Hamburg. Schüler singen in Louisenlund zu „L‘amour Toujours“ ebenfalls „Deutschland den Deutschen“ und „Ausländer raus“. Die Polizei ermittelt.
Nach den Vorfällen auf Sylt, bei denen Gäste bei Partys in mehreren Clubs rassistische Parolen gegrölt haben, gerät ein weiterer Ort in Schleswig-Holstein ins Visier: Bei einer Feier im Elite-Internat Louisenlund in der Nähe von Schleswig, in das traditionell auch Familien aus Hamburg ihre Kinder schicken, ist es ebenfalls zu Nazi-Gesängen gekommen.
Bei einer Schülerdisco, dem sogenannten Schülerhaus, hat eine Gruppe genau wie im Pony Club in Kampen auf Sylt Nazi-Parolen gegrölt – zur Melodie des Songs „L’amour Toujours“ von DJ D’Agostino. Die Kieler Bezirkskriminalinspektion hat bereits die Ermittlungen aufgenommen.
Nach Sylt: Feier im Internat Louisenlund wurde nach Nazi-Gesängen abgebrochen
„Nachdem sich mehrere, scheinbar vornehmlich männliche Schüler auf der Tanzfläche bemüßigt fühlten, einen Chor mit dem Gesang ,Deutschland den Deutschen! Ausländer raus!‘ zu bilden, haben wir das Schülerhaus sofort beendet“, hieß es zunächst in einem internen Schreiben einer Mitarbeiterin des Schülerhaus-Teams an das Kollegium von Louisenlund, das dem Abendblatt vorliegt. „Enttäuschend ist, dass sich scheinbar wirklich viele Schüler dem Gesang angeschlossen haben und der Rest nichts dagegen gesagt oder getan hat.“
Am Montag äußerte sich dann die Stiftung Louisenlund offiziell zu dem Vorfall und bestätigte diesen: Bei den Schülerhauspartys, die am Donnerstagabend stattfinden, würde regelmäßig zu DJ-Musik getanzt. Am 23. Mai hätten an der Feier um 21.15 Uhr „geschätzt 40 Schülerinnen und Schüler im Schülerhaus, an der Theke und auf der Tanzfläche“ teilgenommen. Zu diesem Zeitpunkt hätten drei Internatspädagogen die Jugendparty begleitet, hieß es von Peter Rösner, Leiter der Stiftung Louisenlund.
Nazi-Gesänge: Pädagogin hat auf der Feier ein „Ausländer raus“ gehört
Das DJ-Team kenne den Musikgeschmack der Schülerschaft und lege entsprechend auf. Zum regelmäßigen Repertoire gehöre das Lied „L‘ Amour Toujours“ von D‘Agostino, auch an diesem Abend. „Eine unserer Internatspädagoginnen hatte den aktuell in den Medien intensiv dargestellten Vorfall dazu verfolgt und war entsprechend aufmerksam. Sie glaubte aus der allgemeinen Lautstärke ein „Ausländer raus“ gehört zu haben“, beschrieb Rösner den Verlauf der Party. „Da die Pädagogin an der Theke direkt neben dem Hauptschalter der Lautsprecheranlage stand, hat sie reflexartig sofort die Anlage abgestellt, ging auf die Tanzfläche und hat die Schülerschaft deutlichst auf ihr offensichtliches Fehlverhalten hingewiesen“.
Die Aufsicht habe die Feier beendet und die Beteiligten „zum Nachdenken ins Bett geschickt und mit einigen direkt noch ein Gespräch geführt“, so Rösner. Sie seien völlig überrascht gewesen von der Heftigkeit der Reaktion, betonten, sie wären doch nicht fremdenfeindlich und hätten nur das Video nachahmen wollen, sollen sie mit Blick auf den gefilmten Fall in der Pony Bar auf Sylt gesagt haben.
Rassismus-Vorwurf: Schüler werden für eine Woche suspendiert
Viele Schüler hätten zudem nach eigenen Angaben wegen der Lautstärke der Musik die Gesänge gar nicht wahrgenommen. „Einige dachten, es wäre bereits 21.30 Uhr, wo regelmäßig „10er raus“ skandiert wird, weil der 10. Jahrgang dann die Party verlassen und zum Alkoholtest muss“, ergänzte Rösner.
