Hamburg. Experten warnen vor einem tagelangen Stromausfall. Wie gut ist die kritische Infrastruktur auf ein solches Szenario vorbereitet?

Es ist ein Szenario, das hoffentlich niemals passieren wird: Der Strom fällt flächendeckend in Deutschland aus – nicht nur für einige Stunden, sondern für mehrere Tage. Bei einem solchen Blackout würde auch in Hamburg die Stromversorgung zusammenbrechen. Ursachen können Anschläge und ein instabiles Stromnetz sein.

Zwar hält die Bundesnetzagentur einen flächendeckenden Blackout für unwahrscheinlich. Doch der Städte- und Gemeindebund bemängelt, dass Deutschland angesichts der Energiekrise darauf „wenig vorbereitet“ sei.

Hamburg als Teil einer „nationalen Katastrophe“?

Das Abendblatt hat Institutionen und Versorger dazu befragt. Offen will niemand sagen, was eine Expertenkommission im Auftrag des Bundestags unter dem Titel „Was bei einem Blackout geschieht“ bereits 2011 prognostiziert hat: Die öffentliche Sicherheit sei dann gefährdet und die Versorgung der Bevölkerung nicht mehr gewährleistet. Das Papier spricht sogar von einer „nationalen Katastrophe“.

Wenn es keinen Strom mehr gibt, funktionieren weder Bankautomaten noch Tankstellen, Internet und Mobiltelefone. Auch die elektrisch betriebenen Elemente der Verkehrsträger Straße, Schiene, Luft und Wasser fallen sofort oder nach wenigen Stunden aus.

Hamburg: Kritische Infrastruktur für 72 Stunden gesichert

Im Krisenfall werden die Hamburger über das Modulare Warnsystem (z. B. App NINA) informiert, das über eine Notstromversorgung verfügt. „Im Ernstfall können die Bürger außerdem per Lautsprecherdurchsagen oder andere Möglichkeiten ohne Strombedarf informiert werden“, heißt es beim Hamburger Krisenstab.

Die Stromversorgung bei Unternehmen der kritischen Infrastruktur ist auf der Basis von Ersatzstrom für rund 72 Stunden möglich.

Hamburg treffe im Übrigen „umfangreiche Vorkehrungen zur staatlichen Daseinsvorsorge, um die Grundversorgung der Bevölkerung mit lebenswichtigen Gütern und Dienstleistungen gewährleisten zu können“, betont Senatssprecher Marcel Schweitzer.

Polizei Hamburg sieht sich für Blackout gerüstet

Bei der Hamburger Polizei ist man auf einen Blackout so gut wie möglich vorbereitet. „Wir verfügen über unterschiedlichste Einsatzkonzeptionen, die auf ihre Aktualität überprüft und, wenn erforderlich, angepasst werden. Klar ist aber auch, dass sich nicht jedes Szenario bis ins Detail im Vorwege planen lässt“, sagt Polizeisprecher Florian Abbenseth.

Nach dem Angriff Russlands hat die Polizei im Sommer dieses Jahres eine interne Arbeitsgruppe „Energiesicherheit“ gebildet, die sich sowohl mit der Identifikation und Umsetzung von Sparmaßnahmen befasst als auch mit der Erarbeitung eines Maßnahmenkataloges. In welchem Umfang die Polizei eine eigene Stromversorgung vorhält, will man aus einsatztaktischen Gründen nicht sagen.

Blackout: Polizei-Notruf außer Gefecht?

Sicher ist: Die Wachen der Schutz- und Wasserschutzpolizei, die Bereitschaftspolizei oder die Verkehrsdirektion verfügen über Notstromaggregate. Auch beim Thema Digitalfunk ist man schmallippig. Zwar könne er zunächst weiter betrieben werden. Wie lange man das durchhält, will man nicht sagen.

