Hamburg. Zum besseren Schutz vor Bedrohungslagen wie Sabotage und Überflutungen: Innenbehörde vor größter Umstrukturierung seit Helmut Schmidt.

  • Krisenbewältigung und Bevölkerungsschutz werden in Hamburg völlig neu ausgerichtet.
  • Größte Umstrukturierung, seit Helmut Schmidt nach der Sturmflut 1962 Polizeibehörde zur Krisenbewältigungsbehörde ausbaute.
  • Politik rechnet mit mehr „hybriden Bedrohungen“ wie Cyberangriffe, Desinformation, Spionage und Sabotage.

Es ist „die größte Umgestaltung der Innenbehörde seit Helmut Schmidt“: Der rot-grüne Senat richtet die Krisenbewältigung und den Schutz der Bevölkerung völlig neu aus. Mit zahlreichen Maßnahmen will sich die Hansestadt besser gegen die zunehmenden Gefahren durch Cyberangriffe, Sabotage, Spionage, militärischen Bedrohungslagen bis hin zu den Auswirkungen des Klimawandels wappnen – eine „Zeitenwende auch in Hamburg“.

Dafür werden unter anderem das zuständige Personal in der Hamburger Innenbehörde verdreifacht und der Lageraum des Zentralen Krisenstabs am Johanniswall technisch aufgerüstet. Auch der Verfassungsschutz wird angesichts neuer drohender Gefahren verstärkt. Denn: Krisen und Bedrohungen würden in Zukunft andauernder und vielschichtiger. Die entsprechende Drucksache, über die im Oktober die Bürgerschaft entscheiden soll, liegt dem Abendblatt vor.

„Zeitenwende“: Hamburg rüstet bei Bevölkerungsschutz massiv auf

Hintergrund für diese „Zeitenwende“ – in Anlehnung an das Kanzlerwort – sind laut Innenbehörde die Erfahrungen der Stadt bei der Bewältigung der jüngsten Krisen wie die Corona-Pandemie und der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine. In beiden Fällen hatte die Innenbehörde zuletzt eigene Krisenstäbe zur Koordinierung der Maßnahmen eingerichtet, die sich bewährt hätten, wie sie findet.

Übung mit simuliertem Busunfall
Übungen werden künftig häufiger: Hier simulieren Helfer und Verletztendarsteller die Versorgung von Verletzten nach einem Busunfall. © picture alliance/dpa | Daniel Bockwoldt

Gleichzeitig sei deutlich geworden, dass es künftig von großer Bedeutung sein wird, sich für die Bewältigung auch länger andauernder, komplexer und vielschichtiger Krisen und hybrider Bedrohungen aufzustellen. Und das gilt ausdrücklich auch für die Auswirkungen, die aus dem voranschreitenden Klimawandel resultieren.

Innenbehörde Hamburg: Innere und äußere Sicherheit kaum noch trennbar

Gerade beim Ukraine-Krieg werde deutlich, dass innere und äußere Sicherheit kaum mehr trennbar seien und die „Zeitenwende“ – unter anderem im Bevölkerungsschutz – auch in Hamburg zu Veränderungen führen muss. Seit der damalige Innensenator und spätere Kanzler Helmut Schmidt nach der Sturmflut 1962 die zu der Zeit noch sogenannte Polizeibehörde zu einer umfassenden Krisenbewältigungsbehörde ausgebaut hat, habe es keine so große Umstrukturierung gegeben. Hamburg investiert hierfür in den kommenden beiden Jahren rund 25 Millionen Euro. Die rot-grünen Regierungsfraktionen hatten Mitte 2023 in einem Antrag gefordert, den Katastrophenschutz in der Hansestadt neu aufzustellen.

Wappnen muss sich Hamburg heute nicht mehr nur gegen einzelne Katastrophenfälle, sondern mehr und mehr auch gegen „hybride Bedrohungen“ wie beispielsweise Cyberangriffe, Desinformation, Spionage und Sabotage. Deshalb will die Innenbehörde mit der Neuausrichtung die strategischen Fähigkeiten zur Früherkennung von neuen Bedrohungslagen und eine koordinierte Instanz für die Bereiche der kritischen Infrastruktur und der Cybersicherheit schaffen.

