Hamburg. Hamburgs Sicherheitsbehörden äußern sich zu neuem Aufzug am Sonnabend. Verboten hätten sie ihn ja – warum das aber nicht geklappt hat.

Mit einem Verbot der nächsten Demonstration der islamistischen Gruppierung „Muslim Interaktiv“ am kommenden Sonnabend dürften ohnehin die wenigsten gerechnet haben, nachdem ja schon die erste vor zwei Wochen zustande gekommen war. Aber weil diese Kundgebung in Hamburg Ende April bundesweit und international für sehr viel Empörung gesorgt und extrem unschöne Bilder produziert hatte – auf Plakaten verewigte Forderungen nach einem „Kalifat“ eingeschlossen –, wollten Hamburgs Sicherheitsbehörden am Mittwoch zumindest einordnend Stellung nehmen. Dafür hatten sie am Morgen spontan zu einer nur vier Stunden später angesetzten Pressekonferenz ins Hamburger Polizeipräsidium geladen.

Auf dem Podium standen jene Fachleute, die in Hamburgs Sicherheitsarchitektur den Ton angeben: Hamburgs Innensenator Andy Grote (SPD), Polizeipräsident Falk Schnabel, Verfassungsschutzchef Torsten Voß, LKA-Chef Jan Hieber und der Leiter der Schutzpolizei, Matthias Tresp. Es war ihnen allen anzumerken, wie sehr sie bedauerten, dass die Versammlungsbehörde auch den nächsten Aufmarsch der Islamisten genehmigen muss.

„Kalifat“-Demo erlaubt: Keine rechtliche Prämisse für ein Verbot

Wohlgemerkt muss. Denn hätte es sich irgendwie rechtlich bewerkstelligen lassen, hätte man die Demonstration untersagt, lautete der Tenor unisono. Ein Verbot, so Polizeipräsident Schnabel, werde sich rechtlich aber nicht halten lassen. Allerdings seien die Auflagen verschärft und etwa Forderungen nach einem Kalifat auf deutschem Boden untersagt worden.

Außer Frage stehe, dass der Islamismus eine „sehr große Gefahr“ sei, sagte Innensenator Grote. In diesem Bereich setze man Verbote auch konsequent um, da sei Hamburg Vorreiter in Deutschland. So seien etwa propalästinensische Demos von „Muslim Interaktiv“ in Hamburg bereits erfolgreich unterbunden worden.

„Kalifat ist die Lösung“ - eines der umstrittenen Schilder bei der Demonstration der islamistischen Gruppe „Muslim Interaktiv“ vor knapp zwei Wochen auf dem Steindamm in Hamburg.
„Kalifat ist die Lösung“ - eines der umstrittenen Schilder bei der Demonstration der islamistischen Gruppe „Muslim Interaktiv“ vor knapp zwei Wochen auf dem Steindamm in Hamburg. © dpa | Axel Heimken

Offenbar stellt sich die Sachlage im Fall der Islamisten-Demos aber anders dar: Deren erste Versammlung Ende April sei so „intensiv geprüft“ worden wie nie zuvor. Man habe alle rechtlichen Möglichkeiten voll ausgeschöpft. So wollte es auch Polizeipräsident Falk Schnabel verstanden wissen: Die Versammlungsbehörde, die Demonstrationen in Hamburg genehmigen oder verbieten kann, sei „streng“ und reize das Recht aus. Doch müsse man auf dem „Boden des Rechtsstaats“ bleiben. Im Ergebnis, so Grote, gebe es keine rechtliche Prämisse für ein Verbot. „Das ist schmerzhaft.“ Klar sei aber auch: „Wir können nicht das Grundgesetz verteidigen, indem wir es missachten“.

Islamisten kennen sich mit dem Gesetz gut aus: Keine Straftaten feststellbar

Mit dem Gesetz wiederum scheinen sich die Islamisten gut auszukennen. Sie sind sich offenbar voll bewusst, dass schon ein kleiner Fehltritt das Aus ihrer Demo-Ambitionen bedeuten könnte. Etwaige Verstöße, die ein Verbot begründen könnten, oder gar Straftaten, sind laut Generalstaatsanwaltschaft bei der ersten Demo Ende April nicht festgestellt worden. Und auch mit Blick auf die nächste in drei Tagen gebe es „keine Hinweise auf Straftaten“, so die Einschätzung des Hamburger Landeskriminalamtes.

Wie berichtet, wollen die Islamisten am kommenden Sonnabend erneut in der Hamburger Innenstadt demonstrieren – diesmal nicht als stationäre Kundgebung, sondern als Aufzug, der vom Steindamm in die Mönckebergstraße führt. Eine entsprechende Anmeldung lag der Versammlungsbehörde seit Freitag vor. Nach Abendblatt-Informationen ist der Anmelder der Student Joe Adade Boateng (25), in einschlägigen Kreisen bereits bekannt. Außerdem soll es eine Gegendemonstration geben, die etwas größer organisiert werden soll als die vom vergangenen Wochenende.

Islamisten in Hamburg: Mehr Auflage für die Demo am kommenden Sonnabend

Wie schon im April solle es aber die Auflagen geben, dass nicht zur Gewalt aufgerufen und das Existenzrecht Israels nicht geleugnet werden dürfe. Als zusätzliche Auflage solle nun auch die Forderung eines Kalifats auf deutschem Boden nicht erlaubt werden, so Polizeipräsident Schnabel. Weitere Einschränkungen seien Bestandteil der laufenden Kooperationsgespräche, sagte Matthias Tresp, der als Leiter der Schutzpolizei auch die Versammlungsbehörde verantwortet. Dazu gehörten die Marschroute und auch das Verbot einer sichtbaren Geschlechtertrennung. Der Anmelder habe sich bei den bisherigen Absprachen kooperativ gezeigt.

