Hamburg. Von Beust, Ahlhaus, Carstensen: Rot-Grün nimmt mit Liste von 13 Zeugen mögliche Versäumnisse der CDU in Fokus. Die spricht von Ablenkungsmanöver.
Im Parlamentarischen Untersuchungsausschuss „Cum-Ex“, der seit Jahren in Hamburg läuft, planen die Regierungsfraktionen von SPD und Grünen jetzt noch einmal den ganz großen Aufschlag. Es geht um die politische Deutungshoheit: Rot-Grün will die Finanzgeschäfte der früheren HSH Nordbank zu Zeiten der CDU-geführten Senat in der Hansestadt in den Fokus rücken.
So sollen unter anderem die früheren Ersten Bürgermeister Ole von Beust und Christoph Ahlhaus sowie der ehemalige Finanzsenator Wolfgang Peiner und der ehemalige schleswig-holsteinische Ministerpräsident Peter Harry Carstensen (alle CDU) Auskunft über die Finanzgeschäfte der HSH zwischen 2008 und 2011 geben, mit denen die Bank auch unter der Aufsicht von Hamburger CDU-Regierungen Cum-Ex-Geschäfte getätigt hat, wie SPD und Grüne am Mittwochvormittag erklärten. Die Hamburger CDU-Fraktion warf SPD und Grünen vor, „mit Nebelkerzen von der politischen Verantwortung ihres politischen Spitzenpersonals“ ablenken und ein Ablenkungsmanöver starten zu wollen.
PUA „Cum-Ex“: Olaf Scholz und zwölf weitere Top-Politiker werden vorgeladen
Auch Hamburgs Erster Bürgermeister Peter Tschentscher und Bundeskanzler Olaf Scholz (beide SPD) sollen erneut befragt werden. Zwei entsprechende Anträge stellen die Regierungsfraktionen von SPD und Grünen in der heutigen Sitzung des Parlamentarischen Untersuchungsausschusses „Cum-Ex“. Sie sollen den Ausschuss über den externen Prüfungsprozess und die Aufarbeitung der Geschäfte seit 2012 informieren. Die Bank hatte durch ein externes Gutachten der Kanzlei Clifford Chance Aufklärung betrieben. NRW-Ministerpräsident Henrik Wüst wird ebenfalls als Zeuge benannt. Er soll sich den Fragen der Abgeordneten zum Stand der Aufklärung von Cum-Ex-Geschäften der nordrhein-westfälischen Landesbank WestLB stellen.
Möglich wird dieses durch die Ausweitung des Untersuchungsgegenstandes, den der PUA seit mehr als drei Jahren untersucht. Es sei wichtig, dass wir jetzt vorankommen und „Licht ins Dunkel bringen“, sagte Farid Müller, Grünen-Obmann im PUA. „Hinter den Verstrickungen der HSH Nordbank in Cum-Ex-Geschäfte steht noch ein dickes Fragezeichen.“ Unter anderem von ehemaligen Aufsichtsrats- und Vorstandsmitgliedern der Bank aus Hamburg und Schleswig-Holstein erhoffe man sich aufschlussreiche Aussagen, von denen die Aufklärung in dieser Sache langfristig profitieren werde.
Cum-Ex-Geschäfte der früheren HSH Nordbank werden untersucht
Man wolle die Rolle der politisch Verantwortlichen bei den Cum-Ex-Geschäften klären, die die HSH Nordbank (heute: Hamburg Commercial Bank) unter Aufsicht der CDU-Senate zwischen 2008 und 2011 getätigt habe, sagte SPD-Obmann Milan Pein. Seine Fraktion will den Fokus auf die Aufklärung verlegen, die unter SPD-geführten Senaten zu diesen Geschäften betrieben wurde. Von 2013 an habe die HSH die rechtswidrige Geschäftspraxis aufgearbeitet und dazu ein externes Gutachten erstellen lassen sowie BaFin und Staatsanwaltschaft über das Ergebnis informiert, so Pein.
„Keine andere Landesbank hat ihre Cum-Ex-Geschäfte derart frühzeitig und proaktiv von Externen überprüfen lassen und die zu Unrecht erhaltenen Gelder samt Zinsen zurückerstattet.“ Und: „Peter Tschentscher als Finanzsenator und Olaf Scholz als Erster Bürgermeister haben diese Aufarbeitung in ihrer Amtszeit begleitet und können hier wertvolle Hinweise zur Aufklärung liefern“, sagte Pein.
