Hamburg. Jeder zweite Zug verspätet. Wie die Bahn die Strecke von Hamburg nach Hannover ab 2026 saniert und voll sperrt – mit einem Schlupfloch.
Die Verspätungen bei ICE und Regionalzügen der Deutschen Bahn zwischen Hamburg und Hannover (und damit weiter Richtung Frankfurt oder München) sind offenbar auf einem absoluten Tiefpunkt angelangt. Wie die Bahn in einer Präsentation zu Aus- und Neubauplänen in Norddeutschland am Montag darstellte, sei die Infrastruktur derzeit so überaltert, dass die Pünktlichkeit zwischen beiden Städten bei 56 Prozent liege. Das sei noch einmal um sechs Prozent schlechter als der ohnehin zu beklagende bundesweite Wert von 62 Prozent (Juli 2024).
Die Bahn sprach zusätzlich von „Qualitätsproblemen“ und wies darauf hin, dass die Strecke Hamburg–Hannover eine Auslastung von 147 Prozent habe, also erheblich mehr Züge die Gleise nutzten, als eigentlich vorgesehen sei. Mit dieser Kennzahl könne die Pünktlichkeit ohnehin nur „im Optimalfall“ 81 Prozent erreichen. „Jede Störung auf der Strecke verschlechtert die Pünktlichkeit“, so die Bahn.
Bahnstrecke Hamburg–Hannover wird saniert – erst 2026 und 2029 erneut
In diesen Wochen ist es so, dass auch die Züge zwischen Hamburg und Berlin wegen der Bauarbeiten eine südlichere Route nehmen müssen. Zudem verkehrt ab oder nach Hamburg grundsätzlich jeder vierte Güterwagen in Deutschland. In Maschen steht aufgrund der Hafennähe Europas größter Rangierbahnhof. An ihm sausen zwar die ICE und Regionalbahnen sowie der Metronom zumeist vorbei. Allerdings müssen die Güterzüge hier auf deren Strecke eingefädelt werden. Am Montag gab es außerdem einen Metalldiebstahl an der Strecke bei Bad Bevensen, der für weitere Verzögerungen und Verspätungen sorgte.
Die Bahn plant eine „Qualitätsoffensive“ für 2026 und eine „Generalsanierung“ der Strecke für das Jahr 2029. Die ersten Arbeiten bereiten quasi die zweiten vor. Ein weiteres Gleis auf der Strecke wird allerdings nicht gebaut. Ursprünglich war mal ein kompletter Neubau der Bahnstrecke Hamburg–Hannover zum Teil entlang der Autobahn A7 angedacht. Was unter anderem die Hafenwirtschaft begrüßt hätte, stieß auf Widerstand bei vielen Bürgerinitiativen entlang der Route, unter anderem im Landkreis Harburg. Als Neubaugegner besonders bekannt wurde der SPD-Co-Vorsitzende Lars Klingbeil, durch dessen Wahlkreis diese neue Strecke führen würde. Die Klimabewegung Fridays for Future nahm deshalb Klingbeil kritisch ins Visier.
Hamburg–Berlin gesperrt: Umleitung über Stendal, Fahrzeit verlängert sich
Sperrung der Bahnstrecke Hamburg–Hannover – mit einem Schlupfloch
Nun soll die Strecke zunächst vom 1. Mai bis zum 10. Juli 2026 für zehn Wochen gesperrt werden, um Schienen, Schotter und Technik zu ertüchtigen und ein elektronisches Stellwerk in Uelzen zu bauen. Aufgrund der Länge von 163 Kilometern zwischen Hamburg und Hannover sei diese voraussichtlich rund 300 Millionen Euro teure Vorbereitung notwendig. Denn im Jahr 2029 soll in nur fünf Monaten (wie jetzt bei der Riedbahn zwischen Frankfurt/Main und Mannheim) rund um die Uhr der große Rest „generalsaniert“ werden. Das dürfte laut Bahn dann eine Milliardensumme verschlingen.
Züge fahren dann von Hamburg über Bremen nach Hannover. Mehrere Hundert Menschen und zahllose Maschinen plus Hubschrauber werden jeweils in diesen Zeiträumen an der Strecken-Ertüchtigung beteiligt sein. Während der ersten Sperrung 2026 soll das dritte Gleis aus Lüneburg Richtung Stelle für Nahverkehrszüge frei sein. Eine (schlanke) Verbindung zwischen Hamburg und Lüneburg kann somit aufrechterhalten bleiben.
Im Jahr 2029 dreht die Bahn dann das größere Baggerrad: Noch mehr Sanierung im 163-Kilometer-Gleiskörper und an der Technik, am Bahnhof Lüneburg wird an der Westseite das Gleis 141 reaktiviert, der Bahnsteig 204/205 verlängert auf 220 Meter, in Uelzen der Bahnsteig 105 neu gebaut, ein Überholgleis bei Bienenbüttel eingerichtet – eine Sanierung, wie sie einer der wichtigsten Bahnstrecken in Deutschland entspricht.
Deutsche Bahn: „Wir haben die Generalsanierung erfunden“
„Weil wir so nicht mehr weitermachen konnten, haben wir die Generalsanierung erfunden“, sagte Peter Mantik, Sprecher der Bahn-Großprojekte. Alles zwischen Hamburg und Hannover wird nach dem Vorlauf 2026 also 2029 „in einem Rutsch“ mit allen beteiligten Gewerken bearbeitet.
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In Berlin hat sich Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) zuletzt für die Sanierung der Strecke und gegen einen zügigen Neubau an der A7 ausgesprochen. Wissing sagte der dpa: „Mit der anstehenden Generalsanierung der Strecke Hamburg–Hannover bietet sich die einmalige Chance, auch die Leistungsfähigkeit der Strecke sowie der Knoten in Lüneburg und Uelzen deutlich zu erhöhen.“ Die Bundesregierung habe sich mit Niedersachsens Verkehrsminister Olaf Lies (SPD) und DB-Vorstand Berthold Huber auf eine Verschiebung der Generalsanierung von 2026 auf 2029 verständigt. Vom Konzept des „optimierten Alpha-E“ solle möglichst viel realisiert werden.