Hamburg. Initiativen um die bekannte Islam-Expertin Necla Kelek fordern, ein offenes „Kultur- und Gebetshaus“ zu entwickeln. Warnung vor Schura.
Sie ist eine der profiliertesten Kritikerinnen eines „rigiden und reaktionären“ Islam. Sie beharrt darauf, dass sich Muslime in Deutschland zu westlichen Grundwerten bekennen. Sie fordert, dass die Bundesregierung sehr viel genauer darauf achten muss, wen sie einreisen und bei uns leben lässt: Necla Kelek. Die in der Türkei geborene und in Hamburg lebende deutsche Soziologin und Publizistin nennt im Gespräch mit dem Abendblatt das Verbot des Islamischen Zentrums (IZH) an der Außenalster und die vorübergehende Beschlagnahmung der Blauen Moschee „richtig und überfällig“.
Necla Kelek steht mit ihren Warnungen vor einem um sich greifenden Islamismus nicht allein. Neben ihrem Verein „Säkularer Islam Hamburg“, der für einen „aufgeklärten demokratiefähigen Islam“ steht, tragen die „Kulturbrücke“, die für eine Neuausrichtung der Iran-Politik der Bundesregierung eintritt, die „Kurdische Gemeinde Deutschland“ um ihren Bundesvorsitzenden Ali Ertan Toprak, Terre de Femmes und Exil-Iraner die ersten Ideen zur Zukunft der Blauen Moschee mit. Die Gruppierungen fordern von Bund und Land, die schiitische Moschee zu einem offenen Kultur- und Gebetshaus weiterzuentwickeln, und bieten an, sich in den Prozess einzubringen.
Nach Verbot des IZH: Die Ideen für eine der Blauen Moschee
Das Bundesinnenministerium hatte vergangene Woche das IZH verboten und nach einer Razzia geschlossen. Begründet hat Innenministerin Nancy Faeser (SPD) das Aus mit grundgesetzwidrigen und verfassungsfeindlichen Aktivitäten des pro-iranischen und laut Verfassungsschutz vom Mullah-Regime gesteuerten IZH. Die Bundesregierung nennt das Zentrum eine „extremistische Organisation des Islamismus“. Verboten hat sie auch die Teilorganisationen „Islamische Akademie Deutschland e. V.“, den „Verein der Förderer einer iranischen-islamischen Moschee in Hamburg e. V.“, das „Zentrum der Islamischen Kultur e. V.“ in Frankfurt (Main), die „Islamische Vereinigung Bayern e. V.“ in München und das „Islamische Zentrum Berlin e. V.“.
Aus Sicht der Hamburger Vereine, die sich zur Zukunft der Blauen Moschee zusammengetan haben, habe die Leitung des IZH „ein Netzwerk von Unterstützern terroristischer und antisemitischer Aktivisten in Europa angeleitet und unterstützt“. Seit vielen Jahren warnt auch der Hamburger Verfassungsschutz vor dem „verlängertem Arm Teherans“. Zahlreiche Kritiker werfen Faeser vor, zu spät reagiert zu haben.
Warnung: „Bock nicht zum Gärtner machen“
Necla Kelek und ihre Mitstreiter sehen im Verbot eine „einmalige Chance“ für Bundesregierung und Senat, ihre Islampolitik gänzlich anders auszurichten – auch mit neuen Partnern. So hatte der Rat der mehr als 30 islamischen Gemeinschaften in Hamburg („Schura“) das Verbot des IZH vergangene Woche bedauert, und der Zentralrat der Muslime hatte zum Erhalt der Blauen Moschee aufgerufen. Kelek spricht von „ideologisch und organisatorisch engen Verbindungen von Schura, der islamistischen Gemeinschaft Milli Görüs und dem Zentralrat der Muslime“. Die Moschee an der Außenalster an einen Verein wie die Schura zu übergeben wäre fatal. „Man würde damit den Bock zum Gärtner machen“, warnt Necla Kelek.
Die Kritiker von IZH, Schura oder Ditib fordern stattdessen eine Moschee, die nicht nur von Anhängern des Mullah-Regimes genutzt werde, sondern allen Gläubigen offenstehe. Auf einen Namen haben sich die Initiativen auch schon geeinigt: Die Moschee soll in „Jina-Mahsa-Amini Zentrum“ umbenannt werden. Die junge iranische Kurdin war im September 2022 wegen Verstoßes gegen das Hidschab-Verbot von der iranischen „Sittenpolizei“ festgenommen, misshandelt und getötet worden. Die Ermordung machte Jina Mahsa Amini weltweit zum Gesicht des iranischen Widerstandes.
