Hamburg. S-Bahn-Strecken nach Bergedorf und Harburg/Neugraben werden jetzt modernisiert. Ein Bericht verheißt aber nichts Gutes für Hamburgs Vorhaben.

  • Linie S2 nach Bergedorf soll stark optimiert werden
  • Linie S6: Auch Fahrgäste im Hamburger Süden sollen von Modernisierung profitieren
  • Ist Digitales Stellwerk als Kern des Modernisierungsprogramms in Gefahr?

Stecker-Stecken statt Spaten-Stechen: Zum Auftakt der Bauarbeiten für die Modernisierung der beiden S-Bahn-Korridore Harburg/Neugraben und Bergedorf gab‘s mal etwas Neues. Weil acht zusätzliche Gleichrichterwerke künftig rund 30 Prozent mehr (Öko-)Strom ins S-Bahn-Netz speisen sollen, ließen sich Verkehrssenator Anjes Tjarks (Grüne), S-Bahn-Chef Jan Schröder sowie Projektverantwortliche von den Deutsche-Bahn-Töchtern DB-Infrago und DB-Energie diesmal mit hochmoderner Technik statt altgedientem Werkzeug ablichten.

Es ist der Startschuss für die Optimierung zweier stark frequentierter Strecken. Sowohl für die Linie S2 nach Bergedorf als auch die Strecke nach Harburg/Neugraben (S3, S5 und in einigen Jahren auch S6) gibt es neue Strom-, Weichen- und Signaltechnik. Acht Gleichrichterwerke, die Strom einspeisen, sollen die Voraussetzung dafür schaffen, dass in einigen Jahren mehr Züge auf den Trassen unterwegs sind. Plus 40 Prozent Fahrgastaufkommen über die Elbe sowie 25 Prozent mehr Kapazität auf der Strecke nach Bergedorf verspricht die S-Bahn Hamburg. Die Bauarbeiten sollen im Jahr 2029 beendet sein. Bis dahin werkeln die Arbeiter „unter rollendem Rad“, die Strecken müssen also nicht gesperrt werden.

S-Bahn Hamburg bald pünktlicher und digitaler – Modernisierung für S2, S3, S5 und S6

Mehr Strom, mehr Züge. Die acht Gleichtrichterwerke speisen 75 Megawatt zusätzlich ein, erzählt Andreas Hoffknecht von DB Energie beim Baubeginn des Werks in Wilhelmsburg an der Kornweide. Die weiteren Gleichrichterwerke entstehen in den kommenden Jahren auf der Veddel, in Heimfeld, Neuwiedenthal, Allermöhe, Rothenburgsort, Lohbrügge und am Hauptbahnhof.

Dank der zusätzlichen Energie können auf der Strecke der S2 nach Bergedorf von 2029 an Langzüge mit neun Wagen und Platz für bis zu 1500 Personen verkehren. Derzeit ist das noch nicht möglich, hier sind derzeit sogenannte Vollzüge mit Platz für maximal 1000 Personen unterwegs.

Auch Fahrgäste im Hamburger Süden sollen von der Modernisierung profitieren. Das Netz hat dann genug Energie, um die Taktung zu erhöhen. Zwischen Harburg und der Hamburger Innenstadt sind dann drei Züge in zehn Minuten unterwegs. Mit dem Abschluss der Arbeiten geht zudem die neue Linie S6 (Süd) an den Start, die zunächst von Neugraben über Hauptbahnhof und Dammtor bis Elbgaustraße verkehren soll – also entlang der bestehenden Linie S5. Perspektivisch soll die S6 aber eines Tages weiter gen Westen reichen, bis zum Osdorfer Born.

