Hamburg. Innensenator Grote befürchtet stärkeren illegalen Handel. Auch Hamburger Cannabis-Club hält Neuregelung für völlig kontraproduktiv.

Der Wind rauscht durch die Leitung und man hört Andreas Gerhold schwer atmen, als das Abendblatt ihn auf dem Handy erreicht. „Sorry, gerade auf dem Fahrrad zu unserem Probeanbau“, ruft Gerhold, der sich aktuell vor Presse- und Mitgliederanfragen kaum retten kann.

Doch für den Hamburger ist das nichts Neues. Auch 2017, als der Weg für „Cannabis als Medizin“ geebnet wurde, sei das so gewesen. Mit seinem Verein, dem „Cannabis Social Club Hamburg“ (CSC), setzt sich Gerhold nämlich als Vorsitzender bereits seit acht Jahren für die gänzliche Legalisierung und den gemeinschaftlichen Anbau von Cannabis zum Eigenkonsum ein.

Cannabis-Gesetz: Innensenator Grote fürchtet stärkeren illegalen Handel

Jetzt, wo die Bundesregierung dem Gesetzesentwurf des Bundesgesundheitsministeriums (BGM) zum kontrollierten Umgang mit Cannabis zugestimmt hat, könnte man deshalb meinen, Gerhold müsste bester Laune sein. Aber nein, das ist er nicht. Denn auch, wenn der Hamburger freundlich klingt, ist seine Laune, was den Cannabis-Konsum in Deutschland angeht, schlecht. Um genau zu sein: im Keller. Und das wiederum könnte ein Problem für Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) werden, da Gerhold und die anderen Vereinsmitglieder eine nicht unbedeutende Rolle für die Umsetzung des Gesetzes spielen sollen.

Doch der Reihe nach: „Grundsätzlich teilen wir die Ziele des Gesundheitsministers“, sagt Gerhold. Denn auch der CSC sei für eine Eindämmung des Schwarzmarktes und auch für mehr Aufklärung und Prävention vor Cannabis-Missbrauch. Allerdings, sagt der Vorsitzende, halten sie die Mittel, die dafür eingesetzt werden sollen, für ungeeignet oder sogar kontraproduktiv.

Innensenator Andy Grote sieht den vom Bundeskabinett gebilligten Gesetzesentwurf zum legalen Cannabis-Konsum für nicht umsetzbar.
Innensenator Andy Grote sieht den vom Bundeskabinett gebilligten Gesetzesentwurf zum legalen Cannabis-Konsum für nicht umsetzbar. © FUNKE Foto Services | Michael Rauhe

„Schwarzmarkt-Fördergesetz“: Zu viele Vorgaben, zu viel Bürokratie

„Bei uns im Verein nennen wir das Gesetz auch Schwarzmarkt-Fördergesetz.“ Und das habe einen einfachen Grund: Zu viele Vorgaben und zu viel Bürokratie. Allein die Vorgabe, dass „in einem Abstand von bis zu 200 Metern zum Eingangsbereich von Schulen, Kinder- und Jugendeinrichtungen, in öffentlich zugänglichen Sportstätten sowie auf und in einem Abstand von bis zu 200 Metern zum Eingangsbereich von Kinderspielplätzen“ laut Gesetz kein Cannabis konsumiert werden darf, sei Gerhold zufolge in Hamburg nicht umsetzbar.

„Wenn es wirklich so kommen sollte, dann dürfte im gesamten Innenstadtgebiet kein Cannabis konsumiert werden.“ Aus Interesse habe Gerhold nämlich eine Karte erstellt, auf der er und die anderen Vereinsmitglieder um alle Schulen, Kinderspielplätze und Jugendeinrichtungen einen Kreis von 200 Metern gezogen haben. Das Ergebnis: keine freie Fläche für den Cannabis-Konsum. Ebenso dürften sich in diesem Gebiet auch keine wie im Gesetz vorgesehenen Cannabis-Clubs (Anbaugemeinschaften) ansiedeln, die auf Grundlage einer Erlaubnis gemeinschaftlichen Eigenanbau betreiben und damit zur Abgabe von Cannabis befähigt sind.

Gesetz drängt Cannabis-Clubs an den Stadtrand

Doch eben genau solch ein Cannabis-Club könnte der CSC sein. Und eben jene Clubs braucht es, sollte der Bundestag das Gesetz ohne große Änderungen nach der parlamentarischen Sommerpause beschließen. „Wird das Gesetz so beschlossen, bedeutet das, dass die Cannabis-Clubs an den Hamburger Stadtrand verdrängt würden“, sagt Gerhold. Für den Anbau völlig legitim, findet der Hamburger. Da das Gesetz jedoch auch den Transport von „Cannabis und Vermehrungsmaterial“ untersagt, würde das allerdings auch bedeuten, dass Vereinsmitglieder sowohl für den Anbau als auch für den Erwerb raus an den Stadtrand müssten.

