Hamburg. Der Hamburger SPD-Abgeordnete Kazim Abaci will Flüchtlinge zu gemeinnütziger Arbeit verpflichten. Dafür erntet er Applaus und Empörung.

Es ist eine Forderung, die man aus der SPD nicht unbedingt erwartet hätte und die nun in Hamburg eine hitzige Debatte ausgelöst hat. Der SPD-Bürgerschaftsabgeordnete Kazim Abaci hatte im Abendblatt gefordert, Flüchtlinge zu gemeinnütziger Arbeit zu verpflichten – um ihre Integration zu befördern und ihrer Radikalisierung entgegenzuwirken. Die Politik müsse jetzt die Probleme der Migration „offen und klar benennen“, forderte Abaci. Andernfalls würden es „die Populisten und Rechtsextremisten in einer Art und Weise tun, um daraus politisches Kapital zu schlagen“.

Zudem hatte Abaci mehr Anstrengungen bei der Bekämpfung des Islamismus gefordert und festgestellt, dass Terroranschläge „sehr wohl etwas mit dem Islam zu tun“ hätten, wenn auch mit dessen fundamentalistischer Auslegung. Die Aussagen auch etwa von muslimischen Verbänden, der Islam sei durchweg friedfertig, seien also falsch. Wenn man dies nicht endlich realisiere und benenne, könne „auch keine erfolgreiche und konsequente Auseinandersetzung mit dem Thema stattfinden“.

SPD-Politiker will Arbeitspflicht für Flüchtlinge – hitzige Debatte in Hamburg

Mit seinen Aussagen im Abendblatt hat Abaci eine umfassende Debatte ausgelöst. „Die niederschmetternden Wahlergebnisse der SPD in Sachsen und Thüringen scheinen die Genossen auch in Hamburg nicht kaltzulassen“, sagte CDU-Innenpolitiker Dennis Gladiator. „Gleichwohl sollen die heutigen Forderungen nach einer Arbeitspflicht für Flüchtlinge durch einen SPD-Abgeordneten ausdrücklich nicht in dessen Funktion als Sprecher für Migration, Integration und Flüchtlinge zu verstehen sein. Da fragt man sich, ob die Sozialdemokraten immer noch nicht den Ernst der Lage verstanden haben oder sich weigern, unbequeme Wahrheiten anzuerkennen?“

Sitzung der Hamburgischen Bürgerschaft
Der SPD-Migrationspolitiker Kazim Abaci bei einer Rede in der Hamburgischen Bürgerschaft im Januar 2024. Seine Vorschläge haben für eine umfassende Diskussion in Hamburg gesorgt. © DPA Images | Marcus Brandt

„Wenn wir hier lebende Migranten gut integrieren möchten, kann gemeinschaftliche Arbeit hierzu ein wertvoller Schlüssel sein“, sagte Gladiator. „Worauf warten aber die Verantwortlichen? Die SPD regiert in Land und Bund, doch es fehlt ihr am Durchsetzungsvermögen gegenüber dem Koalitionspartner Grüne sowie der eigenen Überzeugung. Beschäftigung ist dabei nur ein Baustein vieler notwendiger Schritte, die jetzt von der Bundesregierung zügig gegangen werden müssen: Stopp der illegalen Migration, eine Durchsetzung der Ausreisepflicht und die Anerkennung, dass die Sicherheit unseres Landes oberste Priorität hat.“

Hamburg: Auch die FDP will Flüchtlinge zur gemeinnützigen Arbeit heranziehen

Inhaltliche Zustimmung zu dem Abaci-Vorschlag kam auch aus der FDP. „Es kann nicht sein, dass auf bezirklichen Hamburger Fußballplätzen Ligaspiele nicht stattfinden können, weil das Personal fehlt, um die Sportstätten aufzuschließen. Gleichzeitig können viele Menschen in laufenden Asylverfahren keine Tätigkeit aufnehmen, obwohl sie gerne etwas an die Gesellschaft zurückgeben möchten, die sie bei sich aufgenommen hat“, sagte Katarina Blume, stellvertretende Hamburger FDP-Chefin und designierte Spitzenkandidatin für die Bürgerschaftswahl.