Insgesamt 42 neue Stellen für Krisenbewältigung und Bevölkerungsschutz in Hamburg

Konkret wird dafür eine neue „Abteilung für Krisenbewältigung und Bevölkerungsschutz“ in der Innenbehörde geschaffen. 45 Mitarbeiter werden sich in fünf Referaten um strategische Planung und Analyse, Bevölkerungsschutz, kritische Infrastruktur/ Cybersicherheit, Aus- und Fortbildungen/ Übungen und zivil-militärische Zusammenarbeit kümmern. Rund 30 der Stellen werden neu geschaffen. Die technische Ausstattung wird verbessert, der Lageraum für den Zentralen Krisenstab bei größeren Schaden-, Krisen- oder Katastrophenlagen modernisiert.

Der Lageraum in der Innenbehörde am Johanniswall: Hier traf sich der  Katastrophenstab während der Corona-Pandemie zur täglichen Morgenlage.
Der Lageraum in der Innenbehörde am Johanniswall: Hier traf sich der Katastrophenstab während der Corona-Pandemie zur täglichen Morgenlage. © Michael Rauhe / FUNKE Foto Services | Michael Rauhe

Die neue Abteilung werde sich permanent mit bereits bekannten, aber auch mit zukünftig zu erwartenden Risikoszenarien für Hamburg befassen und dafür Präventions- und Bewältigungsstrategien entwickeln, heißt es aus der Behörde. Dazu gehöre die Etablierung eines Daten- und Informationsmanagementsystems, in dem alles Wissen zusammenfließt, das in einem Krisenfall erforderlich ist. Die Abteilung wird auch der Brückenkopf zu „allen beteiligten staatlichen und privaten Netzwerkpartnern auf Bundes- und Landesebene“ sein, wie unter anderem dem Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI). Allein die verschiedenen Gesetzesvorhaben der Bundesregierung hätten massive Auswirkungen auf den behördlichen Umgang mit Cybersicherheit in den Ländern, heißt es.  

Andy Grote: Hamburg bei Krisenbewältigung deutlich besser aufgestellt

„Neue Krisenszenarien erfordern neue Fähigkeiten in der Krisenbewältigung. Daher stellt sich Hamburg hier breiter und robuster auf und schafft eine neue Abteilung mit deutlich erweiterten Fähigkeiten und erheblich mehr Personal“, sagt Innensenator Andy Grote (SPD). „Seit der Schaffung eines damals modernen Katastrophenschutzes unter Helmut Schmidt hat es keine vergleichbar weitreichende Weiterentwicklung gegeben. Die Hamburgerinnen und Hamburger können sicher sein, dass dieser Senat alles dafür tut, damit Hamburg auf alle Krisen gut vorbereitet ist.“

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Zur verstärkten Aufklärung von Spionage- und Cyberaktivitäten auswärtiger Mächte wird das Landesamt für Verfassungsschutz um sieben Stellen ausgebaut. Bei der Staatsschutzabteilung der Hamburger Polizei entstehen zudem fünf neue Stellen für Ermittlungen im Bereich der Spionage und Sabotage. Auch würden für eine bessere Terrorabwehrfähigkeit weitere nötige Ausstattungsmittel wie Plattenträger, ballistische Helme und Schutzschilde bereitgestellt.

Immer häufiger ist Hamburg auch von Extremwetterereignissen infolge des Klimawandels betroffen. So stand Ende Juni der Mühlenkamp in Winterhude nach Starkregen unter Wasser.
Immer häufiger ist Hamburg auch von Extremwetterereignissen infolge des Klimawandels betroffen. So stand Ende Juni der Mühlenkamp in Winterhude nach Starkregen unter Wasser. © MARCELO HERNANDEZ / FUNKE Foto Services | Marcelo Hernandez

Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) hatte in der vergangenen Woche angekündigt, dass sich Hamburg auf alle möglichen Krisen- und Katastrophenfälle vorbereiten wolle – auch für den Kriegsfall. Bereits in den kommenden Tagen wird es eine große Übung der Bundeswehr in Hamburg geben. Bei dieser Übung mit dem Namen „Red Storm Alpha“ sichert das Landeskommando mit Heimatschutzkräften den Hafen vom 26. bis zum 28. September und errichtet dort auch einen Checkpoint. „Ziel ist es, verteidigungswichtige Infrastruktur zu schützen, auf allen Ebenen das gleiche Lagebild zu haben und schnell und sicher mit allen Übungsteilnehmenden kommunizieren zu können“, so das Landeskommando.