Kosten für S-Bahn-Modernisierung trägt Hamburg, Bund könnte noch einscheren

Der finanzielle Gesamtumfang aller Maßnahmen wird voraussichtlich rund 425 Millionen Euro betragen. Geldgeber ist vorerst Hamburg, so hat es die Bürgerschaft bewilligt. Dafür, dass die Abgeordneten sich bereit erklärt haben, „in die Vorhand zu gehen“, zeigt sich Verkehrssenator Tjarks äußerst dankbar. „Das ist gut investiertes Geld für die Menschen in Harburg und Bergedorf“, sagt er.

Hamburg kann aber noch auf Bundesmittel für die Modernisierung hoffen. Da für das Bauprojekt ein hoher Kosten-Nutzen-Faktor nachgewiesen wurde, also eine hohe Wirtschaftlichkeit zu erwarten ist, könnte der Bund es mit bis zu 75 Prozent fördern. Die DB wolle bis Jahresende einen entsprechenden Antrag stellen.

In Tjarks‘ Augen ist die Modernisierung lange überfällig. Seit 2011 werde darüber diskutiert, und jetzt „entsteht endlich das, was die Menschen sich in Harburg und Bergedorf seit Langem wünschen“. Auch, weil die neue Technik mehr Stabilität im Netz schaffe. Ein elektronisches Stellwerk, das in Harburg entsteht, soll dafür sorgen, dass die S-Bahn flexibler auf Störungen reagiere, zuverlässiger und widerstandsfähiger werde. „Auch wenn wir die pünktlichste S-Bahn in Deutschland haben, wir wollen noch pünktlicher werden“, gelobt der Senator.

DB will laut Medienberichten weniger Geld in Digitalisierung stecken

Bleibt zu hoffen, dass die DB dem Verkehrssenator keinen Stock in die Speichen steckt. Der SWR berichtet von internen Plänen der DB-Tochter Infrago, die Bahn wolle den Ausbau der digitalen Stellwerkstechnik und der digitalen Schieneninfrastruktur stoppen. Unter anderem der schleswig-holsteinische Verkehrsminister Claus Ruhe Madsen (CDU) habe die Existenz dieser Pläne bestätigt. Auch der Ausbau des neuen digitalen European Train Control Systems (ETCS) solle reduziert werden.

Die DB dementiert den Medienbericht und teilt mit: „Die aktuelle Berichterstattung des SWR, wonach die DB die Digitalisierung von Zugstrecken stoppen würde, ist falsch. Richtig ist: Die Deutsche Bahn hält an der Digitalisierung von Bahnstrecken fest.“ Gegenüber dem Abendblatt wollen sich Vertreter der DB Infrago und S-Bahn Hamburg nicht näher zu dem Bericht des SWR äußern. Was das geplante digitale Stellwerk in Hamburg angehe, gebe es „nichts Spruchreifes“, und außerdem: „Das obliegt dem Bund.“

S-Bahn Hamburg: Digitales Stellwerk in Gefahr?

Bereits vor einigen Monaten gab es die Spekulation, dass Hamburg die Mittel für das digitale Stellwerk am Hauptbahnhof gestrichen werden. Dann konnte der ehemalige S-Bahn-Chef Kay Uwe Arnecke kurz vor seinem Rentenbeginn die frohe Botschaft überbringen: Das Stellwerk kommt, die nötigen Mittel aus dem Verkehrsministerium von Volker Wissing (FDP) können in Richtung Hamburg fließen. Das Stellwerk ist das Kernstück des avisierten S-Bahn-Ausbaus, weil alle Linien über den Hauptbahnhof führen und ein wachsendes Netz gut koordiniert werden muss.

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S-Bahn-Chef Jan Schröder sagt in seiner Rede zum Auftakt der Modernisierungsarbeiten für die S2 und S6 in Wilhelmsburg unmissverständlich: „Was mir wichtig ist – und das möchte ich noch einmal betonen –, was wir hier tun, funktioniert nur, wenn wir die S-Bahn konsequent digitalisieren“, und später: „Ich hoffe, wir werden auch ein ETCS einbauen.“ Ein Wink in Richtung DB und Bund?