Hamburg. Sicherheitsbehörden fürchten Verlagerung der Kriminalität aus Rotterdam und Antwerpen. Hafensicherheitszentrum soll Drogenflut eindämmen.
Allein die Geschwindigkeit, mit der das Hafensicherheitszentrum aus dem Boden gestampft wurde, zeigt, dass Druck auf dem Kessel ist. Der Drogenschmuggel über den Hamburger Hafen nimmt immer bedrohlichere Formen an. Experten schätzen, dass Kokain im Wert von jährlich 16 Milliarden Euro nach Europa kommt. Und: Insider gehen davon aus, dass die Mengen noch größer werden. Denn die Häfen im holländischen Rotterdam und belgischen Antwerpen, bislang Haupteinfallstore für Kokain aus Südamerika, rüsten massiv auf. Man rechnet mit einem zumindest teilweisen Ausweichen der Organisierten Kriminalität nach Hamburg.
Es ist ein wenig spektakulär wirkender Raum in einem der alten, aber fein sanierten Bauten der Speicherstadt, in dem das Hafensicherheitszentrum residiert. Auf einem großen Tisch stehen Telefone. Ein Laptop ist aufgeklappt. Hier werden in Schichten rund um die Uhr vier LKA-Beamte, ein Wasserschutzpolizist, zwei Zöllner und ein Mitarbeiter der Hamburg Port Autorithy (HPA) sitzen. Ihre Aufgabe: zentraler Ansprechpartner sein, alle relevanten Informationen bündeln und Hinweise aufnehmen. Was aufhorchen lässt: Das Landeskriminalamt hat dorthin mit Oliver Erdmann einen ausgewiesenen Drogenfahnder entsandt, der seit Jahrzehnten die hochkarätige Drogenszene bekämpft und international vernetzt ist. Schon das unterstreicht die Wichtigkeit, die diesem Projekt gegeben wird. Auch Bundeskriminalamt und Staatsanwaltschaft Hamburg haben das Vorhaben unterstützt.
Hamburger Hafen: Beim Hinweistelefon sollen „Insider“ gemeldet werden, die Kriminelle unterstützen
Das Hafensicherheitszentrum soll im Rahmen der „Allianz Sicherer Hafen Hamburg“ auch Ordnung in das „Gewusel“ der verschiedensten Behörden im Hafen bringen. „Es kommt immer wieder vor, dass sich Kollegen von verschiedenen Dienststellen gegenseitig in den Pistolenlauf schauen“, umschreibt ein Beamter das Problem. Im Hamburger Hafen sind viele Drogenfahnder vom Zoll, dem Bundeskriminalamt und den vielen Landeskriminalämtern in der Regel geheim unterwegs.
Kern ist jedoch das anonyme Hinweistelefon. Hier sollen aus dem Hafen anonym und niedrigschwellig Hinweise auf sogenannte „Innentäter“ eingehen. Das sind Mitarbeiter der Hafenwirtschaft, die im Auftrag der Organisierten Kriminalität „kleine Gefälligkeiten“ erledigen, damit der Drogenschmuggel reibungslos funktioniert. Summen ab 5000 Euro, die schnell mal auf mehrere Zehntausend Euro erhöht werden, ködern die Mitarbeiter. Wer es einmal nimmt, kommt nicht wieder aus dem System heraus. Dann wird, wenn es den kriminellen Hintermännern nötig erscheint, auch mit harten Bandagen gegen sie vorgegangen.
Das sind nicht nur bloße Drohungen. Auch Mitarbeiter der Hamburger Hafenbetriebe wurden schon Opfer brutaler „Diziplinarmaßnahmen“ der Organisierten Kriminalität. Innensenator Andy Grote (SPD) liefert die Begründung. „Ohne Korrumpierung von Hafenmitarbeitenden kommen die hier nicht rein, deswegen lastet hier ein enormer Druck auf den Menschen, die in unserem Hafen arbeiten“, so Grote.
„Zaunkletterer“ schreckten die Sicherheitsbehörden auf
Wird der Hafen Hamburg beim Drogenumschlag wichtiger, befürchtet man, dass man sich auch hier den niederländischen oder schwedischen Verhältnissen annähert. So gab es im Zusammenhang mit dem Hafen Rotterdam 600 Bombenanschläge, die als Einschüchterungsmaßnahmen in dieser Szene gewertet werden. In Schweden rechnet man 360 Schießereien diesem Phänomen zu. Erste Anzeichen gibt es in Hamburg bereits: Im Sommer 2023 wurden sogenannte „Zaunkletterer“ im Hamburger Hafen festgestellt, Handlanger der Drogenschmuggler aus den Niederlanden, die einen offenbar verloren gegangenen Container mit Drogen suchen sollten. Dieses Phänomen hatte es bis dahin nicht in Hamburg gegeben.
„Wir haben es nicht mit gewöhnlichen Kriminellen zu tun, sondern mit hochprofessionellen, breit aufgestellten, internationalen kriminellen Strukturen“, sagt Innensenator Grote. „Denen wir müssen eine sehr schlagkräftige, internationale, vernetzte, multiprofessionelle Sicherheitsorganisation gegenüberstellen.“
- Drogen-Drehkreuz Hamburg: So schlimm ist es wirklich
- Kokaingroßfund – aber Einbruchsserie in Altenwerder reißt ab
- Ohne zwei Frauen hätte der Drogenboss keine Chance gehabt
Das Hafensicherheitszentrum sei das „Schlüsselprojekt“. „Dort laufen die Fäden zusammen. Es geht um engere Kooperationen zwischen Ermittlungsbehörden, Strafverfolgungsbehörden, der Hafenbehörde, sodass wir wirklich alles an Kompetenz, an Know-how, an Information, an Analysefähigkeit, an Bewertungsfähigkeit zusammenbringen, um ein gemeinsames Bild zu haben und gemeinsame Maßnahmen daraus ableiten können.“ So soll beispielsweise täglich ein Lagebild erstellt werden. Die Zusammenarbeit solle auf eine Stufe gehoben werden, um sie „intensiver, enger, effektiver und erfolgreicher“ zu machen.
Hamburger Hafen: Erlöse aus Drogenschmuggel gehen auch an Terrorgruppen
„Spätestens die Ereignisse vom vergangenen Sommer, als sich eine Vielzahl von Verdächtigen in offensichtlich krimineller Absicht unbefugt Zutritt zu einem Terminal verschafft hatte, zeigen, dass auch unser Hafen im Visier von Drogenschmugglern ist“, sagte Polizeipräsident Falk Schnabel. Das neue Hafensicherheitszentrum verstärke ab sofort die Schlagkraft im Kampf gegen die internationale Drogenkriminalität.
Dass HPA mit im Boot ist, liegt nicht nur an der Bereitstellung der Räume für das Hafensicherheitszentrum. Dort hat man Erkenntnisse, die die Strafverfolgungsbehörden nicht haben, die aber bei der praktischen Arbeit enorm helfen. Zudem ist Drogenschmuggel keine Einbahnstraße. Die Erlöse aus dem Drogenhandel gehen, oft als Bargeld, zu den Hintermännern in anderen Ländern. Das sind nicht immer nur reine Kriminelle. Geld aus den großen Drogengeschäften fließen auch an Milizen oder Terrororganisationen, die damit Waffen kaufen.