Hamburg. Branche ist in der Krise – und das hat auch mit Videokonferenzen zu tun. Warum auch Taxifahrer hin und wieder aufs Rad steigen sollten.
Für Holger Brandt ist es ein entspannter Nachmittag. „Jetzt ist die Hochphase der Urlaubszeit“, sagt der Taxifahrer, und dementsprechend gering ist das Fahrgastaufkommen. Die Touristen gleichen nicht aus, dass viele Hamburgerinnen und Hamburger auf Reisen sind.
Das Problem: Auch nach den Sommerferien wird Brandts Dienstleistung nicht massiv nachgefragt, jedenfalls nicht mehr so sehr wie früher. Das Taxi-Gewerbe in Hamburg ächzt unter einer Reihe unglücklicher Umstände. Die Corona-Pandemie, Inflation und zunehmende Konkurrenz im Mobilitätsmetier kosten die Taxen Fahrgäste.
Taxi-Branche in Hamburg in der Krise: weniger Fahrgäste, mehr Konkurrenz
Der Hintergrund des typischen Fahrgasts habe sich seit der Corona-Pandemie stark verändert, sagt Brandt, selbstständiger Fahrer bei Hansa-Taxi: „Wir haben wesentlich weniger Geschäftsleute und mehr ältere Menschen.“ Daran sei nicht allein der demografische Wandel schuld, sondern auch die Videokonferenz. Während Marketingagenturen und Werber früher Stammkunden der Taxifahrer waren, verzichten sie heute auf die Fahrt zum Meeting – weil sie es einfach online aus der Ferne erledigen.
„Außerdem haben die Leute immer weniger Geld in der Tasche. Auch das merkt man“, sagt Brandt. Eine Taxifahrt gilt als teuer. Statt sich chauffieren zu lassen, wählen Menschen, die noch gut zu Fuß sind, daher oftmals eine Alternative. Davon gibt es in Hamburg schließlich reichlich, und die Zahl der Konkurrenzangebote ist zuletzt auch noch stark gewachsen. Nicht nur die herkömmlichen Angebote des öffentlichen Nahverkehrs, sondern auch das sogenannte On-Demand-Ridepooling Moia, Carsharing-Anbieter oder E-Scooter-Firmen, graben den Taxifahrern die Kundschaft ab. „Da haben wir erhebliche Konkurrenz bekommen, vor allem bei jungen Leuten“, sagt Brandt.
Gebeuteltes Taxi-Gewerbe in Hamburg – erst mal keine neuen Konzessionen
Sinkt die Nachfrage, steigt der Preis für die einzelne Taxifahrt. Mehrwagen-Unternehmen müssen ihren Fahrern schließlich auch für Standzeiten Mindestlohn zahlen. Das Blöde nur: „Wir können die Preise nicht weiter erhöhen. Dann spielen die Fahrgäste irgendwann gar nicht mehr mit“, vermutet Brandt.
Dass seit Juni und zunächst für zwölf Monate keine neuen Konzessionen, also Taxi-Genehmigungen, in Hamburg ausgestellt werden, ist in Brandts Augen deshalb ein Gewinn. Die Entscheidung der Verkehrsbehörde (BVM), die Zahl der Genehmigungen zu deckeln, ist als Reaktion auf die sinkende Anzahl an Taxifahrten zu interpretieren. „Das Gros des Gewerbes kann derzeit nicht kostendeckend arbeiten“, sagt Dennis Krämer, Sprecher der Verkehrsbehörde. Während die Fahrer im Jahr 2017 laut der Behörde 12,2 Millionen Touren absolvierten, waren es 2023 nur noch rund 9,6 Millionen Fahrten – bei ungefähr gleichbleibender Anzahl der Fahrzeuge (rund 3000).
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Taxifahrer Brandt spricht von Glück, dass die BVM den Fahrern, so gut es gehe, unter die Arme greife. „Die Behörde stellt sich wirklich schützend vor das Taxengewerbe“, sagt er. „Zum Beispiel hält sie auch Uber und seine Machenschaften gut aus der Stadt heraus.“ Dem US-amerikanischen Beförderungsunternehmen setzt Hamburg vergleichsweise strikte Grenzen. Zwar können Fahrgäste zahlreiche Taxi-Dienste über die Uber-App buchen, jedoch gibt es nur etwa zehn Lizenzen für das Uber-Mietwagenmodell. Dabei handelt es sich um private Fahrer, die ihre Leistungen über die App anbieten – und den Taxi-Firmen ein Dorn im Auge sind.
Taxifahrer Hamburg: „Es gibt genauso viele rücksichtslose Radfahrer wie Autofahrer“
Noch etwas beschäftigt Brandt stark. Nach knapp 40 Jahren auf Hamburgs Straßen ist er sich sicher: Es braucht eine harte Mobilitätswende –, und zwar so schnell wie möglich. Dass die Zahl der zugelassenen Autos in der Stadt stattdessen immer weiter steigt, ärgert den Taxifahrer. „Und das passt natürlich auch nicht dazu, dass die Leute sich darüber beschweren, nicht durch den Verkehr zu kommen“, findet er. Der Taxifahrer hofft, dass seine Branche in puncto Mobilitätswende noch besser eingebunden wird. Wenn weniger Menschen ein eigenes Auto besäßen, könnte das Taxi wieder an Stellenwert gewinnen.
Brandt betont: Es gehe ihm und seinem Eindruck nach auch der Verkehrsbehörde nicht darum, Autos abzuschaffen. Allerdings würden Rad- und Fußwege eben Platz benötigen, „und den Platz kann man eigentlich nur den Autofahrern wegnehmen“, sagt Brandt. „Damit wird das Thema Autoverkehr hochexplosiv.“
Der Taxifahrer sitzt in seiner Freizeit gern auf dem Fahrrad und schätzt einen sicheren Radweg. Den brandneuen an der Louise-Schroeder-Straße in Altona findet er zum Beispiel ganz besonders gelungen. Brandt zufolge lohnt es sich, im Straßenverkehr sowohl als Auto- als auch als Radfahrer unterwegs zu sein – es trage zur wechselseitigen Toleranz bei. Seine Erkenntnis: „Prozentual gibt es genau so viele rücksichtslose Fahrradfahrer wie Autofahrer“, sagt er, „aber die Folgen sind doch ganz andere.“ Während ein Autofahrer meist auch für Dritte ein Risiko darstellt, gefährde ein rücksichtsloser Radfahrer in erster Linie sich selbst. „Dass Fahrradfahrer das meiste Leid verursachen, das ist doch absurd“, findet Brandt deshalb.