Hamburg. Nach 46 Festnahmen kehrt Ruhe ein im Containerterminal – die Polizei steht vor einem Rätsel. Dafür wurde tonnenweise Kokain gefunden.

Es ist wie abgerissen. Nachdem über Wochen fast täglich Männer aus Holland versuchten, auf das Gelände des Containerterminal Altenwerden (CTA) vorzudringen, ist das Phänomen völlig zum Erliegen gekommen. Bei der Polizei kann man sich nicht erklären, wie es zu dem plötzlichen Wandel gekommen ist. Unklar ist auch weiterhin, was die Männer auf dem Gelände genau wollten. Die zwischenzeitliche Sicherstellung von zehn Tonnen Kokain im Hamburger Hafen, die am 5. Juli stattfand, steht aber laut Sicherheitsbehörden nicht im Zusammenhang mit den Vorfällen auf dem CTA.

In der Nacht vom 10. auf den 11. Juni war erstmals versucht worden, auf das Gelände des Terminals zu gelangen. Danach kam es immer wieder, teilweise mehrfach an einem Tag, zu vergleichbaren Versuchen. Insgesamt 46 Männer wurden festgenommen, die bereits auf das Gelände vorgedrungen waren oder es wollten. In zwei Fällen waren es Täter, die zum zweiten Mal erwischt wurden.

Hafen Hamburg: Einbrecher hatten Bolzenschneider dabei

In nahezu allen Fällen handelte es sich um Niederländer mit Migrationshintergrund. Alle Männer werden der sozial untersten Schicht zugerechnet. Bei ihren Einbruchsversuchen hatten sie Bolzenschneider dabei, die man braucht, um den Zaun zu durchschneiden oder Container zu öffnen.

Die Polizei fand bei den Festgenommenen Plomben, mit denen ein Container wieder versiegelt werden kann. Aber auch Handys und Powerbanks, die eine längere Stromversorgung für mobile Geräte ermöglichen, wurden entdeckt. Auch GPS-Tracker, also Sender zur Standortbestimmung stellte die Polizei bei den Festgenommenen sicher. Vermutet wurde, dass die Täter Drogen, vermutlich Kokain, aus einem außer Kontrolle geratenen Container bergen sollten.

Hamburg neben Rotterdam und Antwerpen Einfallstor für Kokain in Europa

Hamburg ist neben Rotterdam in den Niederlanden und Antwerpen in Belgien, wo in beiden Häfen im vergangenen Jahr rund 200 Tonnen Kokain sichergestellt wurden, eines der drei großen Einfallstore für Kokain. Erst Anfang Juli waren in Hamburg zehn Tonnen Kokain sichergestellt worden, die über den Hamburger Hafen nach Europa eingeschmuggelt werden sollten. Es war einer der größten Funde, die in Hamburg gemacht wurden. Nur 2021 wurde mehr Kokain gefunden. Damals waren es 16 Tonnen des Rauschgifts, die der Zoll entdeckte. Im Fall der zehn Tonnen Kokain Anfang des Monats waren Hamburger Behörden nicht beteiligt. Es war ein Fall des Zollfahndungsamt Stuttgart.

Dies und die Einbruchsversuche haben den Hafen aber erneut in den Fokus gerückt. Für die Betreiber der Terminals war es so etwas wie ein „Warnschuss“. Beim CTA zeigte sich, wie anfällig ein weitgehend automatisierter Terminal ist. Mehrfach kam dort wegen der Eindringlinge die Arbeit zum Erliegen. Damit sind für die Betreiber auch finanzielle Verluste verbunden.

Kriminelle versuchen, „Insider“ von Hafenbetrieben anzuwerben

In der Folge wurde am CTA die Sicherungsmaßnahmen erhöht – laut HHLA „erheblich“. Dabei geht es um die Sicherung des Geländes und zusätzliche Überwachungsmaßnahmen. Unter anderem wird Nato-Draht verbaut, eine besonders effektive Variante des Stacheldrahts. Auch zusätzliche Beleuchtung und Drohnen sollen Eindringlinge fern halten.

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Als besonderes Problem gelten „Insider“, also Mitarbeiter von Firmen, die Zugang zu dem Gelände der Terminals haben. In Sicherheitskreisen geht man davon aus, dass in jedem dritten Fall ein „Insider“ beteiligt ist. Mitarbeiter werden mit hohen Geldsummen angelockt. Machen sie mit, sind sie erpressbar und werden in der Regel weiter eingesetzt, um die Drogenschmuggler mit Insiderwissen und Taten zu unterstützen. Die Hafenwirtschaft hat dieses Problem erkannt., Aktuell werden Konzepte ausgearbeitet, um dieses Phänomen zu bekämpfen.

Hafen Hamburg: Besatzung bringt Drogen in präparierten Westen von Bord

Seit Jahrzehnten ist Hamburg ein „Drogenhafen“. Das Rauschgift wurde früher in sogenannten „Torpedos“ transportiert. Das sind wasserdichte Säcke, die in der Seekiste, einer außen am Schiffsrumpf liegenden Einbuchtung, über die Seewasser zur Kühlung der Maschine angesaugt wird, angebracht waren. So konnten einige Hundert Kilo geschmuggelt werden.

Heute kommt Kokain in der Regel in Containern, mal direkt verbaut, mal hinter Scheinladungen. Auch zwischen Bananen wird immer wieder Kokain gefunden. Kleinere Mengen schmuggeln Besatzungsmitglieder in speziell präparierten Westen von Bord.

Von Hamburg aus wird das Kokain, das meistens in Pakete zu je ein Kilo verpackt ist, verteilt und in kleineren Chargen an Abnehmer aus ganz Europa verkauft. Erst die unteren Dealerebenen stecken das bis dahin hochreine Kokain, um es auf der Straße zu verkaufen.