Hamburg. In Zeiten rassistischer Videos rufen Politik und Medien beim Treffen der Rathausjournalisten zu Mäßigung auf. Für Heiterkeit sorgt ein Film.

  • Hamburgs Politik und Medien treffen sich im Hotel Grand Elysée
  • Unter anderem geht es auch um Rassismus und Hass im Internet
  • Ein Video mit Olaf Scholz sorgte derweil für einige Lacher

Es ist wohl eine der größten Kontaktbörsen der Stadt: Wenn 400 prominente Gäste – Politiker, Journalisten, Unternehmer und viele andere, in Hamburg zum Jahrestreffen der Landespressekonferenz (LPK) ins Hotel Grand Elysée von Unternehmer Eugen Block kommen, dann geht es ans Eingemachte, ganz ohne Mikrofon oder Kamera, Block oder Bleistift.

Viel gesprochen wurde an diesem Abend über die Angriffe auf Politiker und die Entgleisungen auf Sylt, bei denen Gäste bei Partys in mehreren Clubs, insbesondere im Pony in Kampen, rassistische Parolen gegrölt haben. Und so sprach auch Peter Ulrich Meyer, Abendblatt-Journalist und Vorsitzender der Landespressekonferenz, gleich zu Beginn Klartext, als er die zunehmende Verrohung im politischen Umgang beklagte und SPD, Grünen, CDU, der Linken und der FDP ein Fairnessabkommen für den Bürgerschaftswahlkampf 2025 vorschlug.

Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) griff den Ball auf. „Wir machen uns sehr viel Sorgen um die Resilienz der Demokratie und welche Aufgaben auf Politik und Demokratie zukommen, um die Demokratie zu schützen“, sagte Tschentscher. Früher habe es bei aller Kritik eine Grundzufriedenheit der Menschen in Deutschland gegeben. Aber die Negativspirale drehe sich inzwischen so weit, dass man bei einigen regelrecht von Hass sprechen könne.

Hass und Frust entladen sich auch in Hamburg

„Dass sich Hass, tief sitzender Frust, das Gefühl des Nicht-gehört-Werdens und Abgehängt-Seins – oder eine Mixtur aus allem – in direkter Aktion entlädt, im Netz sowieso, aber auch von Angesicht zu Angesicht auf der Straße, bisweilen auch unter Preisgabe ihrer Anonymität durch die Täter, das ist in dieser Massivität in der Tat neu“, hatte Peter Ulrich Meyer zuvor gesagt. Es bleibe nicht bei Beschimpfungen und Bedrohungen, sondern die Attacken schlügen vielfach in körperliche Gewalt um.

Die Hamburger PR-Unternehmerin Alexandra von Rehlingen und ihr Mann Matthias Prinz.
Die Hamburger PR-Unternehmerin Alexandra von Rehlingen und ihr Mann Matthias Prinz. © FUNKE Foto Services | Roland Magunia

Auch Hamburg sei da keine Insel der Glückseligen. Die Polizei habe hier seit 2021 insgesamt 241 Beschimpfungen, Übergriffe auf Politiker und Beschädigungen oder Zerstörungen von Wahlplakaten registriert; erst kürzlich griff ein SPD-Bezirksabgeordneter beim Befestigen eines Plakats in eine dort präparierte Rasierklinge.

„Wenn Wahlkämpferinnen und -kämpfer gehäuft bedroht und attackiert werden, dann ist die freie Meinungsäußerung und damit auch die Demokratie gefährdet“, so Meyer.

Menschen informieren sich in sozialen Medien – Ausgangspunkt von Hass

Es komme auch auf die Medien an, gerade auf die Regionalmedien vor Ort, aber Reichweiten und Auflagen vieler Medien sinken, sagte der LPK-Vorsitzende und erinnerte an das Abschmelzen der „Bild“-Redaktion und das weitgehende Ende der Printausgabe der „Mopo“. „So wie sich eine erschreckend hohe Zahl von Menschen offenbar vom demokratischen System abgewandt hat, so gilt das auch für die etablierten Medien.“ Menschen bezögen ihre politischen Informationen zunehmend aus den sozialen Medien, die wiederum einer der Ausgangspunkte für Hass seien.