„Das wichtigste Ziel bleibt es für uns, Geflüchteten so schnell wie möglich die Aufnahme eines festen Arbeitsplatzes entsprechend der Qualifikation zu ermöglichen“, so Blume. „Neben Sprachkursen und Fortbildung kann auch die Aufnahme einfacher Tätigkeiten in der kommunalen Arbeit ein richtiger Schritt in diese Richtung sein. Da die meisten Geflüchteten in Hamburg erst nach Monaten oder Jahren einen festen Arbeitsplatz annehmen, ist die kommunale Arbeit der Einstieg in einen strukturierten Alltag jenseits der engen Unterkünfte ohne Rückzugsmöglichkeiten.“

Mögliche Arbeiten für Geflüchtete: Säuberung von Parks und Hilfe in der Seniorenarbeit

Die FDP will das Thema auch in ihrem Wahlprogramm verankern, das am Sonntag beschlossen werden soll. Als Tätigkeiten für Flüchtlinge kämen demnach „Unterstützung beim Betrieb kommunaler Sportflächen, Säuberung öffentlicher Anlagen oder Tätigkeiten in Seniorentreffpunkten“ infrage. Flüchtlinge, die solche Arbeiten leisten, sollen eine „Aufwandsentschädigung zusätzlich zur Regelleistung und zusätzliche Boni durch Teilhabe-Gutscheine“ erhalten. Bei Verweigerung der Arbeit solle es „Malus-Punkte im laufenden Asylverfahren“ geben.

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Die AfD verwies am Dienstag darauf, dass Abaci „eine AfD-Forderung übernommen“ habe. „Nach diversen islamistischen Anschlägen und nach den Wahlklatschen in Thüringen und Sachsen für die SPD dämmert es auch bei den Genossen“, sagte AfD-Fraktionschef Dirk Nockemann. „Und wie oft mussten wir uns von Herrn Abaci in der Bürgerschaft Frechheiten bieten lassen. Nach jahrelangem Wegschauen übernimmt er nun originäre AfD-Forderungen. Wenn ich nicht irre, dann regiert die SPD in Hamburg und im Bund, wieso wurden diese Forderungen nicht längst in die Praxis umgesetzt? Wir fordern die sofortige Migrationswende.“

Flüchtlinge Hamburg: Linke reagiert empört auf Vorstoß des SPD-Mannes

Die Linke dagegen reagierte empört auf die Vorschläge des SPD-Bürgerschaftsabgeordneten und Sprechers für Migration, Integration und Flüchtlinge. „Es läuft ein unheilvoller Überbietungswettbewerb, um Geflüchteten das Leben schwer zu machen“, sagte Linken-Flüchtlingspolitikerin Carola Ensslen. „Wenn ein SPD-Abgeordneter dann solche Schikanen ausheckt, finde ich das zutiefst beunruhigend. Der Jubel der AfD zeigt ja, wohin solche Überlegungen führen.“

Für die Linke stehe fest: „Alle Mitglieder der demokratischen Parteien müssen sich besinnen, müssen Haltung zeigen. Dazu kommt: Diese Forderung ist auch noch völlig unsinnig. Wichtig ist für die Menschen, die zu uns kommen, erst mal ein solider Spracherwerb und vor allem die Aufhebung von Arbeitsverboten. Denn die allermeisten Geflüchteten wollen doch arbeiten – sie werden aber durch zahlreiche bürokratische Hürden daran gehindert oder es wird ihnen sogar verboten.“

Arbeitspflicht für Flüchtlinge: Grüne weisen die Vorschläge von Kazim Abaci zurück

