Hamburg. Schwere Vorwürfe: E-Zigaretten mit zu viel Nikotin, Verkauf an Minderjährige, Steuerhinterziehung. E-Raucher alarmieren selbst Behörden.
- Der Verkauf sogenannter Vapes, also Einweg-E-Zigaretten, boomt.
- E-Zigaretten, die in Deutschland nicht verkehrsfähig sind, werden online verkauft – auch an Minderjährige.
- Viele der dubiosen Händler geben einen Firmensitz in Hamburg oder dem Umland an.
Gift für die Umwelt, gesundheitsschädigend und teils unter dubiosen Bedingungen gehandelt – Einweg-E-Zigaretten, von Nutzern auch „Vapes“ genannt, sind hochumstritten. Selbst der Bundesverband Rauchfreie Alternative e.V. (BVRA), ein Konsumentenverein pro E-Zigaretten, ist jetzt alarmiert. Er beklagt Rechtsverletzungen in Herstellung und Handel von Vapes – auch weil offenbar zwielichtige Onlinehändler die Tabakerzeugnisse ohne Skrupel an Minderjährige verkaufen würden.
„Das ist für uns nicht akzeptabel, denn damit schaden diese Geräte dem Image der E-Zigarette als Mittel zum Rauchstopp ganz erheblich“, so der Verband. Eine Hochburg der unseriösen E-Zigaretten-Onlinehändler macht der Verband in Hamburg aus. Die Mitglieder des BVRA haben zahlreiche Webseiten durchpflügt und immer wieder Adressen aus der Hansestadt im Impressum entdeckt.
Vapes: Illegale E-Zigaretten fluten den Markt – dubiose Händler in Hamburg
Die Webseiten heißen randmevape, randm-welt, randmvapes24 oder randmvape-shop. Doch nicht nur in ihrer Namensgebung ähneln sich die Onlineshops: Sie alle geben einen Firmensitz in Hamburg oder im Umland an und verkaufen grellbunt bedruckte Einweg-E-Zigaretten der Marke „RandM Tornado“. Die Produkte kann sich jeder ansehen, der bei der Frage „Bist du 18 Jahre oder älter?“ kurzerhand auf „Ja“ klickt. Beworben werden die Verdampfer mit exotischen Geschmacksrichtungen und einer besonders langen Haltbarkeit. Je nach Modell sollen die Konsumenten bis zu 15.000 Züge aus einem Gerät nehmen können.
Einweg-E-Zigaretten sind nicht verboten, ihr Verkauf ist aber reguliert. Der Besitz und Verkauf fast aller Produkte der Marke „RandM Tornado“ ist in Deutschland illegal. Denn die Geräte dürfen laut Tabakerzeugnisgesetz maximal zwei Milliliter Liquid enthalten. Das ist die oft nikotinhaltige Flüssigkeit, die bei E-Zigaretten verdampft wird. RandM Tornados enthalten je nach Modell aber bis zu 25 Milliliter Liquid – mehr als das Zwölffache der maximal erlaubten Füllmenge.
BVRA Hamburg: Einweg-E-Zigaretten unter Jugendlichen beliebt
Einweg-E-Zigaretten seien gerade unter jungen Käufern zwischen 14 und 17 Jahren sehr beliebt, heißt es vom BVRA. Mit einem Testkauf will der Verband beweisen, wie miserabel es im Fall RandM Tornado um den Jugendschutz und die Einhaltung weiterer gesetzlicher Bestimmungen bestellt sei.
Ein Mitglied des Vereins hat deshalb unter Angabe seines realen Namens und der Lieferadresse auf einer Internetseite der Shops das Produkt RandM Tornado 12000 in der Geschmacksrichtung „Cherry“ für knapp 33 Euro bestellt. Die Produktserie wird beworben mit „bis zu 12.000 Zügen“, 20 Milligramm Nikotin je Milliliter (das ist die maximal erlaubte Nikotinstärke) und 20 Milliliter Liquid-Kapazität. In Deutschland ist dieser Vape also nicht verkehrsfähig. Der Händler gab bis vor Kurzem einen Sitz in Hamburg an, mittlerweile ist eine Berliner Adresse ausgewiesen.
