Hamburg. Eigene Dezernate gegründet, mehr Videoüberwachung, neue Regeln ab sofort. Quattro-Streifen reduzieren offenbar die Kriminalität.
Die Staatsanwaltschaft Hamburg richtet Sonderdezernate Hauptbahnhof ein, um Wiederholungs- und Intensivtäter schnell und „nachhaltig“ zu verfolgen und anzuklagen. Das sagte Generalstaatsanwalt Jörg Fröhlich am Dienstag im Hamburger Rathaus, wo Innensenator Andy Grote (SPD) mit Polizeipräsident Falk Schnabel die Bilanz der neuen „Allianz sicherer Hauptbahnhof“ zog, die im vergangenen Jahr gegründet wurde. Die Staatsanwaltschaft ist hierbei neben der Bundespolizei, der Hamburger Polizei, Deutscher Bahn und Hochbahn neuer Partner. Fröhlich sagte, die Sonderdezernate nähmen ihre Arbeit spätestens im Sommer auf.
Fröhlich machte allerdings klar, dass es keine Sonderzone am Hauptbahnhof geben werde oder eine „Schnellgerichtsbarkeit“. Im künftigen Sonderdezernat sollen sich möglichst dieselben Staatsanwälte immer wieder um die Täter vom Hauptbahnhof kümmern. Er erinnerte daran, dass die Staatsanwaltschaft stark belastet sei, wenn nicht „zum Teil sogar überlastet“. Die neuen Abläufe seien nötig, „um repressiv glaubwürdig zu bleiben“. Die 870 Straftaten, die die Quattro-Streifen in den vergangenen Monaten seit ihrer Einführung aufgedeckt hatten, sind im Vergleich zu den 150.000 Straftaten, die die Hamburger Staatsanwaltschaft pro Jahr bearbeite, recht wenig. Deshalb soll sich die neue Einheit nicht um Bagatelldelikte wie Hausfriedensbruch oder Schwarzfahrer kümmern.
Hauptbahnhof Hamburg: Staatsanwaltschaft richtet Sondergruppe ein
In einer ersten Bilanz sagten Grote und Schnabel, habe es sich gezeigt, dass die Straftaten am Hauptbahnhof im ersten Quartal dieses Jahres bereits zurückgingen: minus 16 Prozent bei Taschendiebstählen und minus elf Prozent bei Körperverletzungen. Polizeipräsident Schnabel sagte: „Sicherheit hat ihren Preis.“ 16.000 Personalstunden hätten die Quattro-Streifen erfordert. 13.000 Menschen hätten die Vierer-Besetzungen aus Landes- und Bundespolizei, Bahn-Sicherheit und Hochbahnwache überprüft, so Grote. „Das Sicherheitsgefühl hat sich spürbar verbessert.“
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Staatsanwaltschaft Hamburg: Mehrfachtäter vom Hauptbahnhof aus dem Verkehr ziehen
Seit dem 1. April gilt nach dem Waffenverbot auch ein Alkoholkonsumverbot am Hauptbahnhof, das in deutlich engeren Grenzen verläuft, das gesamte Gebäude, den Hachmannplatz, den Heidi-Kabel-Platz sowie den Bürgersteig am südlichen Ende des Gebäudes umfasst. Verstöße werden mit Bußgeldern zwischen 40 und 200 Euro bestraft. Die Deutsche Bahn stellte klar, dass dieses Verbot mit Ausnahme der Gastronomie im gesamten Hauptbahnhof gelte, auch in der Wandelhalle und den Zuwegen und an den Gleisen.
Innensenator Grote verwies darauf, dass Alkohol bei überdurchschnittlich vielen Tätern am Hauptbahnhof eine Rolle spiele. Zudem – und das spielte auf die neue Rolle der Staatsanwaltschaft im Gesamtkonzept an – seien 86 Prozent der Tatverdächtigen dort Mehrfachtäter. „Wir werden sie noch wirkungsvoller sanktionieren und aus dem Verkehr ziehen.“ Dazu sollen auch die 27 neuen Videokameras beitragen, die an zehn Masten vermutlich vom Juni an Bilder liefern.
Videoüberwachung ausgeweitet – Geschäftsleute nutzen App Safe now
Am Hauptbahnhof gibt es nach Polizeiangaben bereits 200 Kameras. Die neue Hilferufe-App Safe now wird offenbar in erster Linie von Geschäftsleuten genutzt, die bei Konflikten oder Diebstählen Polizei oder Sicherheitskräfte herbeirufen. Die Handy-Anwendung wurde insgesamt bereits 60.000-mal heruntergeladen. Ursprünglich war sie gedacht für Reisende, die bei Übergriffen oder anderen kriminellen Handlungen sofort Polizisten alarmieren und ihren Standort mitteilen können.
Die politische Opposition in der Bürgerschaft reagierte wie erwartet skeptisch gegenüber der Bilanz zu den neuen Senatsmaßnahmen am Hauptbahnhof. Der CDU-Fraktionsvorsitzende Dennis Thering sagte: „Hamburgs Hauptbahnhof ist der gefährlichste Bahnhof in Deutschland und dafür trägt der Senat aus SPD und Grünen die Verantwortung. Als CDU-Fraktion haben wir immer wieder auf die unhaltbaren Zustände am Hauptbahnhof und im näheren Umfeld aufmerksam gemacht. Unsere jahrelangen Forderungen nach Einrichtung einer Waffenverbotszone, mehr Videoüberwachung und mehr Polizeipräsenz wurden nach langem Zögern und Zaudern dann doch noch nach und nach umgesetzt.“ Allerdings habe der Senat den Steindamm vergessen. „Es ist verständlich, dass die SPD kurz vor der Wahl nun mit letzter Kraft versucht, das Ruder noch umzulegen. Doch der Hauptbahnhof bleibt die Achillesferse des rot-grünen Senats.“
FDP: Staatsanwaltschaft Hamburg braucht Einstellungsoffensive“
Für die Linken sagte die sozialpolitische Sprecherin Olga Fritzsche: „Waffenverbotszone, mehr Videoüberwachung, mehr Polizeipräsenz, Bettelverbot und nun auch noch ein Alkoholkonsumverbot – dabei gibt es keinerlei seriöse Erkenntnis über den konkreten Zusammenhang von Alkoholkonsum und der Begehung von Straftaten.“ Es gehe darum, „suchtkranke Menschen zu gängeln und zu vertreiben“. Fritzsche bezeichnete die flankierenden Maßnahmen der Sozialbehörde als „völlig unzureichend und meiner Meinung nach ohne wirkliches Konzept“. Der Social HuB in der Bahnhofsmission und die als „Sozialraumläufer“ bezeichneten Platzwarte nannte sie „blödsinnige Symbolpolitik“.
Die FDP-Abgeordnete Anna von Treuenfels-Frowein erklärte: „Es mutet geradezu grotesk an, wenn sich der Innensenator und weitere Akteure in und um den Hauptbahnhof mit der Botschaft vor die Öffentlichkeit stellen: Wir haben endlich begonnen, unseren Job zu machen.“ Man müsse erwägen, die Waffen- und Alkoholverbotszone auszudehnen. Und: „Hamburgs Staatsanwaltschaft braucht dringend eine Einstellungsoffensive, um der starken Zunahme an Straftaten rund um den Hauptbahnhof wie in der ganzen Stadt Herr zu werden.“