„Das macht doch keiner. Vor allem nicht, wenn der Schwarzmarkt-Dealer weiterhin um die nächste Ecke steht“, sagt Gerhold. Außerdem werde auf diese Weise auch der Aspekt „social“ komplett außer Acht gelassen. „Die Social Clubs sollen eigentlich Clubs für das soziale Leben sein. Und das ist eben nicht nur Konsum.“ Konsumiere beispielsweise jemand übermäßig Cannabis oder hat offensichtlich Probleme, bemerke dies keiner, weil jeder für sich allein zu Hause konsumiere und isoliert bleibe.

Zudem befürchtet Gerhold, dass der Anbau der Hanfpflanze durch die vielen juristischen Vorschriften und das finanzielle Risiko, das mit dem Anbau einhergeht, im Endeffekt teurer als auf dem Schwarzmarkt werde.

Andy Grote (SPD): „Keine Entlastung für die Polizei“

Und dies befürchtet auch Innensenator Andy Grote (SPD). Er hält den Weg, der mit dem Gesetz beschritten wird, ebenfalls für „hoch problematisch“ und befürchtet ebenfalls einen viel höheren Preis des „hier in Deutschland aufwendig angebauten Cannabis“, wie er dem Abendblatt am Mittwoch sagte. „Mit diesem Gesetz tritt keine Entlastung von Polizei und Sicherheitsbehörden ein. Vielmehr wird der illegale Handel weiterhin attraktiv bleiben.“

Dadurch, dass es ein legales Umfeld gebe, in dem sich illegale Händler „viel leichter“ bewegen könnten als vorher, würden sogar attraktivere Rahmenbedingungen für den Schwarzmarkt geschaffen, sagt Grote. Zudem kämen durch die „so umfangreichen, kleinteiligen und detaillierten Regelungen zur Qualität von Cannabis, zum Wirkungsgrad, zu den Produktionsstätten oder zu erlaubten Mengen zusätzliche Aufgaben auf die Polizei zu“, die kaum wirkungsvoll erfüllbar seien.

„Meiner Ansicht nach ist es schlichtweg unrealistisch, das Gesetz in Gänze wirkungsvoll umzusetzen“, sagte der Innensenator. Wenn man schon eine Legalisierung einführt, dann müsse die Umsetzung nach Grotes Vorstellung auch funktionieren. Doch das werde sie dem Senator zufolge nicht, sollte das Gesetz so vom Bundestag verabschiedet werden. „Sollte das Gesetz so durchgehen, dann brauchen wir eine ganze Cannabis-Überwachungsbürokratie.“

Hamburger Grüne für Legalisierung von Cannabis

Und eben jene Belastung sieht auch Dennis Thering, Vorsitzender der CDU-Fraktion, auf die Hamburger Sicherheitsbehörden zukommen. „Die Belastung für die ohnehin schon stark beanspruchten Hamburger Polizistinnen und Polizisten würde weiter steigen. Dabei haben wir schon jetzt einen Drogenkrieg auf Hamburgs Straßen und die Zustände rund um das Drob Inn und an anderen Orten sprechen für sich“, sagte Thering.

Um die Ablehnung des Gesetzes in seiner jetzigen Form jedoch nicht nur in Worten zu manifestieren, fordert Thering eine entsprechende Bundesratsinitiative vom rot-grünen Senat gegen die Legalisierung. „Worte alleine reichen nicht, die SPD muss ihre Genossen im Bund jetzt stoppen!“

CDU fordert Bundesratsinitiative – doch die ist gar nicht möglich

Doch das dürfte schwierig werden. Abgesehen davon, dass die Grünen-Fraktion der Hamburgischen Bürgerschaft laut ihrer Fraktionsvorsitzenden Jenny Jasberg den Gesetzesentwurf unterstützt und damit die grundsätzliche Möglichkeit gegeben sieht, den Schwarzmarkt einzudämmen und die Behörden zu entlasten, stellt sich noch eine rechtliche Hürde.

Wie das BGM nämlich mitteilt, wird das Gesetz nicht als zustimmungsbedürftig eingestuft. Das bedeutet, dass das Gesetz zwar noch durch Bundestag und Bundesrat muss. In der Länderkammer ist es aber nicht zustimmungspflichtig und somit kann der Bundesrat kein Veto einlegen.

Cannabis-Legalisierung: Clubs machen nicht mit

Auch Grünen-Politikerin Jasberg behält sich vor, sich anzusehen, „welchen rechtlichen Rahmen der Bund schafft“, und sich auf dieser Grundlage zu beraten, „was das für Hamburg bedeutet“.

Und das dürfte ernüchternd sein für Andreas Gerhold. Sollten keine großen Änderungen folgen, steht für den Vereinsvorsitzenden fest: „Unter diesen Bedingungen würde ich keine Lizenz beantragen wollen. Und ich rate auch anderen Cannabis Social Clubs davon ab.“ Zu Recht würden zwar seiner Ansicht nach hohe Qualitätsstandards von der Regierung von den Abgabestellen erwartet. Doch werde die Umsetzung des Gesetzes nun einfach auf die Schultern der Clubs umgelegt.