Vape-Händler aus Hamburg: keine Altersverifikation, keine Steuerbanderole
Wenige Tage nach der Zahlungsabwicklung – laut Testkäufer „reibungslos und schnell“ – trifft das Päckchen mit dem illegalen Gut ein. Schon während des Bestellvorgangs sei kein Altersnachweis vonnöten gewesen, bei der Lieferung ebenso wenig: „Die vom Gesetzgeber ganz eindeutige Vorschrift, nur gegen Altersverifikation auszuliefern, wurde vollkommen ignoriert. Der Umschlag steckte frei zugängig im Zeitungsfach des Briefkastens“, berichtet der Verband.
Und noch etwas sei auffällig gewesen: Die Steuerbanderole habe gefehlt. Eigentlich wird je Milliliter Liquid ein Steuerbetrag von 20 Cent fällig, das heißt insgesamt vier Euro für das bestellte Produkt. „Das Fehlen der Steuerbanderole lässt nur einen Schluss zu: dass diese Produkte weder angemeldet, noch versteuert sind“, so der BVRA.
Hamburg: Dubioser Onlinehändler vertreibt weiterhin Ware
Drei nachweisbare Gesetzesverstöße macht der BVRA anhand des Testkaufs aus: Steuerhinterziehung, Vertrieb von illegalen Produkten und die fehlende Altersverifikation. „Aus Sicht der Konsumenten ist der dritte Verstoß jedoch der schwerwiegendste: die Missachtung des Jugendschutzgesetzes.“ Im Februar meldet der Verband den Fall beim Hauptzollamt, der Marktüberwachungsbehörde und dem Finanzamt Hamburg, später auch der Behörde für Justiz und Verbraucherschutz. „Vier Monate nach der Anzeige sehen wir immer noch keine Bewegung“, wundert sich der BVRA im Juni.
Eine Sprecherin der Justizbehörde erklärt auf Abendblatt-Nachfrage: „Ich kann Ihnen bestätigen, dass das Schreiben vom BVRA bei uns eingegangenen ist. Daraufhin haben wir den Vorgang an die Generalstaatsanwaltschaft abgegeben.“ Zu einem laufenden Verfahren könne sich die Behörde aber nicht weiter äußern. Auch das Hauptzollamt Hamburg teilt mit, der Fall sei der Staatsanwaltschaft übergeben worden.
Für den BVRA steht dennoch fest: Die Mühlen mahlen zu langsam. „Es ist für uns kaum verständlich, warum die Webseite immer noch offen ist und der Händler weiterhin ungestört verkauft“, so der Verband.
Illegale E-Zigaretten? Offenbar Schwerpunkt in und um Hamburg
Der BVRA findet es auffällig, dass das Gros der identifizieren Onlineshops, die mit RandM Tornado handeln, ihren Sitz im Norden Deutschlands haben, mit Schwerpunkt in und um Hamburg. Wie das Hauptzollamt Hamburg über eine Sprecherin erklären lässt, erfassen die Beamten nicht separat, wie viele E-Zigaretten sich unter den sichergestellten Gütern befinden. Allerdings: „Die bisherigen Aufgriffszahlen 2024 von nicht versteuerten E-Zigaretten haben eher die Tendenz, rückläufig zu sein.“
Das Hauptzollamt Hamburg ist nur für die Steueraufsicht im grenznahen Raum zuständig, etwa im Postverkehr. Um das Hamburger Stadtgebiet kümmert sich seit Jahresbeginn das Hauptzollamt Kiel. Dessen Beamte hätten im laufenden Jahr bislang 4249 E-Zigaretten mit insgesamt circa 11.500 Millilitern Liquid in Hamburg sichergestellt, informiert eine Sprecherin. Die Sorte RandM Tornado sei bekannt „und schon des Öfteren sichergestellt worden.“
E-Zigaretten Hamburg: Shop mit illegaler Ware noch immer online
Auf der Webseite, bei der der Testkauf erfolgte, war bis vor Kurzem ein Saalim A. als Inhaber im Impressum vermerkt. Der Firmensitz sollte sich in Hamburg-Wilhelmsburg befinden. Bei dem Ort handelt es sich um einen Hinterhof, auf dem sich eine Autowerkstatt und ein heruntergekommenes Hotel befinden. Niemand will A. oder sein Business dort kennen. A.s Name taucht oder tauchte auf weiteren Webseiten auf, die E-Zigaretten online anbieten, teils mit der Hamburger, manchmal auch mit einer Frankfurter Adresse im Impressum.