Für die Fahrzeuge hat die Polizei eine eigene Tankstelle auf dem Gelände der Polizei an der Carl-Cohn-Straße, aus der auch bei einem Blackout Treibstoff gezapft werden kann.

Die Polizei zu erreichen könnte schwierig, über den Notruf unmöglich sein. In dem Fall würden alle Polizei- und Feuerwehrwachen, auch die der freiwilligen Feuerwehr, Anlaufpunkte sein. Bei einem Ausfall von Funk und Telefon müsste man auf Melder zurückgreifen, bei Treibstoffknappheit auf Muskelkraft.

Tatsächlich hatte früher in Hamburg jede Drehleiter ein Melderfahrrad am Fahrzeug. Die Einsätze selbst mussten beim Ausfall der Technik auf Zetteln geschrieben werden. So wurde noch bis in die 1990er-Jahre in der Einsatzzentrale im Polizeipräsidium gearbeitet.

Blackout Hamburg: Was ist mit Trinkwasser?

Die Trinkwasserversorgung könnte nach Angaben von Hamburg Wasser noch maximal zwei Tage in Versorgungszonen funktionieren, weil Restwasser aus den Hochbehältern zur Verfügung steht. Danach müsste die Bevölkerung über Notbrunnen versorgt werden. Zudem wird empfohlen, privat Trinkwasservorräte anzulegen (siehe diesen Extra-Beitrag).

Problematisch wird es beim Abwasser. Es komme zu einem Rückstau in den Pumpwerken und im Sielnetz. Ungereinigtes Abwasser könnte in die Gewässer fließen. Es drohen schlechte hygienische Zustände, warnen Experten.

Hamburgs Busse und U-Bahnen stünden still

Nur partiell dürfte der ÖPNV funktionieren. „Die Betankung und der Einsatz unserer rund 1000 Dieselbusse wäre mit Einschränkungen grundsätzlich weiterhin möglich“, sagte eine Sprecherin der Hamburger Hochbahn. Der U-Bahn-Betrieb und der Einsatz von E-Bussen über den aktuellen Ladungsstand hinaus seien ohne Stromversorgung nicht möglich.

Die Sicherheitsbeleuchtung sowie die Versorgung der sicherheitsrelevanten Anlagen könne „ausreichend lange“ gewährleistet werden, um eine sichere Evakuierung von Fahrgästen zu ermöglichen.

Blackout Hamburg: Notfallpläne am UKE

Wie bei allen Institutionen liegen auch in den Krankenhäusern Notfallpläne vor. Das UKE erprobe regelmäßig diese Szenarien, sagte eine Kliniksprecherin. Weitere Details wollte sie aus Gründen der „Konzernsicherheit“ nicht nennen.

Auch die Edeka-Zentrale wollte sich auf Abendblatt-Anfrage zur Lebensmittelversorgung nicht äußern. Ähnlich antwortete eine Sprecherin der Deutschen Bahn. Sie wolle sich an Spekulationen nicht beteiligen. „Selbstverständlich gibt es gemäß der jeweils gültigen Gesetze und Richtlinien entsprechende Notfallversorgungen für die gesamten Bahnanlagen.“

Blackout: Erschreckendes Szenario für Altona

Wie unzureichend der Bezirk Altona auf einen Blackout großen Ausmaßes vorbereitet ist, macht jetzt die Antwort des Bezirksamtes auf eine Kleine Anfrage der Altonaer FDP-Fraktionsvorsitzenden Katarina Blume deutlich. In Notunterkünften werden gerade mal 200 Feldbetten bereitgehalten. Das ist umgerechnet ein Feldbett für 1375 Einwohner. Außerdem fehlen Sirenen und Mitarbeiter im Katas­trophenschutz.

In einem Antrag an die Altonaer Bezirksversammlung fordert die FDP nun dringend Nachbesserungen. Beispielsweise müssten die Bürger mit einer gezielten Kampagne aufgefordert werden, „eine eigenständige Notfallvorsorge zu treffen“.