Hamburgs CDU spricht von Nebelkerzen und Ablenkungsmanövern
Die CDU in der Hamburgischen Bürgerschaft reagierte empört auf die Zeugenliste. „Die SPD versucht jetzt gemeinsam mit den Grünen mit Nebelkerzen von der politischen Verantwortung ihres Spitzenpersonals abzulenken und es ist wohl auch der Arroganz der Macht geschuldet, dass SPD und Grüne versuchen, den Aufklärungswillen der Opposition mit solchen Ablenkungsmanövern zu torpedieren“, erklärte Anke Frieling, CDU-Obfrau im PUA „Cum-Ex“: Es gehe ausdrücklich nicht um die Frage, ob 2008 Cum-Ex-Geschäfte durch die HSH Nordbank getätigt wurden, denn dieser Fakt stehe ja bereits fest, sondern wie nach dem Bekanntwerden der damalige SPD-Senat damit umgegangen sei. „Und es geht erneut um die Frage, welchen Einfluss der damalige Bürgermeister Scholz und damalige Finanzsenator Tschentscher genommen haben“, so Frieling.
Auch NRW-Ministerpräsident Henrik Wüst soll geladen werden und im PUA erklären, inwieweit die Rolle seiner Landesbank WestLB als wohl größter Player im Cum-Ex-Geschäft aufgearbeitet worden ist. Ebenfalls soll Peter Harry Carstensen, Ministerpräsident von Schleswig-Holstein von 2005 bis 2012, angehört werden. Insgesamt will Rot-Grün 13 Zeugen vor den PUA laden, darunter vier ehemalige oder amtierende Bürgermeister der Hansestadt. Es sind:
- Ole von Beust (CDU, Erster Bürgermeister vom 2001 bis 2010)
- Sein kurzzeitiger Nachfolger Christoph Ahlhaus (CDU, 2010/2011)
- Wolfgang Peiner (CDU, Finanzsenator von 2001 bis 2006, Vorsitzender des HSH-Aufsichtsrats 2007 bis 2009
- Peter Harry Carstensen (CDU, Ministerpräsident von Schleswig-Holstein von 2005 bis 2012)
- Peter Tschentscher (SPD, Finanzsenator von 2011 bis 2018, Erster Bürgermeister seit 2018)
- Olaf Scholz (SPD, Erster Bürgermeister von 2011 bis 2018, jetzt Bundeskanzler)
- Carsten Frigge (CDU, Finanzsenator 2010 bis 2010)
- Volkmar Schön (CDU, 2001 bis 2010 Chef der Senatskanzlei)
- Michael Freytag (CDU, Finanzsenator als Nachfolger von Wolfgang Peiner 2007 bis 2010)
- Herlind Gundelach (CDU, Finanzsenatorin 2010/2011)
- Rainer Wiegard (CDU, Finanzminister Schleswig-Holstein 2005 bis 2012)
- Monika Heinold (Grüne. Finanzministerin Schleswig-Holstein seit 2012)
- Hendrik Wüst (CDU, seit 2021 Ministerpräsident in NRW)
PUA „Cum-Ex“: Rolle der Hamburger Politik im Fokus
Die beiden bisherigen Befragungen von Scholz im Ausschuss hatten sich auf den Komplex von Cum-ex-Geschäften der Hamburger Warburg-Bank bezogen. Ursprünglich befasste sich das von der Bürgerschaft eingerichtete Untersuchungsgremium nur mit den Vorgängen rund um dieses Institut. Im November 2022 erweiterte es seinen Untersuchungsauftrag allerdings auch auf Cum-Ex-Geschäfte der HSH.
Bei den inzwischen auch höchstricherlich als illegal eingestuften Cum-Ex-Geschäften hatten Banken und andere Finanzinstitute Aktien mit (cum) und ohne (ex) Dividendenanspruch rund um den Dividendenstichtag derart trickreich hin und her verschoben, dass der Fiskus eine nur einmal entrichtete Kapitalertragsteuer mehrfach erstattet hatte – so ließen sich enorme Gewinne erzielen.
- Cum-ex: Aufregung um 700.000 „verschwundene Mails“
- CDU sieht Scholz und Tschentscher als überführt an
- Brisante Personalie belastete Arbeit im Cum-ex-Ausschuss
Im Zentrum der Untersuchungen des PUA stehen illegale Cum-ex-Geschäfte der Hamburger Warburg-Bank und die Rolle der Politik. Im Fall der Warburg-Bank ging es 2016 darum, ob rund 47 Millionen Euro an erstatteten Steuern zurückgefordert werden sollten. Das zuständige Finanzamt in Hamburg war zunächst dafür, entschied sich später in Abstimmung mit der Finanzbehörde aber dagegen. Der PUA soll untersuchen, ob der damalige Bürgermeister und heutige Bundeskanzler Olaf Scholz und der damalige Finanzsenator und heutige Bürgermeister Peter Tschentscher Einfluss auf diese Entscheidung genommen haben.