Hamburg. Zoll stellt dreimal so viel sicher wie im Vorjahr. Kokain im Wert von 2,3 Milliarden Euro im Hamburger Hafen gefunden. Wie die Täter vorgehen.

Der Hamburger Hafen erlebt eine nie da gewesene Kokainschwemme. Das ist die herausragende Erkenntnis bei der Jahresbilanz des Zolls. Rund 33 Tonnen der Drogen, eingeschmuggelt auf Schiffen aus Südamerika, wurden im vergangenen Jahr im Hafen sichergestellt. Das ist fast dreimal so viel wie im Jahr zuvor: 2022 waren es noch rund 13 Tonnen gewesen. Michael Schrader, Chef beim Hauptzollamt Hamburg, geht davon aus, dass immer größere Ausmaße des Kokainschmuggels für die Zunahme verantwortlich sind.

„Es wäre vermessen zu sagen, dass diese große Steigerung bei der Sicherstellung von Kokain damit begründet werden kann, dass wir besser geworden sind“, sagt Schrader. „Wir sind gut. Aber ich gehe davon aus, dass wir einen gewissen Prozentteil, der auf dem Niveau der Vorjahre liegt, sicherstellen. Der Rest geht an uns vorbei.“

Hamburger Hafen: Fast wöchentlich werden große Mengen Kokain sichergestellt

Tatsächlich vergehe kaum eine Woche, in der der Zoll oder andere Dienststellen im Hamburger Hafen nicht auf Kokain stoßen. Die Mengen sind oft riesig. „Wir hatten vor vielen Jahren mal 700 Kilo Kokain in einem VW-Bus. Da ist fast der Staatssekretär gekommen, weil das damals so immens war“, erinnert sich Schrader. Heute bewegt man sich oft im Bereich von Tonnen, die bei einem Aufschlag sichergestellt werden.

„Wir sehen uns mit einer komplett veränderten Situation konfrontiert“, so der Chef des Hauptzollamts Schrader. Die Strukturen im Kokainhandel würden sich immer weiter professionalisieren. Als Beispiel nennt er die „Zaunkletterer“. Rund 50 Männer nahmen Zöllner vergangenen Sommer am Containerterminal Altenwerder fest. Sie waren aus Holland eingereist. Abgerissene Typen, Glücksritter, die offenbar im Auftrag der Drogenmafia nach einem „verloren gegangenen Container“ mit Kokain suchen sollten. Im Juli riss die Serie dann ab.

Schrader geht davon aus, dass sie nicht gefunden haben, was sie gesucht hatten. Ein paar Wochen vor dem Beginn des Eindringens der „Zaunkletterer“ auf das CTA war dort Kokain im höheren, dreistelligen Kilobereich sichergestellt worden. Das war nicht bekannt geworden. Man vermutet, dass es die Ladung war, nach der gesucht wurde. „Das kannte ich auch nicht, obwohl ich jetzt schon 40 Jahre im Hafen unterwegs bin“, sagt Schrader über die „Zaunkletterer“.

70 Millionen Euro wird auf dem Schwarzmarkt für eine Tonne Kokain gezahlt

Das Kokain kommt immer auf Schiffen aus Südamerika. Beim Zoll geht man davon aus, dass sogar Firmen gegründet werden, die nur Fassade für Kokainschmuggel sind. Das illegale Geschäft ist höchst lukrativ. Auf 70 Millionen Euro taxiert man beim Zoll den Wert einer Tonne Kokain – wohlgemerkt als Großhandelspreis. Damit wäre im vergangenen Jahr in Hamburg Kokain im Wert von 2,3 Milliarden Euro vom Markt genommen worden. Klingt gigantisch – ist aber eher so etwas wie der berüchtigte Tropfen auf den heißen Stein. Über den Hamburger Hafen, davon gehen Experten aus, wird mittlerweile jährlich Kokain im Schwarzmarktwert von 16 Milliarden Euro geschmuggelt.

Michael Schrader, Leiter des Hauptzollamts Hamburg.
Michael Schrader, Leiter des Hauptzollamts Hamburg. © André Zand-Vakili | André Zand-Vakili

Geschmuggelt wird in verschiedenen Varianten. „Das geht vom Drop-Off- und Rip-Off-Verfahren, bis hin zu Tarnladungen, Verstecke in Wassertanks der Schiffe sowie des Einbaus von Verstecken in den Containern selbst“, sagt Nils Gärtner, Leiter des Zollfahndungsamtes Hamburg. Unter Drop-Off versteht man das Über-Bord-Werfen von wasserdicht verpacktem Kokain noch vor dem Hafen. Es wird dann von den Empfängern mithilfe von Peilsendern geortet. Rip-Off bedeutet, dass das Kokain im Hafen aus dem Container geholt wird und die angemeldete Ware in dem wieder versiegelten Container unauffällig an ihren Bestimmungsort geht. Das passiert häufig.

„Allianz sicherer Hafen“ geht gegen Insider vor

Deswegen setzt Schrader auch viel Hoffnung in die „Allianz sicherer Hafen“, an der neben dem Zoll auch die Polizei und die Hafenbetriebe beteiligt sind. Dabei soll gegen sogenannte „Innentäter“ vorgegangen werden – also Mitarbeiter im Hafen, die ihre Stellung nutzen, um den Kokainschmugglern zu helfen.

Die silber-grauen Pakete mit dem weißen Kokain sind beispielsweise neben Bananen in Bananenkisten versteckt.
Die silber-grauen Pakete mit dem weißen Kokain sind beispielsweise neben Bananen in Bananenkisten versteckt. © dpa | Marcus Brandt

Im Vergleich zum Kokain fielen andere Drogen kaum ins Gewicht. So stellten das Hauptzollamt Hamburg und das für den Flughafen zuständige Hauptzollamt Itzehoe unter anderem 139 Kilogramm Marihuana, 34 Kilogramm Haschisch, knapp 7,5 Kilogramm Amphetamine und fast 1,5 Kilogramm Ecstasy sicher.

E-Bikes aus China sind für Zoll großes Thema

Beim Kampf gegen Marken- und Produktpiraterie wurden die Hauptzollämter fast 660-mal fündig. Den Wert der beschlagnahmten Waren bezifferten sie auf rund 34,4 Millionen Euro. Die meisten Aufgriffe machten sie nach eigenen Angaben in den Bereichen Kleidung, persönliches Zubehör und Körperpflegeprodukte. Die Herkunftsländer der gefälschten Waren werden mit fast 72 Prozent von China angeführt. Danach folgen Polen, Deutschland und Hongkong.

Daneben sind gerade E-Bikes ein großes Thema für den Zoll. Dabei geht es um falsch angegebene Herkunftsländer. So wollen ebenfalls Hersteller aus China die Antidoping-Zölle umgehen. „Wir bearbeiten gerade eine zweistellige Anzahl von Ermittlungsverfahren aus diesem Deliktsbereich“, sagt Gärtner. Der Steuerschaden liege in den meisten Fällen im einstelligen Millionenbereich.

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Ein Thema bleibt auch Tabak. Rund 50 Millionen Schmuggelzigaretten und etwa zwei Tonnen Wasserpfeifentabak zog der Zoll Hamburg in seinem Bereich im vergangenen Jahr aus dem Verkehr.

Dabei geht es beim Zoll nicht nur um Kriminalität. Der Zoll ist auch zuständig für die Erhebung von Einflugabgaben für den Bundeshaushalt und die Europäische Union. Das Hauptzollamt Hamburg generiert so 29,5 Milliarden Euro. Schrader: „Das sind rund 20 Prozent der Bundeseinnahmen.“