Diesmal werden wie schon bei der vorangegangenen Kundgebung Ende April rund 1000 Demonstranten erwartet. Die Polizei will nach Angaben von Tresp die Versammlung mit einem Großaufgebot begleiten. Auch Dolmetscher, Islamwissenschaftler und Fachleute des Staatsschutzes seien eingeplant, um mögliche Verstöße und Straftaten einordnen zu können.

Erste Islamisten-Demo mit „Kalifat“-Forderung Ende April hatte für Empörung gesorgt

Eine erste Demonstration, hinter der die vom Verfassungsschutz beobachtete Gruppe „Muslim Interaktiv“ steckt, hatte Ende April für Empörung gesorgt, weil dort unverhohlen gefordert wurde, ein „Kalifat“ zu errichten. Das ist ein islamisch geprägter Staat unter Führung eines Kalifen, der als „Stellvertreters des Gesandten Gottes“ herrscht. Mehr als 1000 Islamisten waren aufmarschiert. Die geplante Demonstration am kommenden Sonnabend war unter dem Tenor „Gegen Zensur und Meinungsdiktat“ angemeldet worden. Ab 16 Uhr wollen die Teilnehmer auf dem Steindamm demonstrieren und von dort weiterziehen. Die Demonstration soll bis 18 Uhr gehen.

Schon am vergangenen Sonnabend hatte CDU-Fraktionschef Dennis Thering erklärt: „Wir müssen alles dafür tun, dass solche Szenen nicht zur Normalität werden und solche hässlichen Bilder aus Hamburg nicht weiter um die Welt gehen. Die verstörenden Bilder von Kalifat-Verherrlichung und ,Allahu Akbar‘-Rufen am Hamburger Steindamm dürfen sich nicht wiederholen.“ Auch die AfD will den Aufzug „unter allen Umständen verhindern“.

Hamburgs CDU-Chef Dennis Thering: Senat zeigt nicht genügen Härte gegen Demokratiefeinde

Am Montag forderte Thering das Verbot einer weiteren Demonstration der Gruppe Muslim Interaktiv. „Das ist keine friedliche Versammlung, sondern eine Machtdemonstration von radikalen Islamisten.“ Allerdings hatte man seitens der Versammlungsbehörde bereits vor der erste Islamisten-Demo Ende April intensiv ein Verbot geprüft – mit dem Ergebnis, dass die Demonstration stattfinden konnte, wie es im Nachgang hieß. „Wer wider besseres Wissens, wider Recht und Gesetz fordert, man müsse so eine Versammlung einfach mal verbieten, der kann den Schutz des Grundgesetzes nicht für sich in Anspruch nehmen. Wir können das Grundgesetz nicht verteidigen, indem wir es selber missachten“, sagte Innensenator Andy Grote auf der Pressekonferenz.

Am Mittwoch, kurz nachdem bekannt wurde, dass der neue Aufmarsch genehmigt worden ist, legte Thering noch einmal nach: „Es ist schier unerträglich, dass ‚Muslim Interaktiv‘ am kommenden Samstag erneut öffentlich das Kalifat verherrlichen darf. Diese Bilder sollten sich nicht wiederholen und es bleibt ein Rätsel, warum der rot-grüne Senat hier erneut diese Anmeldung zulässt“, sagte Thering. Und weiter: „Ich stimme mit dem Co-Bundesvorsitzenden der Grünen überein, dass wer ein Kalifat fordere und damit die demokratische, freiheitliche Grundordnung ablehne, einen guten Grund liefere, warum nicht nur die Demo verboten werden sollte, sondern auch die Organisation, die so etwas will. Doch leider haben SPD und Grüne unseren Verbotsantrag von ‚Muslim Interaktiv‘ nicht nur abgelehnt, sondern zeigen auch ansonsten nicht genügend Härte gegen die Feinde unserer Demokratie!“

Demo in Hamburg: „Muslim Interaktiv“ mobilisiert bereits im Internet

Im Internet wird bereits von „Muslim Interaktiv“ wieder für den Islamisten-Aufmarsch mobilisiert. Einer der Wortführer in den sozialen Medien ist Lehramtsstudent Joe Adade Boateng. Der 25 Jahre alte Sohn eines Ghanaers und einer Deutschen tritt dort immer wieder auf. Der Verfassungsschutz stuft ihn als „führendes Mitglied“ ein. Er ist mittlerweile zum „Gesicht der Islamistenszene“ in den sozialen Medien geworden.

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Bei Boateng hatte es im vergangenen November eine Durchsuchung gegeben, die im Zusammenhang stand mit einer pro-palästinensischen Demonstration am Steindamm. Dort wurden Hassparolen gegen Israel skandiert und die Polizei attackiert. „Muslim Interaktiv“ hatte danach Videos und Fotos der verbotenen Demonstration bei X, TikTok sowie Instagram veröffentlicht.

„Muslim Interaktiv“ steht nach Erkenntnissen der Sicherheitsbehörden der 1953 gegründeten islamistischen und in Deutschland verbotenen Organisation Hizb ut-Tahrir nahe und übernimmt deren Propaganda.