Hamburg. „Paten gibt es nicht“: Doch Banden haben hochprofessionelle weltweite Struktur. Im Hafen wird jetzt aufgerüstet. Was Kokain teuer macht.

Der Hamburger Hafen, das zeigt gerade die Sicherstellung von 2,1 Tonnen Kokain, wird immer mehr zum Einfallstor des Drogenschmuggels in großem Stil. „Wir haben hier eine hochprofessionelle, internationale, kriminelle Struktur, die mit enormer Intensität auch versucht, ihre Vertriebswege und ihren Absatz gerade in Europa auszubauen“, sagt Innensenator Andy Grote (SPD). Dass Hamburg immer mehr Bedeutung gewinnt, hat Gründe. Einerseits kommt deutlich mehr Kokain aus Südamerika. Andrerseits verstärken die Häfen Rotterdam und Antwerpen ihre Bemühungen, dort Drogen anzufangen – so weichen die Kriminellen auf die deutsche Hafenmetropole aus.

Auch in Hamburg will man aufrüsten. Das allerdings in eher bescheidenem Umfang. „Wir werden die Durchleuchtungskapazität durch zwei mobile Röntgenanlagen im Hamburger Hafen steigern, die wir schwerpunktmäßig direkt auf den Terminals einsetzen können und die hier in Kürze zur Verfügung stehen“, sagt Michael Schrader, Leiter vom Hauptzollamt Hamburg. Dabei wird es sich zunächst um bereits im Einsatz befindliche Anlagen handeln, die nach Hamburg geschafft werden müssen. Ein Neukauf ist nicht so einfach. Dafür müsse, so lässt es ein Zöllner durchblicken, eine europaweite Ausschreibung für die jeweils rund zwei Millionen Euro teuren Anlagen durchgeführt werden. Das kann Jahre dauern.

Hafen Hamburg: Dealerbanden haben sich stark verändert

Bislang setzt man auf die stationäre Anlage in Waltershof, zu der die Lastwagen mit den verdächtigen Containern hingelotst werden müssen. Sie war 1996 gebaut worden. Damals war der Hafen noch Freihafen, von einem Zaun umgeben, mit streng kontrollierten Übergängen.

Völlig geändert hat sich auch die Struktur der Dealergruppen. Kartelle gibt es, allerdings nur in Südamerika. Wie man sich eine Dealergruppe in Deutschland vorstellen muss, weiß LKA-Chef Jan Hieber: „Dass es einen Paten gibt, der das alles kontrolliert und der alle unter Kontrolle hat, das ist unserer Wahrnehmung nach nicht so. Jeder kennt jeden und irgendeiner ist der Kopf einer Planung, meistens der, der die Idee hat.“ Der Ablauf selbst sei „sehr geschäftsmäßig“.

„Es sind Geschäftsleute, die miteinander arbeiten. Es gibt Kennverhältnisse und natürlich auch Menschen, die dann wiederum mit beiden Seiten, Abnehmern und Lieferanten, in Kontakt stehen.“ Das wisse man unter anderem aus den Ermittlungen rund um das geknackte Kommunikationssystem Encrochat. Im Rahmen dieser Ermittlungen hatte man zahlreiche Drogenhändler überführen und festnehmen können, aber auch einen tiefen Einblick in die Strukturen bekommen.

Drogenlabore haben ihr eigenes „Label“ für die Kokainpakete

Lieferanten sind die Kartelle in Südamerika. Sie verkaufen das Kokain an Abnehmer. Oftmals müssen mehrere Labore Kokain für eine große Charge liefern. Das war offensichtlich auch im Fall der vergangene Woche sichergestellten 2,1 Tonnen Kokain so. Die Pakete sind verschieden „gelabelt“. Jedes Label steht für einen Lieferanten.

Ein Zöllner am Bildschirm der Röntgenanlage in Waltershof, wo komplette Container durchleuchtet werden.
Ein Zöllner am Bildschirm der Röntgenanlage in Waltershof, wo komplette Container durchleuchtet werden. © Andre Zand-Vakili | Andre Zand-Vakili

Der große Wertzuwachs entsteht, wenn es gelingt, das Kokain in Hamburg einzuschmuggeln. „Das ist der entscheidende Preissprung, den das Kokain macht“, so Hieber. Bei 30.000 Euro liegt der Kilopreis dann. Damit habe sich laut Hieber der Preis „durch die Fahrt übers große Meer mehr als verzehnfacht“.

Kokain gibt es laut LKA-Chef „mehr als genug“

Kokain gibt es nach Erkenntnissen des Landeskriminalamtes „mehr als genug“. „Die Jahresproduktion erreicht ständig neue Rekorde“, so Hieber. „Europa hat als ein offensichtlich noch nicht völlig gesättigter Markt eine ganz, ganz großen Sogwirkung. Ein großer Teil der Kokain-Produktion, muss man wohl konstatieren, geht dann auch in Richtung Europa.“

Dadurch sind die Preise in den vergangenen Jahren gefallen, und das angebotene Kokain ist gleichzeitig immer besser geworden. Es wird kaum noch mit Streckmittel versetzt. Die „Kunden“ würden es nicht tolerieren. Auf der Straße, so heißt es von Insidern, liege der Preis für ein Gramm Kokain bei 60 Euro und darunter.

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„Bislang haben auch große Sicherstellungen von Kokain nicht dazu geführt, dass der Preis steigt“, sagt Thomas Jungfer von der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG). „Das zeigt mir, dass die weitaus größten Mengen nicht abgefangen werden können. Es ist dringend nötig, hier noch mehr zu tun.“

„Deshalb haben wir im letzten Herbst die Allianz sicherer Hafen Hamburg ins Leben gerufen und im Mai dieses Jahres das Hafensicherheitszentrum in Betrieb genommen“, sagt Innensenator Grote. Es besteht aus Mitarbeitern von Zoll, HPA und Polizei. Grote: „Im aktuellen Fall hat sich die Arbeitsstruktur, die wir da aufgebaut haben, ausgezahlt. Denn genau dort im Hafensicherheitszentrum sind die Fäden zusammengelaufen.“