Hamburg. Zahl der Attacken gegen Bahn-Mitarbeiter ist auf einem Höchststand. Aktuelle Fälle aus Hamburg zeigen, wie gefährlich der Job geworden ist.
In Klecken war Endstation für den Angreifer. Der 22 Jahre alte Mann hatte um 3.20 Uhr in der Früh zwei Frauen im Zug von Hamburg nach Bremen sexuell belästigt. An dem Halt in der Nordheide im Landkreis Harburg warf der Zugbegleiter ihn hinaus. Doch wer möchte schon mitten in der kalten Frühlingsnacht in einer kleinen Gemeinde am Rand der Nordheide stehen?
Der junge Mann versuchte, zurück in einen Waggon zu steigen und griff den Zugbegleiter an. Der konnte sich erfolgreich wehren und die Bundespolizei Bremen verständigen, die sich um den Täter kümmerte.
Deutsche Bahn Hamburg: Immer mehr Übergriffe! Kontrolleure tragen nun Bodycams
Ein Fall von Tausenden jedes Jahr im Regional- und Fernverkehr der Deutschen Bahn und der privaten Gesellschaften wie Metronom. Wer im Zug kriminell wird, übermäßig tief ins Glas geschaut oder einfach kein Ticket hat, pöbelt am häufigsten gegen die Zugbegleiter. Und dann wird es gefährlich.
3144-mal sind bundesweit Zugbegleiterinnen und -begleiter im vergangenen Jahr angegriffen worden, sagte eine Bahnsprecherin dem Abendblatt. Das ist ein neuer Höchststand. 2021 waren es 2582 Fälle von Gewalt, im Jahr 2022 dann ein erheblicher Anstieg um 21 Prozent auf 3138 Taten.
Deutsche Bahn: Vermehrt Angriffe auf Zugbegleiter
Dabei muss man wissen, dass die Zahl der Fahrgäste zwar zunächst während der Corona-Pandemie eingebrochen war. Doch Zugbegleiter hatten auch auf die Maskenpflicht hinzuweisen – ein Konflikt mit uneinsichtigen Fahrgästen. Dann kam das 9-Euro-Ticket, das für einen Ansturm auf die Züge und ein Plus an Übergriffen verantwortlich sein dürfte.
Die Bahn sieht die Zugbegleiter als „Blitzableiter“. Denn in 62 Prozent der Fälle wurden sie angegriffen, in 31 Prozent Sicherheitsleute. Die Sprecherin sagte: „Wesentlicher Auslöser für Gewalt gegen Zugpersonal sind nicht vorhandene oder ungültige Tickets, für Gewalt gegen Sicherheitskräfte die Durchsetzung der Hausordnung oder der Beförderungsbedingungen.“
Das klingt nüchtern und sieht in Hamburg und im Umland so aus: Ein Mann springt im Hamburger Hauptbahnhof auf einen abfahrenden Flixtrain. Er hat eine Fahrkarte und will noch mit. Der Zugbegleiter zieht die Notbremse. Dass seine Reise dann von der Bundespolizei endgültig gestoppt wird („Gefährlicher Eingriff in den Bahnverkehr“), will der Zughüpfer dem Zugbegleiter nicht verzeihen.
Reizgas versprüht, Fahrkartenkontrolleur angegriffen – Alltag in Hamburger Zügen
In einem Zug aus Rostock greift ein Mann, mutmaßlich ohne Ticket, dem Fahrkartenkontrolleur ins Gesicht, reißt dessen Brille herunter und fügt dem Bahnmitarbeiter Kratzwunden zu. Der Angreifer springt beim nächsten Halt aus dem Zug, kann aber an der Flucht gehindert werden. Der Zugbegleiter wird „aus dem Dienst genommen“, wie es hieß.
Andere leiden, wenn – wie zuletzt in einem Hamburger ICE gen Würzburg – jemand mal wieder Reizgas versprüht. Ein 61 Jahre alter Zugbegleiter wird in einem ICE Richtung Hamburg von einem betrunkenen 27-Jährigen (2,44 Promille) ins Gesicht geschlagen. Mitreisende überwältigen den Mann. Die alarmierte Bundespolizei findet bei der Überprüfung des Mannes ohne festen Wohnsitz 97 Straftaten im Register des Angreifers. Er sei ein „reisender Intensivtäter“.
