn: Die bisherige Pflicht zur Herstellung von Kfz-Parkplätzen wird mit der geänderten Bauordnung durch einen „modernen Mobilitätsnachweis“ abgelöst. Das bedeutet: Künftig wird jedes Grundstück im Hinblick auf den Mobilitätsbedarf seiner Nutzer individuell betrachtet. Dabei werden die Lage und die Anbindung an den öffentlichen Nahverkehr genauso berücksichtigt wie die örtlichen Verkehrsverhältnisse und der Bedarf der jeweiligen Nutzer. So hat z. B. eine Schule in der Nähe eines Bahnhofs andere Mobilitätsbedarfe als das Krankenhaus am Stadtrand und wiederum andere als ein innerstädtischer Gewerbebetrieb mit viel Lieferverkehr. Die bisherigen finanzielle Ausgleichszahlungen für rechtlich notwendige, aber nicht zu realisierenden Kfz-Stellplätze entfallen zukünftig.

Weniger Parkplätze: Paradigmenwechsel in Verkehrspolitik auch beim Bau

Damit will der Senat, wie berichtet, einen „Paradigmenwechsel in der Verkehrspolitik“ auch im Baubereich nachvollziehen. Wörtlich heißt es: „Bisher ausgehend vom inzwischen überholten Bild der autogerechten Stadt soll zukünftig der Fokus von der Pflicht zur Errichtung von Stellplätzen für Kraftfahrzeuge hin zu einer differenzierten Betrachtung der grundstücksbezogenen Mobilität gelenkt werden.“

Als „Zukunftsthema“ verbietet die Neuregelung in Hamburg Schottergärten. Vorgärten sollen biologisch vielfältig bepflanzt werden und die Freifläche besser Wasser aufnehmen können, etwa bei Starkregen. Die Versiegelung wird entsprechend begrenzt.

Hamburg verbietet bald die Schottergärten

Die Novelle der Bauordnung enthält ein ganzes Bündel von Maßnahmen, die die Umsetzung von Bauvorhaben erleichtern und beschleunigen sollen. Teils handelt es sich auch an eine Anpassung an die Musterbauordnung der Länder. Dadurch, dass Bauprüfabteilungen im Zuge des Bürokratieabbaus entlastet werden, sollen die Baugenehmigungsverfahren schneller werden. „zeit ist Geld, auch am Bau“, heißt es. Diese Maßnahmen sind auch noch geplant:

  • „Konkret erleichtern wir das Bauen im Bestand, indem einzelne Vorschriften bei Aufstockungen und Umnutzungen zukünftig nicht mehr beachtet werden müssen“, kündigte Pein an. Bei Bestandsbauten muss, wenn die Nutzung geändert oder wesentliche bauliche Änderungen vorgenommen werden sollen, derzeit das aktuell geltende Recht beachtet werden. Dies führe häufig dazu, dass Bestandsgebäude bei einem Umbau aufwendig und kostenintensiv ertüchtigt werden müssen. Manchmal ist es für Eigentümer dann einfacher, das Gebäude abzureißen und durch einen Neubau zu ersetzen. Mit der neuen Bauordnung muss hier nicht mehr Neubaustandard erfüllt werden. Sollen etwa Büroräume zu Wohnraum werden, müssen Wände und Decken des Bestandsgebäudes nicht mehr so ertüchtigt werden, dass sie aktuellem Recht für Neubauten entsprechen.
  • Die Behörde soll Bauvorhaben auch dann leichter genehmigen können, wenn die von baurechtlichen Vorschriften abweichen.
  • Kostenreduziertes und experimentelles Bauen: Gebäude, mit denen neue Bau- und Wohnformen erprobt werden, dürfen auch dann genehmigt werden, wenn sie nicht alle Bauvorschriften einhalten. So sollen innovative, kostengünstigere Bauweisen gefördert werden.

Potenzial bei der Umwandlung von Büro- in Wohnraum sieht Senatorin Pein nicht so sehr in der Innenstadt, sondern „in weniger hochzentralen Lagen“ mit schlechter energetischer Ausstattung, wo Büroflächen eher leer stehen könnten. Hier stimme für die Eigentümer die Rendite.

Bis das neue Recht gültig ist, wird es allerdings noch eine ganze Weile dauern. Erst muss die Bürgerschaft die Novelle der Bauordnung beschließen, dann die Stadtentwicklungsbehörde die Sonderbauverordnungen anpassen, zahlreiche Fachrechtsgesetze ändern und die Software zur Genehmigung von Bauanträgen anpassen. Anfang 2026 soll das neue Recht in Kraft treten.

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