Hamburg. Mit Aromen verführen neue Angebote sogar Kinder. Zahl junger Raucher hat sich verdoppelt. Warum das Einstiegsalter entscheidend ist.
Die Entwicklung ist beunruhigend: Nachdem die Zahl der Kinder und Jugendlichen, die rauchen, jahrelang sank, steigt sie nun wieder steil an. Seit wenigen Jahren greifen deutlich mehr junge Hamburgerinnen und Hamburger zu Zigarette oder E-Zigarette. „Wir hatten über Jahrzehnte hinweg fallende Zahlen, gerade bei den Kindern und Jugendlichen. Die Daten werden nicht jedes Jahr erhoben, aber seit 2021/2022 ist ein starker Anstieg von Raucherinnen und Rauchern zwischen 14 und 17 Jahren festzustellen“, sagt Kinderärztin Claudia Haupt, Vorsitzende des Berufsverbandes der Kinder- und Jugendärzte Hamburg.
Das kann mit der Corona-Pandemie zusammenhängen, vor allem aber mit den E-Zigaretten, die den Markt regelrecht geflutet haben – und die für Jugendliche offenbar besonders verführerisch sind. Das Angebot reicht hier von Geräten, in denen richtiger Tabak erhitzt, aber nicht verbrannt wird, über immer wieder verwendbare Modelle, in denen künstliche Flüssigkeiten (Liquids) verdampft werden, bis hin zu mit Liquids gefüllten kleinen Einweggeräten, die gar nicht erst ein- oder ausgeschaltet werden müssen, sondern immer verfügbar sind – für bis zu 5000 Züge. Letztere werden Vapes genannt. Auf Partys haben Jugendliche sie immer griffbereit; in Clubs tragen sie sie an Bändern um den Hals.
Vapes und E-Zigaretten verführen Kinder und Jugendliche
„Diese Vapes spielen eine riesengroße Rolle. Sie sind knallig bunt und haben die verschiedensten Aromastoffe von Mango über Beeren bis zu Wassermelone, es gibt sie mit Nikotin und ohne Nikotin“, sagt Charlotte Schulz, Sprecherin des Berufsverbandes der Kinder- und Jugendärzte Hamburg. „Das Problem ist, dass sie unheimlich cool aufgemacht sind und es sehr viel Werbung gibt, gerade auch von Influencern in den sozialen Medien.“
Die Kids werden durch die Aromen verführt, ähnlich wie bei den süßen Alco-Pops unter den alkoholischen Getränken. „Die E-Zigaretten, insbesondere die Vapes, sind vermeintlich nicht so schädlich wie Zigaretten und – für viele Jugendliche interessant: Der Rauch stinkt nicht so sehr“, sagt Claudia Haupt. „Das süßliche Aroma verführt.“ Sehr ungesund ist diese Form der Zigaretten aber durchaus, wie die KinderDocs warnen.
„Zwar gibt es nicht die Gefahren, die mit der Verbrennung von Tabak einhergehen, aber es sind viele Stoffe enthalten, die sehr schädlich sind. Und Langzeiterkenntnisse gibt es bisher nicht. Wie schädlich diese Form des Rauchens tatsächlich ist, werden wir vermutlich erst in zehn Jahren wissen – und dann ist es zu spät.“
Einstiegsalter entscheidend – Rauchen mit 13, 15 oder 17 Jahren macht großen Unterschied
Außerdem enthalten diese Zigaretten meist auch Nikotin. „Das ist eben nicht ungefährlich.“ Denn das Nikotin ist es, das die Sucht auslöst. Wichtig zu wissen: Je früher man mit dem Rauchen anfängt, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, süchtig zu werden. „Unser Ziel muss es deshalb mindestens sein, das Einstiegsalter deutlich hochzusetzen.“ Wer mit 20 Jahren nicht rauche, habe große Chancen, in seinem Leben nicht mehr damit anzufangen. Und die meisten Raucher im Erwachsenenalter, die Schwierigkeiten haben, von der Sucht loszukommen, dürften sich heute wünschen, niemals angefangen zu haben.
„Das Einstiegsalter beim Rauchen bestimmt ganz stark die Wahrscheinlichkeit, dass man abhängig wird und die Sucht nicht mehr ablegen kann“, sagt Charlotte Schulz. „Großes Ziel der Prävention ist es, die Kinder und Jugendlichen zu erreichen, damit sie gar nicht erst anfangen oder zumindest so spät wie möglich.“ Allerdings liegt das Einstiegsalter laut der Hamburger Schulbus-Studie häufig bereits bei 13 Jahren. Ob jemand mit 13, 15 oder 17 Jahren anfängt, macht einen großen Unterschied.
400.000 Jugendliche Rauchen – Zahl in kürzester Zeit verdoppelt
Und der Trend geht in die falsche Richtung. Bis zum Jahr 2021 waren die Zahlen rückläufig. Von den 14- bis 17-Jährigen rauchten etwa 8,7 Prozent. Innerhalb eines Jahres stieg der Anteil laut Zahlen des Gesundheitsministeriums auf 15,9 Prozent – das ist fast eine Verdopplung. Deutschlandweit rauchen 400.000 Jugendliche zwischen 14 und 17 Jahren nicht nur ab und zu auf einer Party, sondern ganz regelmäßig. Auch wenn es für 2023 noch keine Zahlen gibt: „Wir sehen definitiv, dass der Trend zur Zunahme angehalten hat“, wie Kinderärztin Schulz sagt.
Das mag neben den verführerischen E-Zigaretten auch mit der Pandemie zu tun haben und mit dem Kontrollverlust, den Jugendliche in der Corona-Zeit erlebten und durch die das Rauchen für sie selbstwirksames Ritual für Stressabbau wurde, zu einem Zeichen vermeintlicher Freiheit und Unabhängigkeit.
KinderDocs: Warum Rauchen so gefährlich ist
Warum Rauchen so schädlich ist? Im Rauch von Tabak sind ungefähr 250 hochgiftige Substanzen enthalten – darunter Blausäure, Ammoniak, Formaldehyd und Schwermetalle. „Viele Inhaltsstoffe tauchen auch in Reinigungsmitteln auf, aber niemand käme auf die Idee, davon einen Schluck zu nehmen“, sagt Claudia Haupt. Das Blut kann zudem weniger Sauerstoff aufnehmen. Rauchen verringert die körperliche Leistungsfähigkeit unmittelbar, lässt die Haut vorzeitig altern und erhöht die Gefahr unter anderem von Herzinfarkten, Schlaganfällen und besonders Krebs, Potenzproblemen und verminderter Fruchtbarkeit.
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Wie die Sucht im jugendlichen Gehirn verankert wird, warum herumliegende Zigarettenschachteln für Kleinkinder sogar lebensgefährlich werden können, wie schädlich Passivrauchen für Kinder und Jugendliche ist und was Eltern unternehmen sollten, wenn sie feststellen, dass ihr Nachwuchs raucht, berichten die KinderDocs im gleichnamigen Podcast.
Alle weiteren Folgen des Podcasts Die KinderDocs finden Sie hier auf abendblatt.de.