Hamburg. VCD legt detaillierten Plan vor. Was die Vorteile wären und warum man ein Hamburger Großprojekt der Bahn dann stoppen könnte.
In einem unübersichtlichen Puzzle von gewaltigen Hamburger Bauprojekten mit der S-Bahn, der Hochbahn und der Deutschen Bahn hat der Verkehrsclub Deutschland (VCD) einen überraschenden Vorschlag gemacht. Die junge Gruppe aus dem Nord-Ableger des klimaschutzorientierten Mobilitätsvereins schlägt vor, einen neuen Hamburger Hauptbahnhof zu bauen. Er soll, so der detailliert ausgearbeitete Plan von Jonas Spanier, am heutigen Bahnhof Berliner Tor entstehen. Dort kreuzen sich bereits U- und S-Bahn-Linien.
Dem VCD schwebt vor, hier auf zwei Ebenen einen Hauptbahnhof zu errichten, der den heutigen in St. Georg mit 550.000 täglichen Besuchern entlasten soll. Durch eine neue Streckenführung könnten der Nord-Süd- und der Ost-West-Verkehr durch diesen neuen Knotenpunkt leichter und schneller abgewickelt werden, als es wegen der kompliziert gewachsenen Strukturen heute der Fall ist.
Mit einem neuen Hauptbahnhof an dieser Stelle könnte, so die Argumentation des VCD, der geplante Verbindungsbahnentlastungstunnel (VET) wegfallen. Die Milliardenausgaben dafür wären für einen Neubau frei.
Verkehr Hamburg: neuer Hauptbahnhof oder Verbindungsbahnentlastungstunnel?
Ob hier Rechnung und Zeitplan aufgehen, ist nicht sicher. Die Idee, die Verbindungsbahn vom derzeitigen Hauptbahnhof Richtung Altona oder Diebsteich zu entlasten, sei allerdings so vernünftiger zu erreichen, sagte VCD-Planer Spanier.
Die Fahrten zum ICE-Werk nach Eidelstedt könnten zum Beispiel vom Berliner Tor über die Güterumgehungsbahn stattfinden. Diese Strecke zum Teil durch Hamburger Quartiere wie Wandsbek, Barmbek, Alsterdorf, Eppendorf und Lokstedt soll auf zwei Gleise ausgebaut werden.
Spanier sagte bei einer Präsentation vor Experten: „Hinzu kommt, dass die Überlastung der Verbindungsbahn, der der VET entgegenwirken soll, zu mehr als der Hälfe aus Zu- und Abführungsfahrten der Fernverkehrszüge zum beziehungsweise vom Hauptbahnhof, also eigentlich Betriebsfahrten, resultiert.“
Das heißt, dass die Züge weitgehend leer fahren. Und um die Verbindungsbahn von Leerfahrten zu entlasten, müsse man nicht einen Teil Hamburgs für einen Milliardenbetrag sechs Kilometer lang neu untertunneln, spottet der VCD. Spanier sagte: „VET bedeutet also: Milliarden für die Fahrt aufs Abstellgleis.“
Leerfahrten auf der Hamburger Verbindungsbahn?
Linken-Verkehrspolitikerin Heike Sudmann sagte dem Abendblatt: „Jonas Spanier zeigt, was weder Bahn noch der Verkehrssenator hören wollen. Es gibt gute Alternativen zu den offiziellen Planungen. Gewissenhaft und fachlich fundiert schlägt Spanier Maßnahmen vor, die das heutige Nadelöhr Hauptbahnhof massiv entlasten, den VET überflüssig machen und auch noch mehr Bahnkapazitäten schaffen.“ Der Vorschlag habe eine ernsthafte Prüfung durch die DB und den Senat verdient. „Als Verkehrsausschussvorsitzende wünsche ich mir, diese und weitere Alternativen auch im Ausschuss diskutieren zu können.“
Der VET soll die S-Bahnen künftig unterirdisch zwischen Hauptbahnhof und Altona/Diebsteich führen. Zusätzlich zum Tunnel sind mehrere neue Halte in offener Bauweise zu errichten. Der VET wird auch „Ferlemann-Tunnel“ genannt, weil der damalige Staatssekretär im Verkehrsministerium, Enak Ferlemann (CDU), die Idee für die meisten überraschend in Hamburg präsentierte.
Man mag der Idee eines neuen Hauptbahnhofs das Wort „Schnaps“ voranstellen. Dafür ist die Überlastung des traditionsreichen Knotenpunkts derzeit aber zu ernst. Auch der VET kam zunächst wie Ferlemann aus der Kiste.
Hamburg, der Bund und die Bahn haben aber bislang alle Anstrengungen unternommen, um das Mega-Projekt zu realisieren. Und spleenig klingende Ideen hatte das Verkehrsministerium in Berlin für Hamburg augenscheinlich zur Genüge.
Verkehrsministerium schlägt zweiten neuen Hamburger Bahntunnel vor
Bevor Ferlemann mit Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) abgewählt wurde – seitdem sitzt er als Abgeordneter im Bundestag –, hatte er Anfang 2020 ein Schreiben an den Hamburger Staatsrat Andreas Rieckhof verfasst. Darin schlug er vor, den Verbindungsbahnentlastungstunnel noch zu ergänzen, um einen Fernbahntunnel, der „im Bereich Wilhelmsburg“ beginnen sollte, unter der Elbe durch die HafenCity („optionale Regionalbahnstation Lohsepark“) bis zum Hauptbahnhof und sogar etwas weiter gebohrt wird.
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Seine unterirdischen Gleise sollen dort quer zu den heutigen Fernbahngleisen liegen und eine wendefreie Weiterfahrt Richtung Kopenhagen erlauben. VCD-Mann Spanier hat sich gedacht: Wenn ein hochrangiger Politiker von zwei Riesentunneln träumt, darf ein Nachdenken über einen neuen Hauptbahnhof wohl erlaubt sein.