Hamburg. Mit einem umfangreichen Maßnahmenpaket soll gegen Kriminelle vorgegangen werden. Wie die Pläne im Detail aussehen.
Mitte September haben Ermittler im Bereich des O‘Swaldkais im Hamburger Hafen in einem aus Südamerika stammenden Container knapp 240 Kilogramm Kokain gefunden. Es ist der jüngste in einer Reihe ähnlicher Fälle. Der Hafen in Hamburg hat sich zu einer Drehscheibe für den Drogenschmuggel entwickelt. Wie berichtet gehen Insider davon aus, dass über den Hafen jährlich Kokain in einem Wert von bis zu 16 Milliarden Euro importiert wird. Lange haben Behörden und Hafenwirtschaft zugesehen. Jetzt soll gehandelt werden.
Am Montag kamen Vertreter der Stadt, der Hafenwirtschaft, von Reedereien, des Bundes- und Landeskriminalamts und des Zolls auf Einladung von Bürgermeister Peter Tschentscher und Innensenator Andy Grote (beide SPD) zu einem Hafensicherheitsgipfel zusammen. Sie verabredeten die Gründung einer „Allianz Sicherer Hafen Hamburg“, um den Kampf gegen den Drogeneinfuhrschmuggel zu intensivieren.
Hafen Hamburg: Drohnen sollen im Kampf gegen Drogenschmuggel helfen
„Wir haben uns heute auf den Weg gemacht, unseren Hafen wirksamer gegen die organisierte Kriminalität zu schützen und dem internationalen Rauschgifthandel noch wirksamer und schlagkräftiger entgegenzutreten“, sagte Grote anschließend. Dazu gehöre auch die Gründung eines gemeinsamen Hafensicherheitszentrums. Dieses soll eine engere Kooperation, einen schnelleren Austausch im Rahmen der Möglichkeiten, kurze Wege und gemeinsame Aktionen zum wirksamen Vorgehen gegen den Drogenschmuggel im Hafen ermöglichen, wie es in einer gemeinsamen Abschlusserklärung der Teilnehmer hieß.
Der enge Schulterschluss von Bundesministerien, über BKA und Zoll bis zur Hafenwirtschaft sei ein kraftvolles Signal. „Wir sind heute ein gutes Stück vorangekommen“, sagte Grote. Dies gelang nicht zuletzt, weil alle Beteiligten sich bereit erklärt haben, aus ihren Zuständigkeitsbereichen etwas beizutragen. Zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität (OK) insbesondere in Bezug auf den Kokain-Einfuhrschmuggel wollen beispielsweise das Landeskriminalamt Hamburg und der Zoll ihre Zusammenarbeit in der Gemeinsamen Ermittlungsgruppe Rauschgift (GER) ausweiten und dabei insbesondere Hafeninnentäter in den Blick nehmen.
Hafen Hamburg: So soll die Überwachungstechnik verbessert werden
Um die Drogen, die mit Schiffen überwiegend aus Südamerika kommen, aus dem Hafen zu schmuggeln, sind die Kriminellen nämlich vielfach auf Kontaktpersonen aus der Hafenlogistik angewiesen oder bringen eigene Kontaktpersonen im Kreis der Hafenarbeiter unter. „Um erfolgreich zu sein, braucht die organisierte Kriminalität die sogenannte Tür in den Hafen. Hafeninnentäter sind dazu der entscheidende Schlüssel“, sagte Jan Hieber, Leiter des Landeskriminalamts in Hamburg.
Um die Mitarbeiter im Hafen vor Kontakten zur OK zu schützen, wollen die Verantwortlichen zudem eine Bewusstseinskampagne ins Leben rufen. Darüber hinaus soll ein anonymes Hinweisgeberportal eingerichtet werden. Die Hafenwirtschaft begrüße diesen Schritt sehr, sagte der Präsident des Unternehmensverbands Hafen Hamburg (UVHH), Gunther Bonz.