Auch die Grünen wiesen den Vorschlag des SPD-Manns zurück. „Bei der Forderung nach einer Arbeitspflicht für Geflüchtete handelt es sich um die Einzelmeinung eines SPD-Abgeordneten, die wir nicht teilen und die auch nicht Teil der Beratungen innerhalb der rot-grünen Koalition ist“, sagte die Chefin der Grünen-Bürgerschaftsfraktion, Jennifer Jasberg. „Gerade vor dem Hintergrund des massiven Rechtsrucks wird mit derartigen Vorschlägen ein falsches Signal gesetzt.“ 

Auch SPD-Fraktionschef Dirk Kienscherf ging vorsichtig auf Distanz zu den Vorschlägen seines Parteifreundes und Fraktionsgenossen Abaci. „Kazim Abaci unterbreitet eine Reihe Vorschläge, wie wir aus seiner Sicht der wachsenden Sorge vor der Bildung von Parallelgesellschaften und religiösem Extremismus begegnen können. Eine mögliche Arbeitspflicht für Geflüchtete ist eine sehr zugespitzte Forderung, der sicher nicht alle zustimmen können, insbesondere hinsichtlich der angedeuteten Wirkung“, sagte Kienscherf dem Abendblatt.

„Klar ist aber auch: Wir müssen uns dem Problem stellen, dass eine kleine Zahl an Geflüchteten, die zu uns kommen, extremistische Weltbilder mitbringen. Diese Aufgabe nehmen wir als Regierungsfraktion sehr ernst. Das hat der Innensenator in der vergangenen Woche auch sehr deutlich gemacht.“

Pflicht zu gemeinnütziger Arbeit: Abaci betont, dass es bereits eine gesetzliche Grundlage gebe

Kazim Abaci selbst betonte am Dienstag noch einmal, dass er, wie bereits im ersten Abendblatt-Artikel ausgeführt, keine generelle Arbeitspflicht für Flüchtlinge fordere, sondern eine „mögliche Verpflichtung zu einer gemeinnützigen Arbeit für einige Stunden pro Woche“. Diese könne einen doppelt positiven Effekt haben: Die Menschen schneller zu integrieren und sie durch Kontakte auch außerhalb der Flüchtlingsgruppen vor Radikalisierung zu schützen. Besser sei es natürlich, Flüchtlinge direkt in den Arbeitsmarkt zu integrieren, das sei aber nicht immer möglich, und dann sei die gemeinnützige Arbeit ein gutes Instrument.

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Die Möglichkeiten gebe es bereits mit Paragraf 5 Asylbewerberleistungsgesetz, sagte Abaci. „Zur Arbeit verpflichtet werden, können Asylbewerber, die in Gemeinschaftsunterkünften leben. Nach der geltenden Rechtslage können leistungsberechtigten, arbeitsfähigen Asylbewerbern sowohl Aufgaben innerhalb ihrer Unterkunft als auch Tätigkeiten bei staatlichen, kommunalen oder gemeinnützigen Trägern zugewiesen werden. Denkbar wäre ein Einsatz im Bereich der Seniorenhilfe, der Grünflächenpflege, bei der Unterstützung im Ehrenamt, in der Stadtteilarbeit und vieles mehr“, so Abaci.

Flüchtlinge Hamburg: 80 Cent pro Stunde für gemeinnützige Arbeit

Möglich wären aus seiner Sicht bis zu vier Stunden gemeinnützige Arbeit täglich, „die laut Asylbewerberleistungsgesetz mit 80 Cent Aufwandsentschädigung je Stunde zu entgelten“ wären. „Ich bin dafür, dass die bestehenden rechtlichen Möglichkeiten genutzt werden“, so Abaci. „Damit könnten wir Asylbewerbern, die sich nicht in einem Beschäftigungsverhältnis oder einer Qualifizierungsmaßnahme befinden, eine gemeinnützige Arbeit anbieten.“