Hamburg. Zum dritten Mal wird eine Leitung des Arbeitsstabs gesucht. Warburg-Gesellschafter gegen Veröffentlichung von PUA-Zwischenbericht.
Auf dem Parlamentarischen Untersuchungsausschuss (PUA) der Bürgerschaft zur Cum-Ex-Affäre liegt kein Segen. Mehr als drei Jahre nach Beginn der Aufklärungsarbeit ist noch nicht einmal der Zwischenbericht veröffentlicht, die Interpretationen der bisherigen Ermittlungen gehen um 180 Grad auseinander, die Stimmung unter den Abgeordneten ist gereizt, und jetzt muss sich das Gremium bereits zum dritten Mal einen Leiter für den hauptamtlichen Arbeitsstab suchen – was für weiteren Zwist sorgt.
Der bisherige Leiter Steffen Jänicke hatte seinen Posten Ende vergangenen Jahres aufgegeben. Der promovierte Jurist war bis zum 31. Dezember aus der Wissenschaftsbehörde für die Arbeit im PUA abgeordnet, hätte diese „Ausleihe“ aber vermutlich verlängern können – wenn es denn von beiden Seiten gewollt gewesen wäre. Doch dem Vernehmen nach hatte Jänicke daran kein Interesse, was auch mit dem Umgang mit seiner Person zu tun gehabt haben soll.
PUA Cum-Ex: Brisante Personalie löst bei Opposition Bedenken aus
Dazu muss man wissen: Während der Untersuchungsausschuss selbst mit Abgeordneten der Bürgerschaft besetzt ist, die Politik nur in Teilzeit betreiben, wird der Arbeitsstab, der zum Beispiel Berge von Akten auswertet, Zeugenvernehmungen vorbereitet und rechtliche Expertisen verfasst, mit hauptamtlichen Mitarbeitern ausgestattet. Den Vorsitz muss ein Jurist führen. Dies war zunächst der Richter Claudio Kirch-Heim, der jedoch Mitte 2022 in Elternzeit ging.
Ihm folgte mit Steffen Jänicke ein erfahrener Verwaltungsjurist, der für die Bürgerschaft bereits eine Enquetekommission zum Thema Kinderschutz geleitet und im Arbeitsstab des PUA Elbphilharmonie mitgearbeitet hatte – der jedoch auch in der SPD aktiv war. Diese Personalie stieß bei der Opposition daher auf Bedenken.
Fall Warburg: Olaf Scholz und Peter Tschentscher weisen Vorwürfe von sich
Schließlich geht es im PUA um die Frage, ob und inwiefern zwei prominente Sozialdemokraten im Jahr 2016 Einfluss auf die Entscheidung genommen haben, dass die Warburg-Bank rund 47 Millionen Euro an Steuern aus Cum-Ex-Geschäften nicht an den Fiskus erstatten musste: der damalige Bürgermeister und heutige Bundeskanzler Olaf Scholz und der damalige Finanzsenator und heutige Bürgermeister Peter Tschentscher. Während beide jegliche Einflussnahme bestreiten, verweist die Opposition auf eine lange Indizienkette und sieht den Vorwurf daher mehr (CDU) oder weniger (Linke) als erwiesen an. Die SPD betont dagegen, dass der PUA keinen Beweis für diesen Vorwurf gefunden habe.
Für Wirbel sorgte der Arbeitsstableiter erneut, als im Nachhinein bekannt wurde, dass das Landesamt für Verfassungsschutz bei einer routinemäßigen Sicherheitsüberprüfung Bedenken gegen Jänickes Ernennung geäußert haben soll, weil er Kontakte nach Russland habe. Da hatte sich die Bürgerschaftskanzlei jedoch schon darüber hinweggesetzt, auch weil diese Bedenken wohl im Wesentlichen darauf fußten, dass der Jurist mit einer Russin verheiratet ist. Für zusätzlichen Ärger sorgte, dass die Bürgerschaft die Abgeordneten nicht aktiv über den Vorgang informiert hatte.
