Hamburg. Dass es doch keine schnelle Neubaustrecke nach Hannover geben soll, sorgt für teilweises Entsetzen in der Hansestadt.
Das vorläufige Aus für die neue, schnellere Bahnstrecke von Hamburg nach Hannover sorgt in der Hansestadt zum Teil für Entsetzen. Dass Bund, Bahn und das Land Niedersachsen sich nun doch darauf verständigt haben, die deutlich längere bestehende Strecke über Lüneburg und Uelzen zu sanieren und auszubauen, sehen Kritiker als vertane Chance.
Deutsche Bahn: Strecken-Aus für Hamburg–Hannover sorgt für Entsetzen
„Dass die Schnellstrecke zwischen Hamburg und Hannover nicht kommt, ist ein Genickschlag für den Hamburger Hafen“, sagte die Hamburger FDP-Landesvorsitzende Sonja Jacobsen. „Eine Modernisierung der Strecke ist dringend nötig, denn schon jetzt hat der durchschnittliche Güterzug, der den Hafen verlässt, eine Woche Verspätung.“
Auch der Hamburger CDU-Bundestagsabgeordnete Christoph Ploß übte scharfe Kritik: „Wenn wir die Klimaziele erreichen und mehr Verkehr auf die Schiene kriegen wollen, muss der Deutschlandtakt unbedingt erreicht werden. Die Strecke zwischen Hamburg und Hannover ist eine der meistbelasteten Schienenstrecken in Deutschland und von zentraler Bedeutung gerade für den Hamburger Hafen“, so Ploß.
Wie berichtet, wollte die Bahn eine in weiten Teilen neue Strecke entlang der A7 zwischen Hamburg und Hannover bauen. Damit sollte die Fahrtzeit für Schnellzüge zwischen beiden Städten von rund 75 auf 59 Minuten verkürzt und mehr Kapazitäten für den Güterverkehr geschaffen werden. Das Projekt ist Teil des „Deutschlandtakts“, mit dem das Schienennetz nach Schweizer Vorbild ausgebaut, die Fahrtzeiten zwischen den Metropolen verkürzt und die Fahrgastzahlen bis 2030 verdoppelt werden sollen.
Harburg: Anwohner protestieren gegen Neubaupläne der Deutschen Bahn
Als die Pläne für den Neubau bekannt wurden, sorgte das jedoch für einen Aufschrei in den Kommunen entlang der geplanten Strecke. Im Landkreis Harburg, direkt südlich von Hamburg, stehen in allen betroffenen Orten große Protestplakate. Wütend machte viele Bürger und Kommunalpolitiker, dass man sich erst 2015 mit der Bahn im „Dialogforum Schiene Nord“ auf einen Ausbau der Bestandsstrecke unter dem Namen „Alpha-E“ verständigt hatte und es keine Neubaustrecke (früher mal Y-Trasse genannt) geben sollte.
Eine ähnliche Position hatte auch Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) im Wahlkampf 2022 vertreten. Und kürzlich hatte der SPD-Bundesvorsitzende Lars Klingbeil, dessen Wahlkreis in der Heide an einer möglichen Neubaustrecke liegt, sich klar gegen das Projekt positioniert.
Deutsche Bahn: Beauftragter des Bundes hält Neubaustrecke Hannover–Hamburg „für nicht realistisch“
Das dürfte mit zu der erneuten Rolle rückwärts beigetragen haben, über die die „FAZ“ zuerst berichtete. „Ich halte den Neubau, wie er der Bahn zuletzt noch vorschwebte, für schlicht nicht realistisch“, wird dort der Schienenbeauftragte der Bundesregierung, Michael Theurer (FDP), zitiert. Er habe mit der niedersächsischen Landesregierung aber vereinbart, „in dem breiten Dialog noch einmal den tatsächlichen Bedarf zu prüfen – und dann, in einem weiteren Beteiligungsprozess, eventuell über eine Trasse zu sprechen“.
Damit kann man offenbar auch in Hannover leben, wobei Wirtschafts- und Verkehrsminister Olaf Lies (SPD) in seiner Antwort an Staatssekretär Theurer aus seiner Haltung keinen Hehl macht: „Ohne Konsens über diese ersten Schritte – Generalsanierung mit einem Maximum an AlphaE und Dialog über den Bedarf der weiteren Infrastrukturentwicklung – ist es aus meiner Sicht kontraproduktiv, in die Planungen für etwaige Neubaustrecken einzusteigen.“
Bahnstrecke Hannover–Hamburg: Ausbau statt Neubau – teuer wird es so oder so
Diese Generalsanierung soll nun 2029 statt 2026 beginnen, dafür aber auch Maßnahmen zum Kapazitätsausbau enthalten. Ein Milliardenprojekt dürfte auch dieser Ausbau der deutlich längeren Bestandsstrecke werden, wenn auch wohl nicht ganz so teuer wie ein Neubau.
Auch im Zuge einer Streckensanierung seien bereits „signifikante Fahrzeitgewinne möglich“, sagte ein Sprecher des Bundesverkehrsministeriums, betonte allerdings auch: „Entscheidend ist aber die Frage der künftig nötigen Kapazität, um die ambitionierten Verlagerungs- und Klimaschutzziele zu erreichen.“ Mit anderen Worten: Gänzlich vom Tisch ist ein Neubau für den Bund nicht.