Erst Ende Juni hatte die Verbraucherzentrale Baden-Württemberg eine Unterlassungsklage gegen A. beim Landgericht Hamburg eingereicht. Das Urteil (noch nicht rechtskräftig): Der Beklagte darf die illegalen Vapes nicht mehr verkaufen. Ob er sich daran hält? Die Webseite ist weiterhin online und Bestellungen können getätigt werden. Laut Impressum befindet sich der Firmensitz nun jedoch in Berlin und A.s Name ist nicht mehr angegeben.
Konsumenten-Verband beklagt: E-Zigaretten-Handel „nicht mehr kontrollierbar“
Doch der BVRA will sich sowieso nicht auf Einzelfälle versteifen. Verbands-Geschäftsführer Simon Bauer sagt: „Unsere Marktbeobachtungen zeigen, dass es sich dabei um keinen Einzelfall handelt. Vielmehr hat sich hier ein Businessmodell etabliert.“ Der Testkauf zeige nur eines von vielen Beispielen der illegalen Praxis und sei vermutlich nur die Spitze des Eisbergs.
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Mit weiteren Testkäufen müsse nun abgesichert werden, ob andere Händler ebenfalls ohne Altersprüfung und Steuermarke verkaufen – abgesehen davon, dass fast alle Produkte der Marke RandM Tornado in Deutschland ohnehin verboten sind. Auf mehrere Kontaktversuche und Angebote zur Stellungnahme des Abendblatts haben die Betreiber der entsprechenden Webseiten nicht reagiert.
Jede fünfte E-Zigarette schwarz gehandelt, schätzt ein Experte
Schuld an dem Geschäftsmodell hätten auch „handwerkliche Fehler in der Steuergesetzgebung“, sagt Bauer. Weil der Gesetzgeber immer weiter reguliere, die Einhaltung aber gar nicht flächendeckend überprüft werden könne, wachse der Schwarzmarkt. „Der Zoll hat doch gar nicht die Kapazitäten“, so Bauer. „Vor wenigen Jahren gab es E-Zigaretten noch zu schätzungsweise 90 Prozent in Fachhandeln und heute verkauft sie jeder Kiosk. Das ist nicht mehr kontrollierbar.“
Einen Zusammenhang zwischen der Regulierung und dem Schwarzmarkt sieht auch der Bundesverband der Tabakwirtschaft (BVTE). „Seit Liquids in Deutschland versteuert werden, gehen wir davon aus, dass es eine teilweise Verlagerung in den illegalen Markt gibt beziehungsweise Konsumenten Einkäufe in denjenigen Ländern tätigen, in denen Vape-Produkte billiger sind“, so eine Sprecherin. Das betreffe aktuell vor allem Einweg-E-Zigarettenprodukte, die illegal auf dem deutschen Markt zu finden sind.
Gleiches weiß Philip Drögemüller, Geschäftsführer des Bündnisses für Tabakfreien Genuss (BfTG), zu berichten: „Leider beobachten wir, dass der Schwarzmarkt für E-Zigaretten angewachsen ist. Unsere Schätzung liegt bei 20 Prozent“, sagt er und nennt ebenfalls Einweg-E-Zigaretten als eines der am häufigsten illegal gehandelten Produkte.
Handel in Hamburg: E-Zigaretten immer beliebter
Der deutsche Markt für E-Zigaretten wächst rasant. Wurden im Jahr 2021 noch 410 Millionen Euro Umsatz mit den Verdampfern gemacht, rechnet der Verband BfTG für das laufende Jahr mit satten 975 Millionen Euro. Wie populär die Geräte geworden sind, lässt sich auch anhand der Tabaksteuer nachvollziehen. Laut Statistischem Bundesamt wurden 2022 noch 266.000 Liter Liquid versteuert. Im Jahr 2023 waren es bereits mehr als 1,2 Millionen Liter.
Laut dem BVTE dominieren chinesische Hersteller wie IMiracle Technology (Elfbar) und Yuxi Electronic Technology (Waka) den Markt. Beide Firmen sind in Shenzhen ansässig, einer Millionenstadt an der Grenze zu Hongkong. Übrigens genau wie das Unternehmen Fumot Technology, das die illegalen RandM Tornados herstellt.