Seevetal. Bundesverkehrsminister spricht sich für Sanierung der Bestandsstrecke aus. Neubau ist vom Tisch. Warum die Pläne die Region spalten.

  • Bundesverkehrsminister spricht sich für Sanierung der Bahnstrecke Hamburg–Hannover aus
  • Lüneburg befürchtet Nachteile für Pendler auf der überlasteten Strecke
  • Seevetal begrüßt die Abkehr von einer Neubautrasse durchs Gemeindegebiet

Die Bahnstrecke zwischen Hamburg und Hannover ist seit langem überlastet, um eine Lösung für das Problem wird ebenso lange gestritten. Die Pläne für einen Neubau der ICE-Trasse sind erst einmal vom Tisch, stattdessen soll die bestehende Strecke grundlegend saniert werden. Dafür hat sich nun auch Bundesverkehrsminister Volker Wissing ausgesprochen.

Im Landkreis Lüneburg ist die Enttäuschung groß. „Volker Wissing betreibt Flickwerk zulasten der Menschen zwischen Hamburg und Hannover“, sagt Landrat Jens Böther (CDU). „Die schon heute völlig überlastete Strecke soll mit einigen, nur unzureichenden Maßnahmen noch mehr Kapazitäten bewältigen.“

ICE-Trasse Hamburg–Hannover: Lüneburgs Landrat fordert Neubau

Die Bestandsstrecke über Lüneburg ist aktuell zu etwa 130 Prozent ausgelastet. Die Folgen seien enorm, so der Landrat: andauernde Verspätungen im Nah- und Fernverkehr, Zugausfälle und technische Defekte. Das politische Ziel, mehr Güterverkehr auf die Schiene zu verlagern und im Personenverkehr den Deutschlandtakt einzuführen, sei mit dieser Strecke nicht erreichbar. Dafür seien mindestens vier Gleise zwischen Hamburg und Hannover notwendig. „Das geht nur mit einem Neubau, das zeigen die Daten der Deutschen Bahn eindeutig“, sagt Böther.

Eine Neubautrasse würde durch die Gemeinde Seevetal verlaufen. Hier wird die Positionierung des FDP-Politikers Wissing daher begrüßt. In den vergangenen Jahren hatten sich mehrere Bürgerinitiativen in Aufsehen erregenden Aktionen dafür eingesetzt, dass die Neubaupläne durch das Gemeindegebiet und Teile der Lüneburger Heide fallengelassen werden.

Seevetals Bürgermeisterin ist froh über Wissings Worte

Für Bürgermeisterin Emily Weede (CDU) ist die jüngste Äußerung des Bundesverkehrsministers nur folgerichtig. „Wir sind natürlich froh“, sagt sie auf Nachfrage des Hamburger Abendblatts. Aber in Seevetal sei man nach den Entwicklungen des vergangenen Jahres bereits beruhigt. „Solange wir das Land Niedersachsen fest an unserer Seite wissen, sind wir verhältnismäßig ruhig“, so Weede weiter.

Die Deutsche Bahn hatte zuletzt für Irritation gesorgt, nachdem sie eine Ausschreibung veröffentlicht hatte, um die Raumverträglichkeit einer neu zu bauenden Bahnstrecke prüfen zu lassen. Bernd Althusmann, noch CDU-Landtagsabgeordneter für den Wahlkreis Seevetal und auf dem Sprung nach Kanada, äußerte sich daraufhin verärgert. „So langsam wird es vom Trauerspiel zur Posse“, sagte er. „Die Bahn sollte ihre Planungen für eine Neubaustrecke schlicht einstellen.“

Auch der Bundesverkehrsminister hatte im vergangenen Jahr noch betont, um die verkehrlichen Ziele zu erreichen, müssten auch Varianten einer Neubaustrecke genau geprüft werden.

Generalsanierung der Bestandsstrecke über Lüneburg beginnt 2029

Doch nun wird eine andere Lösung angestrebt: die umfassende Generalsanierung der Bestandsstrecke über Lüneburg. Die Arbeiten starten allerdings erst 2029, drei Jahre später als zunächst geplant. „Das ist ein Schlag ins Gesicht für alle Menschen, die zur Arbeit nach Hamburg und Hannover pendeln oder die Hansestadt Lüneburg besuchen, für alle Fernreisenden und auch für den Güterverkehr auf der Schiene“, sagt Lüneburgs Landrat Böther. „Norddeutschland rollt bahnmäßig aufs Abstellgleis.“

Ein möglicher Neubau ist in weite Ferne gerückt. Begraben ist die Idee jedoch keinesfalls. Da die Sanierung der Strecke voraussichtlich nicht ausreichen wird, um den steigenden Bedarf auf der Schiene langfristig zu bewältigen, sollen parallel Lösungen entwickelt werden, um weitere Kapazitäten für die Strecke Hamburg–Hannover zu schaffen.

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Das betont auch Lüneburgs Oberbürgermeisterin. Ein Ausbau bringe nicht die dringend notwendige Beschleunigung und Kapazitätserhöhung mit sich. Wer die Schiene in Norddeutschland wirklich zukunftsfähig machen wolle, der komme um den Neubau nicht herum. „Dass der Verkehrsminister dies nicht klar benennt, ist unverantwortlich und nicht nachvollziehbar“, sagt Claudia Kalisch (Grüne). Der Bund solle die Fakten aus den Untersuchungen der Trassenvarianten endlich offenlegen.

ICE-Trasse Hamburg–Hannover: Lüneburg kritisiert Verschiebung der Sanierung auf 2029

Auch die Verschiebung der Generalsanierung ist aus Sicht der Stadt ein Schlag ins Gesicht. „Das ist schon erstaunlich, denn bisher hieß es immer, dass die Infrastruktur in Teilen so marode ist, dass eine Ertüchtigung 2026 zwingend erforderlich ist“, sagt Lüneburgs Erster Stadtrat Markus Moßmann.

„Pendlerinnen und Pendler leiden schon jetzt jeden Tag unter der Situation, weil die Strecke massiv überlastet ist. Dadurch steigen viele aufs Auto um – das kann nicht gewünscht sein“, sagt Moßmann. Auch der Güterverkehr und damit wirtschaftliche Entwicklungen würden so weiter ausgebremst. Darüber hinaus ist die geplante Reaktivierung anderer Bahnstrecken in der Region von der Generalsanierung am Lüneburger Hauptbahnhof abhängig.