Deutsche Bahn hält sich die Hintertür für einen Neubau bei Hannover-Hamburg-Strecke offen
Diese Hintertür hält sich auch die Bahn offen. Sie begrüße, „dass endlich Bewegung in die seit Jahren festgefahrene Diskussion“ gekommen sei, sagte Ingrid Felipe, Vorständin Infrastrukturplanung und -projekte bei der DB Netz AG, auf Abendblatt-Anfrage. Nun müsse man über den Umfang der Generalsanierung, aber auch über den „Ausbau der Kapazitäten zur Erreichung der verkehrspolitischen Ziele des Deutschlandtakts“ reden.
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Hamburg ist an diesen Gesprächen offiziell nicht beteiligt, da für dieses Projekt zunächst keine Arbeiten auf Hamburger Gebiet nötig wären. Dennoch hat die Handelsmetropole ein enormes Interesse daran, dass Personen und Güter schneller und in größerer Menge auf der Schiene transportiert werden können.
Hamburger Verkehrsbehörde: Brauchen Deutschlandtakt „so schnell und so gut wie möglich“
„Für uns ist entscheidend, dass der Deutschlandtakt so schnell und so gut wie möglich umgesetzt wird“, sagte Dennis Krämer, Sprecher der Hamburger Verkehrsbehörde. Dass das ohne Neubau der Strecke nach Hannover kaum möglich ist, sagt im Senat niemand so gern laut – schon, um die Nachbarn in Niedersachsen nicht zu vergrätzen.
Man habe aber die Erwartung, dass der Deutschlandtakt „auch länderübergreifend angepackt wird und alle Bundesländer ihre Schienen-Infrastruktur sowie Kapazitäten ausbauen und verbessern“, so Krämer. „Hamburg wird seinen Beitrag leisten, etwa mit dem Ausbau des Hauptbahnhofs, dem neuen S-Bahn-Tunnel und der Erweiterung der Norder- und Süderelbbrücke“.
Hannover–Hamburg: Grüne kritisieren Aus für neue Strecke als „fatale Entwicklung“
Deutlicher werden da die Regierungsfraktionen von SPD und Grünen: Sollte die neue Bahnstrecke tatsächlich nicht kommen, „wäre das eine fatale Entwicklung und eine Absage an den Deutschlandtakt“, sagte Eva Botzenhart, verkehrspolitische Sprecherin der Grünen in der Bürgerschaft, dem Abendblatt. „Die Fakten liegen seit Jahren auf dem Tisch: Nur mit einem Neubau entlang der A7 lassen sich die Schiene stärken, die Fahrzeiten verkürzen und Klimaziele erreichen.“
Es sei „unsinnig, jetzt dermaßen viel Geld in eine Sanierung zu stecken, die die Probleme dieses Nadelöhrs nicht langfristig löst“, so Botzenhart. Die Strecke Hamburg–Hannover sei ein zentrales Projekt für das Gelingen des Deutschlandtaktes. „Dass dieses nun von SPD-Politiker*innen dermaßen in Geiselhaft genommen wird, ist ein beispielloses Foulspiel an der Mobilitätswende“, so die Grünen-Abgeordnete mit Blick auf die Klingbeil-Äußerungen.
Hamburger SPD-Fraktion sieht für Verkehrswende Streckenneubau als unabwendbar
Doch in der Hamburger SPD-Fraktion hat man die Neubaustrecke noch nicht abgeschrieben: „Die Generalsanierung der jetzigen Strecke ist in jedem Fall sinnvoll und steht nicht im Widerspruch zu einem späteren Streckenneubau“, sagte Ole Thorben Buschhüter, SPD-Verkehrsexperte in der Bürgerschaft. Denn die jetzt schon hohe Belastung der Strecke Hamburg–Hannover werde noch zunehmen.
„Für die Verkehrswende sowie die Gütertransporte aus den Häfen scheint mir ein wie auch immer gearteter Streckenneubau Hamburg–Hannover, der die Ziele des Deutschlandtakts umsetzt, unumgänglich“, so Buschhüter. Die Strecke müsse „in unter einer Stunde befahrbar sein. Dies ist mit der aktuellen Streckenführung wohl nicht zu erreichen.“
Deutsche Bahn: Handelskammer fordert gute Bahnstrecken – und zwar schnell
Unterstützung für diese Haltung kommt aus der Handelskammer: „Hamburgs Wirtschaft braucht gute Schienenverbindungen in den Süden – sowohl für Menschen als auch für Güter, und sie braucht sie vor allem schnell“, sagte Kai Gerullis, Abteilungsleiter Verkehr & Hafen der Kammer, und warb für den Deutschlandtakt: „Es geht auch darum, dass noch mehr Güter von der Straße auf die umweltfreundlichere Schiene kommen.“
Die Bahnstrecke Hamburg–Hannover sei „ein weiteres Paradebeispiel für schleppende Planungs- und Genehmigungsverfahren bei für die Zukunft wichtigen Infrastrukturprojekten“.