„Verschwundene“ Mails von Scholz und Tschentscher waren nie verschwunden
Im Herbst 2023 stand der Arbeitsstableiter erneut im Blickpunkt, weil dieser zwei von der Staatsanwaltschaft Köln zur Verfügung gestellte Laptops mit 730.000 Mails aus dem Umfeld von Scholz, Tschentscher und anderen Beteiligten mit in sein Büro genommen hatte. „Skandal“, rief vor allem die CDU, und bundesweit wurde über angeblich „verschwundene“ Beweisstücke berichtet. Tatsächlich waren diese jedoch nie verschwunden, die Vorgehensweise war im Arbeitsstab abgestimmt, auch mit den von der Opposition entsandten Mitgliedern.
- Cum-Ex-Skandal: CDU sieht Scholz und Tschentscher als überführt an
- Cum Ex: Millionenstreit - Hamburg gewinnt vor Gericht gegen Warburg
- Cum-ex-Skandal: Warburg-Anwälte holen zum Rundumschlag aus
Diese Vorgänge hätten Jänicke sehr zugesetzt, heißt es aus Abgeordnetenkreisen. Auch daher sei er gegangen, bevor der von ihm mitverfasste, rund 1000-seitige Zwischenbericht von der Bürgerschaft verabschiedet ist. Das soll am Mittwoch im Ausschuss und Ende Januar im Parlament geschehen.
„Herr Dr. Jänicke hat vorzügliche Arbeit geleistet“, sagt Milan Pein, der SPD-Obmann im Ausschuss – und deutet damit an, dass aus seiner Sicht das Parteibuch kein Ausschlusskriterium bei der Suche nach einem Nachfolger ist. Als größte Fraktion müssen die Sozialdemokraten nun zum dritten Mal einen Vorschlag für die Leitung des Arbeitsstabes machen, was in der Geschichte der Hamburger Untersuchungsausschüsse eine echte Rarität sein dürfte. Nicht nur daher wird die Personalie in der Opposition mit Argusaugen beobachtet.
Linkspartei: SPD sollte Arbeitsstab unabhängig vom Parteibuch besetzen
Norbert Hackbusch, Obmann der Linkspartei, sieht es äußerst kritisch, dass die SPD im Ausschuss nicht nur die größte Gruppe an Abgeordneten stellt, sondern auch den Vorsitzenden (Mathias Petersen) und zudem das erste Vorschlagsrecht für die Leitung des Arbeitsstabes habe. Das entspreche zwar dem PUA-Gesetz, dennoch rate er den Sozialdemokraten: „Die SPD täte gut daran, diesen Dreiklang im Sinne der Aufklärung aufzulösen.“
Von möglichen Überlegungen, Arbeitsstabmitglied Carsten Ernst zum neuen Leiter zu berufen, könne er nur warnen, sagt Hackbusch: „Das geht gar nicht. Herr Ernst kommt aus dem früher von Olaf Scholz geführten Bundesfinanzministerium und hatte dort eine aktive Rolle.“
Auch CDU-Obmann Richard Seelmaecker fordert eine möglichst neutrale Person an der Spitze des wichtigen Gremiums: „Die neue Leitung des Arbeitsstabes sollte nach Eignung, Leistung und Befähigung ausgesucht werden“, sagt er. Er würde es begrüßen, wenn es „der beste Mitarbeiter oder die beste Mitarbeiterin des Arbeitsstabes“ wird, so Seelmaecker. „Denn alle anderen müssten sich erst intensiv in diese hochkomplexe Thematik einarbeiten.“
PUA Cum-Ex: Warburg-Anwälte gegen Veröffentlichung des Zwischenberichts
Dazu gehören auch regelmäßige juristische Auseinandersetzungen mit den Anwälten der Warburg-Bank und deren Gesellschaftern. So haben die Vertreter von Christian Olearius Bedenken gegen die Veröffentlichung des Zwischenberichts angemeldet, weil darin auch das Strafverfahren gegen den Warburg-Gesellschafter vor dem Landgericht Bonn bewertet werde, obwohl dieses noch nicht abgeschlossen sei.
Milan Pein hofft aber, dass sich diese Bedenken nicht durchsetzen. „Der Arbeitsstab hat die vorliegenden Stellungnahmen der Betroffenen-Anwälte geprüft und ist zu der Einschätzung gelangt, dass diese einem Beschluss und einer Veröffentlichung des Zwischenberichts nicht entgegenstehen“, sagt der SPD-Obmann. „Daher gehe ich davon aus, dass der Bericht am Mittwoch beschlossen und dann veröffentlicht werden kann.“