Hamburger. Zehn Freunde wollten unbedingt „Was tun!“. So heißt ihre Stiftung – mit der sie Gärten an Unterkünften betreiben. Wie das hilft.

2017 wurde erst Trump Präsident, dann machte Eppendorf wegen der ablehnenden Haltung einiger gegenüber der ersten Flüchtlingseinrichtung im Stadtteil von sich reden. „Wir beschlossen im Freundeskreis, dass wir nicht länger tatenlos bleiben konnten“, erinnert sich Anuschka Lichtenhahn-Pense. Gemeinsam mit ihrer Freundin Annette Plambeck-Warrelmann, ihren Ehemännern und drei weiteren Paaren aus Hamburg gründeten sie die Stiftung „Was tun!“.

Was sie tun wollten, stand schnell fest. „Es ging uns nicht um politische Ambitionen, sondern um gesellschaftliches Engagement.“ Es traf sich, dass der Sohn eines Stifters von einem Aufenthalt in Göteborg die Idee des Urban Farming mitbrachte, und sich der Freundeskreis entschieden hatte, sich für Flüchtlinge zu engagieren.

Flüchtlinge in Hamburg: Eppendorfer Freundeskreis gründet Stiftung für integrative Gärten

So hörten sich die Stifter um und bekamen von der Flüchtlingshilfe HafenCity e.V. die Einladung, 2018 auf dem trostlosen Gelände einer Flüchtlingsunterkunft in der HafenCity Hochbeete anzulegen. Es war der erste der integrativen Gärten, die die Stiftung mittlerweile unter dem Namen Stadtgemüse an fünf Standorten betreibt – und so Flüchtlinge und Nachbarn zum gemeinsamen Gärtnern zusammenbringt.

Haben richtig viel Spaß bei der Gartenarbeit: die Geschwister Mohamed (17, v.l.), Atyaf (13) und Tiba (14) mit der Hamburger Umweltpädagogin Kerstin Kaczmarek in der Flüchtlingsunterkunft an der Eulenkrugstraße in Volksdorf.
Haben richtig viel Spaß bei der Gartenarbeit: die Geschwister Mohamed (17, v.l.), Atyaf (13) und Tiba (14) mit der Hamburger Umweltpädagogin Kerstin Kaczmarek in der Flüchtlingsunterkunft an der Eulenkrugstraße in Volksdorf. © FUNKE Foto Services | Marcelo Hernandez

Die Hochbeete am Baakenhafen sind schon lange wieder abgebaut – dort wächst stattdessen die östliche HafenCity. Doch es gibt Stadtgemüse-Gärten auf dem Parkdeck des Hotels Ambassador, in dem Familien aus der Ukraine leben, sowie in zwei Volksdorfer Unterkünften. Und auf St. Pauli gibt es den ersten Stadtteilgarten der Stiftung.

Eppendorfs Garten für Flüchtlinge – jeden Mittwoch wird an der Loogestraße gegärtnert

Ein weiterer Standort ist die „Lütte Looge“ neben der Flüchtlingsunterkunft an der Loogestraße, gegen die sich einige Eppendorfer seinerzeit gewehrt hatten. „Es ist schön, dass wir genau hier Flagge zeigen können“, so Juristin Plambeck-Warrelmann. Auf der Wiese hatte 2017 eine „Kunstinstallation“ für Aufsehen gesorgt: Ein Sarg mit Kuscheltieren ist Symbol für den Verlust der Wiese als Hundeauslauffläche.

Doch die Kritiker von damals sind verstummt. Heute engagieren sich viele Nachbarn an dem malerischen Ort. Hinter Spalieren mit Weinranken liegen verschiedene Hochbeete, in denen verschiedenste Gemüse, Beerensträucher und Kräuter wachsen. Jeden Mittwochnachmittag treffen sich hier Anwohnerinnen und Menschen aus der Unterkunft. Es gibt kleine Feste, auch gekocht wurde schon gemeinsam.

Hamburger Stiftung „Was tun!“ beklagt rückläufiges Engagement für Flüchtlinge

Für die Betreuung der Gärten stellt die Stiftung Minijobber ein, denen eine – ebenfalls bezahlte – Assistenz zur Seite gestellt wird. „Was tun!“ verfügt über kein Stiftungskapital. Die beiden Eppendorferinnen haben von Anfang an Spenden akquiriert: etwa bei der Bürgerstiftung und der Ian Karan Stiftung, bei der Stadt und bei den Bezirksämtern, auf Golfmessen, bei Veranstaltungen des Rotary Clubs oder bei Unternehmen, deren Mitarbeiter sich sozial engagieren wollen.

Leider sei zu beobachten, dass das gesellschaftliche Engagement für Flüchtlinge deutlich zurückgehe, sagen sie. Auf der anderen Seite aber erhalte die Stiftung viele Anfragen von Unterkünften, die sich ebenfalls einen Stadtgemüse-Garten wünschen. „Es ist ein schwieriger Spagat, den jetzigen Standard zu halten – und das Projekt gleichzeitig auszuweiten“, sagt Kulturmanagerin Lichtenhahn-Pense.

Spenden benötigt: Hamburger Stiftung braucht pro Jahr 130.000 Euro für Flüchtlingsarbeit

Zumal Stadtgemüse nicht das einzige Projekt der Stiftung ist. Ebenfalls 2018 haben sie das Programm Naturzeit etabliert. In dem „Draußen-Unterricht“ für Grundschulklassen verbringen Stadtkinder aus benachteiligten Vierteln alle zwei Wochen 90 Minuten in der Natur – begleitet von einer Umweltpädagogin.

Pro Halbjahr und Klasse kostet das Programm, das derzeit an 21 Schulen läuft, 2700 Euro. Das Projekt Stadtgemüse benötigt pro Garten im Jahr rund 15.000 Euro Spenden für Personal und Material. „Auch, wenn uns die Bezirke hierbei nach Kräften unterstützen, kostet uns die Spendensuche der insgesamt rund 130.000 Euro doch viel Zeit und starke Nerven“, so Lichtenhahn-Pense.

Dass sich der Einsatz lohnt, zeigt ein Besuch in der Flüchtlingsunterkunft an der Eulenkrugstraße. Hinter den Häusern, in denen rund 250 Bewohner aus 20 Nationalitäten leben, liegt ein großer Gemüsegarten. Jeden Dienstag zwischen 16 und 19 Uhr wird hier gegärtnert – unter Anleitung von Umweltpädagogin Kerstin Kaczmarek.

Flüchtlinge in Hamburg: „Mit unseren Gärten können wir viel bewegen“

Heute gehen ihr im Gemüsegarten der Iraker Abbas Fatlawi und fünf seiner sieben Kinder zur Hand. Anders als sie, die hier zur Schule gehen, hat ihr Vater noch kein Deutsch gelernt. Vier Jahre habe er auf einen Sprachkurs gewartet, lässt er über seinen Sohn Mohammed ausrichten. Gegen die Langeweile habe die Gartenarbeit sehr geholfen.

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Dass er jetzt einen Kurs gefunden hat, ist Projektleiterin Kaczmarek zu verdanken. Sie hat auch den 17-jährigen Mohammed auf die Idee gebracht, eine Ausbildung im Pflanzenmarkt auf der anderen Straßenseite zu beginnen. „Mit unseren Gärten können wir viel bewegen“, sagen Anuschka Lichtenhahn-Pense und Annette Plambeck-Warrelmann. „Das ist beglückend.“

Wer für die Stiftung spenden oder sich dort engagieren möchte, findet alle Informationen unter www.was-tun-stiftung.de.