Unter den Gästen: Bischöfin Kirsten Fehrs (l.) und Altonas Bezirksamtsleiterin Stefanie von Berg.
Unter den Gästen: Bischöfin Kirsten Fehrs (l.) und Altonas Bezirksamtsleiterin Stefanie von Berg. © FUNKE Foto Services | Roland Magunia

„Nennen wir die Dinge beim Namen: Für mich steht außer Frage, dass die Verrohung der politischen und gesellschaftlichen Debatte mit Aufstieg und Erstarken der AfD zu tun hat. Und zur Ehrlichkeit gehört: Wir, die wir uns für die pluralistische Demokratie und gegen Hass und Hetze einsetzen, haben noch immer kein wirksames Rezept gegen diese Partei gefunden“, sagte Meyer. „Und zeigt nicht das verstörende und skandalöse Video von der Feier im Pony in Kampen mit den rassistischen Gesängen offensichtlich ganz gut situierter Menschen, dass der Hass und das Ressentiment längst in der Mitte der Gesellschaft angekommen sind? Zur Wahrheit gehört, dass wir auch ein Erstarken islamistischer Tendenzen beobachten müssen – auch in Hamburg, wie die Kalifats-Demonstrationen zuletzt gezeigt haben.“

LPK-Vorsitzender Meyer: Nicht jeder Fehler ist gleich ein Rücktrittsgrund

Auch zwischen den demokratischen Parteien gebe es in Hamburg eine „gewisse Zuspitzung“. „Manchmal ist es besser, sprachlich etwas abzurüsten und trotz der notwendigen Auseinandersetzung um die Deutungshoheit sachlicher und differenzierter zu argumentieren. Nicht jede aus Sicht der Opposition falsche Entscheidung des Senats bedeutet gleich den Untergang des Abendlandes. Nicht jede Fehlleistung eines Senatsmitglieds muss zwangsläufig in eine Rücktrittsforderung münden.“

Andererseits könne die Bereitschaft, das eigene Handeln auch mal kritisch zu durchleuchten, die Authentizität der Regierenden erhöhen. „Manchmal treibt es Rot-Grün mit dem Selbstlob meiner Ansicht nach doch zu weit“, sagte Meyer. Das könne dazu führen, dass sich Bürgerinnen und Bürger in ihrer Kritik nicht ernst genommen fühlten. „Gerade in der jetzigen Zeit der politischen und gesellschaftlichen Polarisierung finde ich es übrigens richtig und angebracht, wenn SPD, Grüne, CDU, Linke und FDP ein Fairnessabkommen für den Bürgerschaftswahlkampf abschließen würden.“

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Ob er diesen Vorschlag der Rathausjournalisten-Vereinigung aufgreifen und weiterverfolgen werde, ließ Bürgermeister Tschentscher offen. Bei aller Sorge sang er ein Loblied auf den Medienstandort Hamburg, der mit „Zeit“, „Spiegel“, „Stern“, „Tagesschau“ und „Tagesthemen“, dpa und NDR, Radio Hamburg, „Mopo“, „Bild Hamburg“, „Welt“ und „Welt am Sonntag“ sowie dem Hamburger Abendblatt, „einer der erfolgreichsten Regionalzeitungen Deutschlands, die täglich eine halbe Million Menschen erreicht“, in seiner Vielfalt für ein ausgewogenes Gesamtbild sorge und so die Demokratie schütze. Medien und Politik säßen – ohne jede Kumpanei – im selben Boot. „Wir leben beide von Glaubwürdigkeit und Vertrauen.“

Film mit Olaf Scholz sorgt für Heiterkeit

In einem Film hatte sich zuvor Autor Peter Kleffmann die Hamburger Politik mit spitzem Humor vorgenommen und den Bogen gespannt von der Köhlbrandbrücke („Alte Liebe rostet nicht – von wegen“) bis zur unklaren Zukunft des Elbtowers („Wie beim Fußball, alle sind Trainer“). Für Heiterkeit sorgte ein Filmausschnitt, in dem Olaf Scholz in seiner quasi letzten Amtshandlung als Bürgermeister der Hansestadt die Elbtower-Pläne vorstellte und erfolgsgewiss erklärte, wenn der Elbtower fertig sei, dann wünsche er sich, dass die Hamburger sagten, das habe er – Scholz – gut gemacht.

NDR-Video mit Satire von Extra 3 zu Elbtower

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    Danach sieht es derzeit nicht so richtig aus. Es jucke ihn, den Film an der ein oder anderen Stelle zu kommentieren, sagte Tschentscher. Er tat es aber nicht.