Die Folgen für die acht Schüler, die mitgesungen haben: Sie werden für eine Woche vom Internatsbetrieb suspendiert. „In dieser Woche werden sie sich ehrenamtlich für eine sozial tätige Organisation engagieren“, teilte Rösner zu den Konsequenzen von seiten der 1949 von Friedrich zu Schleswig-Holstein gegründeten Schule mit. Die Ermittlungen der Polizei stünden derweil noch „ganz am Anfang“, sagte ein Sprecher der Polizeidirektion Kiel auf Anfrage des Abendblatts. Sollten Parolen wie „Deutschland den Deutschen – Ausländer raus“ gefallen sein, könnte hier eine Volksverhetzung vorliegen.
Zwischenzeitlich wurden nicht nur in der Pony Bar, sondern auch an weiteren Orten auf Sylt Ermittlungen wegen vermutlicher Rassismus-Vorfälle aufgenommen. Betroffen sind die Feier-Location Sturmhaube und der Club Rotes Kliff.
Nach Sylt: Bildungsministerium zu ausländerfeindlichen Äußerungen von Schülern
Vom Bildungsministerium in Schleswig-Holstein heißt es zu dem folgenschweren Abend auf Louisenlund, man habe „unverzüglich eine Überprüfung der Vorfälle durch die Schulaufsicht“ veranlasst. Allerdings handele es sich bei dem Internat um eine „private Ersatzschule“, ergänzte der Sprecher des Ministeriums, diese unterstehe nicht dem Aufsichtssystem der öffentlichen Schulen.
Auch wenn es sich „nicht um eine öffentliche Schule handelt“, betonte der Sprecher, „so ist der Schulaufsicht das Internat Louisenlund als Schule mit einer ausgeprägten Demokratiekultur bekannt, in der Schülerinnen und Schüler verschiedener Nationen zusammenleben“.
Ministerin Karin Prien: Es ist „kein Scherz, solche Parolen zu singen“
Bildungsministerin Karin Prien äußerte sich besorgt über das Geschehen in der Einrichtung, die auch bekannte Hamburger wie Kaffee-Unternehmer Albert Darboven, Reeder Nikolaus W. Schües und Bankier Max M. Warburg durchlaufen haben. „Allen Schülerinnen und Schülern muss klar sein, dass es kein Scherz ist, solche Parolen zu singen. Jugendlicher Überschwang oder auch Alkohol sind keine Rechtfertigung für ausländerfeindliche Gesänge“.
Die CDU-Politikerin befürchtet, „dass wir uns darauf einstellen müssen, dass es zu Nachahmungen kommt. Jugendliche haben schon immer bewusst gesellschaftliche Tabus gebrochen. Es ist daher eine Aufgabe für uns alle, mit den jungen Menschen ins Gespräch zu kommen, um ihnen zu verdeutlichen, welche Tragweite solche Gesänge haben“.
Das Internat an der Schlei wirbt mit einem edlen Ambiente um seine Schüler. Ebenso wie die Pony Bar auf Sylt gilt das Haus als ein elitärer Treffpunkt, immerhin müssen die Eltern hier jährlich ein Schulgeld von rund 50.000 Euro zahlen, Beschäftigungen wie Segeln oder Golf werden geboten.
Rassismus-Eklat: Stiftung Louisenlund verweist in internem Schreiben auf Werte
Das Internat reagierte auf den Vorfall auch in einem Brief unter anderem an die Eltern: „Die Stiftung Louisenlund steht für Toleranz, Völkerverständigung, Weltoffenheit – und wendet sich gegen jede Form von Ausgrenzung, Rassismus oder Ausländerfeindlichkeit. Diese Werte sind unser fundamentaler Erziehungsauftrag“, heißt es in dem Schreiben, das auch an Schüler und Lehrer ging.
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„Ich betrachte diesen Vorfall als gute Lerngelegenheit für unser gemeinsames Ziel, junge Menschen zu erziehen, die Masseninstinkten nicht unterworfen sind und in der Zukunft Verantwortung für sich selbst und die Gesellschaft übernehmen“, schreibt Rösner, der zudem betonte, Louisenlund sei keine „Nazi-Schule“.