Um den Einsatz der Durchleuchtungstechnik, bei der komplette Container von außen mit Röntgengeräten auf verbotene Inhalte untersucht werden, effizienter zu machen, will der Zoll die Risikoanalyse verbessern, um besonders verdächtige Boxen bereits im Vorfeld zu identifizieren.
Zudem will die Allianz die Überwachungstechnik im Hafen verbessern. Dazu sollen auch Drohnen und noch mehr Kameras eingesetzt werden. Zwar gibt es seit Ende 2012 mit dem International Ship and Port Facility Security Code (ISPS), der zur Abschottung der bis dahin frei zugänglichen Häfen führte, ein wirksames Instrument zur Gefahrenabwehr. Dennoch gelang Unbefugten in der Vergangenheit immer wieder der Zutritt zu Hafenanlagen. „Insoweit streben wir an, dieses hohe Schutzniveau durch die Prüfung des Einsatzes von weiteren technischen Sicherheitsmaßnahmen wie Kameras und Drohnen an geeigneten Standorten zu optimieren“, heißt es in der Schlusserklärung der Konferenz, die am Montagnachmittag vorgestellt wurde.
Sicherheit im Hafen verbessern, Zugang soll verschärft werden
Die HHLA hat es bereits vorgemacht: Als ihr Containerterminal Altenwerder in diesem Sommer mehrfach Ziel ausländischer Krimineller wurde, die dort suchend umherstreiften, sendete die Geschäftsführung Drohnen, um die Eindringlinge auf dem weitläufigen Gelände aufzuspüren. „Zwei Hafenunternehmen haben ebenfalls angekündigt, ihre Überwachungskamerasysteme technisch aufzurüsten“, sagte Bonz.
Auch die umfassende Automatisierung von Containerterminals verbessert die Sicherheit im Hafen: Durch die technische Überwachung und Steuerung des Terminalbetriebs können Unregelmäßigkeiten unmittelbar festgestellt werden. So dauerte es beispielsweise bei einer Einbruchserie am Containerterminal Altenwerder (CTA) in diesem Sommer nur wenige Minuten, bis das Eindringen festgestellt worden war. Reedereien und Verlader sollen dafür sensibilisiert werden, mehr fälschungssichere Containersiegel zu verwenden.
Rekordfunde an Kokain. BKA ist in Sorge
Schließlich soll das Berechtigungs- und Zugangsmanagement zum Hafen überprüft und möglicherweise verschärft werden. Im Vorgehen gegen den Drogenschmuggel gibt es bereits eine Kooperation mit den Häfen von Rotterdam und Antwerpen, die fortgeführt werden soll. So besteht seit Herbst 2021 eine Steuerungsgruppe aus Vertretern der drei großen Nordseehäfen sowie den für sie zuständigen Sicherheitsbehörden, um die Entwicklungen der Sicherheit in den Häfen weitgehend zu vereinheitlichen.
Der Präsident des BKA, Holger Münch, sagte, die Entschlossenheit aller Beteiligten von den Behörden bis zur Privatwirtschaft habe ihn beeindruckt. Denn dass etwas geschehen müsse, stehe außer Zweifel. „33 Tonnen Kokain haben wir in diesem Jahr bundesweit schon sichergestellt. So viel hatten wir noch nie. Und das Jahr ist noch gar nicht vorbei.“
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„Als drittgrößter Seehafen Europas ist Hamburg wie die anderen großen Nordseehäfen in besonderer Weise vom internationalen Betäubungsmitteleinfuhrschmuggel betroffen. Um den erheblichen, mit dieser Form der organisierten Kriminalität verbundenen Gefahren auf allen Ebenen – behördlich, privatwirtschaftlich, regional, national und international – zukünftig noch besser zu begegnen und um Schutzmaßnahmen fortentwickeln zu können, sind wir uns einig, dass ein sehr enger Austausch und eine intensivierte Vernetzung aller Partner eine zentrale Voraussetzung zur Entwicklung von effektiven und weiter optimierten Schutzmaßnahmen ist“, stellten die Konferenzvertreter in ihrer Abschlusserklärung fest.