Ein Kulturzentrum Blaue Moschee organisiert wie Kampnagel?
Jeder gläubige Mensch habe das Recht auf eine religiöse Heimat, das Recht, seinen Glauben und die Liebe zu Gott zu leben, sagt Kelek. Aber dafür brauche es einen Rahmen, den der aktuelle Staatsvertrag mit der Schura nicht hergebe. Hamburg könne jetzt ein Signal setzen. Politiker, Kulturschaffende und liberale Moslems sollten in einem Bürgerrat gemeinsam mit iranischen Oppositionellen das Konzept entwickeln. Die Idee von Kelek und den sie unterstützenden Vereinen: Freitags könnte das Haus offen sein für Gebete, geführt von liberalen Imamen. An allen anderen Tagen könnte es um die „großartige persische Kultur gehen oder um interreligiöse Begegnungen“.
Den Kurden, Schiiten und Sunniten, die sich für das Projekt gefunden haben, schwebt ein Kulturzentrum „Blaue Moschee“ in öffentlich-kontrollierter Trägerschaft vor – vergleichbar organisiert wie Kampnagel, Theater oder Museen. Ein Förderverein könne die Planung und Koordination der Bildungs- und Kulturveranstaltungen, Lesungen, Ausstellungen oder Diskussionen übernehmen.
1800 Islamisten leben in Hamburg
Wie der Verfassungsschutz oder die Hamburger CDU in Bürgerschaft und Bundestag warnt auch Necla Kelek vor zunehmendem Islamismus in Hamburg. 1800 Islamisten, Dschihadisten oder Salafisten kennt der Nachrichtendienst. Jedes Jahr werden es mehr. Necla Kelek kritisiert seit Langem, dass die „geistige Haltung der Menschen, die herkommen und Schutz suchen“, weder überprüft noch hinterfragt werde. Es würden nur Rechte gewährt, aber nichts werde kontrolliert oder sanktioniert. Die wenigsten Menschen, die islamische Länder verließen, legten ihre Einstellung ab und würden automatisch zu Demokraten. „Dass die AfD so stark geworden ist, ist nur auf diesem Thema aufgebaut“, greift Kelek ausbleibende Konsequenzen an.
Die kritisiert die Islam-Expertin auch im Umgang der Stadt mit der Schura. Gerade erst hat die Bürgerschaft die Staatsverträge mit den muslimischen Organisationen verlängert – gegen die Stimmen von CDU und AfD. Aber auch in den Regierungsfraktionen gab es nach Abendblatt-Informationen zum Teil heftigen Widerstand. Nur konnten sie sich nicht durchsetzen. Bevor es zur Abstimmung kam, verließen Parlamentarier den Sitzungssaal.
Widerstand auch in Reihen der Regierungsfraktionen
Sie kritisieren wie Necla Kelek oder die CDU, dass der 2012 abgeschlossene Staatsvertrag ohne unabhängige wissenschaftliche Evaluation verlängert wurde. Aus ihrer Sicht sind Ditib oder Schura, also die Vertragspartner des Senats, nicht repräsentativ für die in Hamburg lebenden Menschen muslimischen Glaubens. Ditib, so Kelek, sei von der Türkei abhängig, und einige Mitgliedsvereine der Schura verfolgten eine islamistische Agenda. So hätten die Demonstrationen von „Muslim interaktiv“ mit ihren Forderungen nach einem Kalifat gezeigt, dass „die Islamverbände, anders als von ihnen behauptet, keinen Einfluss auf die stärker werdende Islamistenszene haben. Oder haben wollen“, kritisiert die Islam-Kennerin.
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Wie die Kritiker der Staatsverträge in den Regierungsparteien sagt Kelek grundsätzlich Ja zu Staatsverträgen – sofern darin gegenseitige Leistungen definiert und diese auch kontrolliert würden. In einem Vertrag müsse stehen, was passiere, wenn die Schura Antisemitismus nicht aktiv bekämpfe. Es müssten die Folgen klar sein, wenn Islamisten öffentlich die Scharia forderten oder Moscheen Islamismus förderten. Ohne Bedingungen und nur mit Appeasement-Politik gehe es nicht, sagen die Kritiker.