Randale: Fußballfans im Norden von Bundespolizisten, Hunden und Hubschrauber begleitet
So könnte man auch die sogenannten Fußballfans bezeichnen, die in regelmäßigen Abständen zwischen Kiel, Hamburg, Hannover, Braunschweig und Rostock übereinander oder über das Zugmobiliar herfallen. Der Fußball ist nur zweitklassig, die Bewachung aber erstklassig, wie selbst das „Niedersachsen-Derby“ zwischen den verfeindeten Hannoveranern und den Braunschweigern am Wochenende zeigte: 450 Bundespolizisten, 15 Diensthunde, ein Hubschrauber mit spezieller Bildübertragungstechnik waren im Einsatz.
Dass es dabei mal ruhig blieb, darauf will sich die Deutsche Bahn in Zukunft nicht immer verlassen. Wie eine Bahnsprecherin dem Abendblatt sagte, werden nicht nur Sicherheitskräfte, sondern auch Zugbegleiter jetzt mit Bodycams ausgerüstet. Diese Kameras am Körper der Kontrolleure zeichnen Videos auf, sind aber nicht verpflichtend. Doch aus dem Bahnvorstand hieß es, Tests aus Baden-Württemberg und Bayern hätten gezeigt, dass die Bodycams „deeskalierend“ wirkten und somit vor Übergriffen schützten.
Bodycams erhöhen Sicherheit für Zugbegleiter
Die Bahnsprecherin sagte dem Abendblatt: „Sicherheitskräfte der DB tragen Bodycams im Raum Köln, in Berlin, Nürnberg, Hamburg, Frankfurt, München, Essen, Dortmund und Düsseldorf, vor allem an Wochenenden, nachts und bei Veranstaltungen. DB Regio stattet sein Zugpersonal auf ausgewählten Strecken nach und nach mit Bodycams aus. Schwerpunkte sind große Bahnhöfe sowie besondere Anlässe wie Volksfeste oder Sportveranstaltungen.“ Bodycam-Aufzeichnungen von Konfliktsituationen würden nur nach Ankündigung gespeichert.
In den U-Bahn-Zügen der Hamburger Hochbahn kennt man Fahrkartenkontrolleure, die fast immer in einer Gruppe auftreten, um mögliche Übergriffe gemeinsam zu befrieden. Die Bahn setzt nunmehr auch darauf: „Sicherheitskräfte der DB sind sowohl im Nah- als auch im Fernverkehr auf Zügen zusätzlich zum Zugpersonal unterwegs. Sie unterstützen die Mitarbeitenden an Bord der Züge, steigern das Sicherheitsgefühl der Reisenden und leisten einen Beitrag zur Abwehr von kriminellen Handlungen. Damit erfüllen wir die Wünsche und Forderungen der Kunden und Mitarbeitenden.“
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Sicherheit in der Bahn: Metronom setzt auf Selbstverteidigung
Sicherheitsleute in S-Bahnen und Nahverkehrszügen seien zum Teil seit Jahren in den Verkehrsverträgen zwischen den Bundesländern und den Eisenbahnunternehmen geregelt. „Schwerpunkte sind die S-Bahnnetze, Regionalzüge in Ballungsgebieten und ausgewählte, teils wechselnde weitere Zugverbindungen.“
Vom Metronom hieß es zuletzt, Bodycams für Zugbegleiter seien denkbar, aber man setze vorerst auf Videoüberwachung sowie Kurse für die Mitarbeiter in Deeskalation und Selbstverteidigung. Ob das dem DB-Kontrolleur geholfen hätte, der am Wochenende in einem Regionalexpress aus Greifswald von einem fahrscheinlosen Fahrgast (2,88 Promille) mit einem 30 Zentimeter langen Werkzeugschlüssel bedroht wurde? Die Bundespolizei musste einschreiten. Niemand wurde verletzt. Die Fahrkarte, sagte der alkoholisierte Mann, sei ihm zu teuer gewesen. Die Beamten mussten lachen. Im Rucksack des aggressiven Schwarzfahrers fanden sie 8550 Euro.