Hamburg. Säkulare Muslime in Hamburg: Moschee muss in demokratische Hände. Wieso das Gebäude aus ihrer Sicht geschlossen bleiben soll.

Schon fast zwei Monate ist es her, da hat Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) das Islamische Zentrum Hamburg (IZH) und fünf weitere, vermutlich damit verbandelte Vereine in Deutschland verboten. Das IZH galt als verlängerter Arm des iranischen Regimes und Hort der antidemokratischen und antisemitischen Propaganda. Jahrelang wurde der Verein vom Verfassungsschutz beobachtet, bis seine Schließung im Juli vollzogen wurde. Überfällig sei das gewesen, sagen nicht wenige.

Seit der Razzia in den Räumen des Vereins, der eindrucksvollen Blauen Moschee an der Außenalster, steht die Zukunft des Gotteshauses in den Sternen. Ideen, wie das prächtige Gebäude im Sinne der Gläubigen weitergenutzt werden kann, gibt es viele. Dennoch plädieren einige Muslime für den weiteren Leerstand der Moschee. Wieso, das hat Hourvash Pourkian vom Verein Kulturbrücke dem Abendblatt erklärt.

Viele Muslime befürworten Leerstand der Blauen Moschee – vorerst

Für Pourkian und ihre Mitstreiter, etwa vom Verein Säkularer Islam Hamburg, aus der Kurdischen Gemeinde Deutschland und dem Mideast Freedom Forum Berlin, bedeutet die Schließung des IZH ein Aufatmen. Doch ein Vereinsverbot bedeute nicht, dass es nun keine Anhänger des iranischen Regimes mehr unter den Muslimen in Hamburg gebe, sagt Pourkian.

„Wir fürchten, wenn die Moschee jetzt wieder eröffnet, kommt das Regime durch die Hintertür und kann weiter Einfluss nehmen“, sagt sie. Solange das derzeitige iranische Regime an der Macht ist, sollte das Gotteshaus geschlossen bleiben, findet sie.

Selbstverständlich würden die säkularen, also weltlichen beziehungsweise gemäßigten Muslime in Hamburg die reich verzierte Moschee gern nutzen, ob als Gebetshaus oder Kulturzentrum. „Aber wir haben keine Sicherheit, zum Beispiel vor Bomben oder Attentaten“, beschreibt Pourkian die Sorgen der Community.

Auch interessant

Hamburg: Säkulare Muslime fürchten Unterwanderung

Die Unterwanderung durch das iranische Regime sei ein ernst zu nehmendes Problem. Pourkian berichtet sogar von Spionen, die aus dem Iran nach Deutschland und Europa geschickt und sich als Oppositionelle ausgeben würden. Sie selbst werde seit Jahren von dubiosen Anrufen und persönlichen Bedrohungen geplagt, verlasse das Haus nur mit Pfefferspray und kontrolliere regelmäßig, ob sie verfolgt werde.

„Ich traue diesem Regime nicht – und ich traue Deutschland auch nicht“, sagt Pourkian. Ihre Befürchtungen gehen weit: Sie könnte sich sogar vorstellen, dass Innenministerin Nancy Faeser das IZH eines Tages wieder erlaubt. Anhaltspunkte dafür gibt es nicht. Allerdings schüren Geisel-Deals mit dem Iran, die in den vergangenen Jahren mehrfach von EU-Staaten gemacht wurden, Ängste bei den säkularen Muslimen. Würde die deutsche Regierung dem Iran ebenfalls Zugeständnisse machen?

Freitagsgebete nahe der Blauen Moschee sind „reiner politischer Protest“

Seit das IZH geschlossen ist, treffen sich zum Freitagsgebet in jeder Woche schiitische Muslime in der Nähe der nunmehr verriegelten Moschee. Teils sind es Hunderte. In Pourkians Augen handelt es sich dabei nicht um religiöses Zusammenkommen: „Wir sehen das als reinen politischen Protest und islamistische Propaganda.“ So hätten die anwesenden Muslime Anfang August etwa um den in der iranischen Hauptstadt Teheran mutmaßlich von israelischen Kräften getöteten Hamas-Anführer Ismail Hanija getrauert.

Der Verein selbst, das IZH, hatte gegen sein Verbot beim Bundesverfassungsgericht geklagt. Entwicklungen in der Sache dürfte es aber erst 2025 geben, erklärt ein Sprecher des Gerichts. Das IZH habe nämlich keinen Eilantrag gestellt, sodass die Klage als reguläres Hauptsacheverfahren bearbeitet würde – und das dauert. Wieso sich der Verein gegen einen Eilantrag entschieden hat, ist unklar.

Freitagsgebet vor der Blauen Moschee
Gebet mit Protest: Freitagsgebet nahe der Blauen Moschee in Hamburg am 13. September 2024. © DPA Images | Markus Scholz

Hamburger Muslime fordern Umbenennung der Blauen Moschee an der Alster

Was die Zukunft der Blauen Moschee angeht, begrüßen die säkularen Muslime die Forderung von Innensenator Andy Grote (SPD), dass das Gotteshaus unbedingt staatlich bleiben müsse. „Die Moschee muss in den Händen von Demokraten liegen“, betont Pourkian mehrfach.

Die säkularen muslimischen Vereine suchen weiterhin das Gespräch mit dem Hamburger Senat und haben einen offenen Brief an Bundesinnenministerin Faeser verfasst. Denn ein Zeichen wollen sie setzen, auch wenn die Türen der Moschee vorerst verschlossen bleiben. Sie fordern die symbolische Umwidmung der Moschee in ein Kultur- und Gebetshaus „Jina-Mahsa-Amini Zentrum“ sowie die Anbringung einer entsprechenden Schrifttafel.

Die junge Kurdin Jina Mahsa Amini wurde vor ziemlich genau zwei Jahren, am 16. September 2022, vom iranischen Regime getötet – weil sie ihr Kopftuch falsch getragen hatte. Seitdem gilt sie als Märtyrerin der iranischen Freiheitsproteste und Symbol des Widerstands unter dem Credo „Jin, Jiyan, Azadî“ (kurdisch für „Frau, Leben, Freiheit“). Das Gotteshaus, in der bis vor Kurzem das IZH seine Propaganda verbreitete, nach dieser Frau zu benennen dürfte dem Regime ein Dorn im Auge sein.

Muslime in Hamburg: Mehrere Demonstrationen gegen iranisches Regime geplant

Der 3. Oktober ist nicht nur der Tag der Deutschen Einheit, sondern auch der Tag der offenen Moschee. Trotzdem: Die Blaue Moschee an der Alster wird auch an diesem Datum geschlossen sein. Auf sich sitzen lassen Pourkian und ihre Mitstreiter das nicht. Sie planen eine große Demonstration unter dem Motto „Jin, Jiyan, Azadî“, auf der die iranische Opposition das Wort ergreifen soll.

Mehr zum Thema

Auch am kommenden Wochenende sowie am Montag, dem zweiten Todestag Jina Mahsa Aminis, wolle sich die Kulturbrücke gemeinsam mit weiteren Vereinen an Gedenk-Aktionen in der Innenstadt, etwa einer menschlichen Lichterkette, beteiligen.