Hamburg. 40 Festnahmen in Altenwerder inklusive überraschender Funde. Polizei tastet sich an Container und Motiv heran – auch in Holland.
Es ist ein mysteriöser Vorgang: Seit mehr als zwei Wochen versuchen immer wieder Männer aus Holland, auf das Containerterminal Altenwerder (CTA) zu gelangen. Die Polizei Hamburg nahm bislang rund 40 Personen fest – zuletzt in der Nacht zum Mittwoch. Eine mögliche Erklärung ist, dass sie eine große Menge Kokain aus einem der dort gelagerten Container holen wollen.
Tatsächlich ist die GER, die Gemeinsame Ermittlungsgruppe aus Zoll und Polizei, zuständig für Drogenschmuggel in großem Stil, in diesen Fällen federführend bei den Ermittlungen. Dennoch ist man sich nicht sicher, ob nicht doch etwas anderes hinter der Sache steckt.
Hafen Hamburg: Für Drogenschmuggler ein Wettlauf gegen die Zeit
Geht es um die Bergung von Kokain aus einem Container, wäre es für die Drogenschmuggler ein Wettlauf gegen die Zeit. Auf dem Containerterminal in Altenwerder können allein auf der Hauptfläche bis zu 30.000 dieser Transportbehälter in Reihen und in bis zu fünf Lagen gestapelt werden.
Allerdings bleibt kein Container lange dort stehen. Rund 2,5 Millionen Container werden auf dem Terminal im Jahr umgeschlagen. Statistisch ist in nicht einmal fünf Tagen der komplette Bestand ausgewechselt.
Genau hier setzen Zoll und Polizei an. Jeden Tag sind es weniger Container, die seit der Nacht vom 10. auf den 11. Juni, als erstmals versucht wurde, auf das Gelände vorzudringen, dort heute noch stehen. Diese werden genau unter die Lupe genommen.
Zollbeamte im Hafen haben ganz andere Befugnisse als die Polizei
Der Zoll spielt dabei eine wichtige Rolle. Dessen Beamte haben ganz andere Befugnisse und können deutlich einfacher infrage kommende Container durchsuchen. Die Polizei bräuchte in jedem Fall einen konkreten Verdacht und müsste für jeden Container einen Durchsuchungsbeschluss beantragen.
Obwohl die Zahl der Container, die als verdächtig gelten, mit jedem Tag kleiner wird, hat man bislang kein Kokain gefunden. So ist man sich nicht sicher, dass die kriminellen Trupps, die dort sowohl in der Nacht als auch am Tag anrücken, tatsächlich Kokain bergen sollen.
Polizei Hamburg fand bei Festgenommenen merkwürdige Dinge
Dass auch etwas anderes dahinterstecken kann, dafür sprechen die Sachen, die man bei den Männern fand. Neben Bolzenschneidern, die man braucht, um den Zaun zu durchschneiden oder Container zu öffnen, fand man Plomben, mit denen ein Container wieder versiegelt werden kann.
Aber auch Handys und Powerbanks, die eine längere Stromversorgung für mobile Geräte ermöglichen, wurden entdeckt. Ebenso fand die Polizei bei den Männern immer wieder GPS-Tracker, also Sender zur Standortbestimmung.
Nur wenige der Festgenommenen vor dem Haftrichter
Die Festgenommenen selbst sind Niederländer. Allerdings sind es nahezu ausschließlich Niederländer mit Migrationshintergrund. Und auch das ist eine Gemeinsamkeit: Alle kommen aus der sozial untersten Schicht.
Nur in Einzelfällen wurde seit dem 10. Juni ein Verdächtiger zweimal festgenommen. Sie werden dem Haftrichter vorgeführt, so die Absprache. Alle anderen kamen auf freien Fuß. Ermittelt wird gegen sie wegen Hausfriedensbruch und Sachbeschädigung.
Ein Polizist: „Nicht die hellsten Kerzen auf der Torte“
„Es handelt sich auch nicht wirklich um die hellsten Kerzen auf der Torte“, so ein Beamter über die Festgenommenen. „Solchen Leuten würde ich nicht Drogen im Wert von zig Millionen Euro anvertrauen.“
Genau in dieses Schema passen die vier 19 bis 29 Jahre alten Männer, die man in der Nacht zum Mittwoch schnappte. Drei von ihnen wurden vor dem Containerterminal Altenwerder geschnappt. Zudem stellten die Polizei neben den üblichen Utensilien einen Pkw, einen Toyota, sicher.
So gibt es weitere Thesen darüber, was die Gruppen, die auf das Gelände vordringen, dort wollen. Die Vermutungen reichen von der Vorbereitung von Containern für illegale Aktionen durch das Ausrüsten mit einem GPS-Tracker über den Schmuggel von Menschen in Containern bis zu einem groß angelegten Ablenkungsmanöver.
Hamburger Drogenermittler informieren sich in Rotterdam
Um Licht ins Dunkel zu bringen, waren Hamburger Drogenfahnder extra nach Rotterdam gereist, um sich dort über die Masche zu informieren.
In den niederländischen Hafenstädten Antwerpen und Rotterdam ist das Eindringen von solchen Trupps auf die Terminals, meist im Zusammenhang mit Drogenschmuggel, seit Jahren ein Thema. Die Intensität, mit der dies beim Terminal Altenwerder in Hamburg versucht wird, ist aber auch dort den Beamten fremd.
Einbrecher erzwingen wiederholt Stillstand im Terminal
Für das Containerterminal in Altenwerder ist die Situation problematisch. Auf dem Gelände, auf dem 86 autonom fahrende Transporter mit Containern unterwegs sind, steht der Betrieb still, wenn die Polizei nach Verdächtigen sucht.
Dass Drogenschmuggler sich auf den Terminals im Hamburger Hafen herumtreiben, war lange Zeit kein Thema. In den 1990er-Jahren war das anders. Damals wurde Kokain in länglichen Behältnissen wie Seesäcken verpackt, die dann am Schiff im Bereich des sogenannten „Seekastens“ angebracht wurden. Das ist der Bereich, wo Wasser zur Kühlung der Maschine angesaugt wird. 1995 wurden am Hansaport sogenannte Froschmänner überrascht, als sie eine solche Ladung – wegen ihrer Form „Torpedos“ genannt – bergen wollten.
Hafen Hamburg: Kokain ist hochrein und wird erst für Straßenverkauf gestreckt
Später spielte diese Art des Schmuggels keine Rolle mehr. Große Mengen an Kokain aus Südamerika wurden in den vergangenen Jahren wie auch heute in Containern geschmuggelt. Mal ist das Rauschgift in Tarnladungen versteckt, mal ist es direkt in die Wände und im Boden eines Containers eingearbeitet.
Kleinere Mengen im zweistelligen Kilobereich werden oft von Besatzungsmitgliedern oder bestochenen Mitarbeitern von den Terminals geschmuggelt. Das Kokain, das auf diese Weise seinen Weg nach Europa findet, ist hochrein und wird erst hier für den Straßenverkauf gestreckt.
Um was für Mengen es hierbei geht, zeigt ein Fund, der jetzt in Rotterdam gemacht wurde: Zwischen Bananen aus Ecuador entdeckten Zollfahnder 3,5 Tonnen Kokain. In Hamburg hofft man jetzt, dass die Vorkommnisse am CTA einmalig sind. Man befürchtet aber, dass sich die Ermittlungsbehörden auf dieses Phänomen auch im Hamburger Hafen dauerhaft einstellen müssen.