Hamburg. Weltweites Kalifat bei Islamistentreffen angestrebt. Student ist laut Verfassungsschutz führendes Mitglied von Muslim Interaktiv.

  • Joe Adade Boateng gehört zu den prominentesten Gesichtern der Hamburger Islamisten-Szene.
  • Auch der Verfassungsschutz hat den jungen Mann bereits im Blick
  • Brisant: Der 25-Jährige soll an der Universität Hamburg ein Lehramtsstudium begonnen haben

Er ist Gesicht und Stimme der Islamisten-Szene in Hamburg. Joe Adade Boateng, 25 Jahre alter Sohn eines Ghanaers und einer Deutschen, erklärt in sozialen Medien via Muslim Interaktiv seine vom Koran und der Scharia geprägte Sicht der Welt. Ein Auftritt bei einer von mehreren Veranstaltungen zum Ende des Fastenmonats Ramadan in Billbrook rückte den Studenten ins Licht der Öffentlichkeit. Er war laut Verfassungsschutz einer der Redner bei der Veranstaltung, zu der Teilnehmer mit Slogans auf ihrer Kleidung kamen, in denen das Kalifat propagiert wurde. Und, brisant: Der 25-Jährige soll an der Universität Hamburg auf Lehramt studieren, womit er sich qualifizieren würde, Lehrer zu werden. Alexander Lemonakis, Sprecher von Uni-Präsident Hauke Heekeren, bestätigt auf Anfrage des Abendblatts: „Die genannte Person ist derzeit eingeschriebener Student an der Universität Hamburg (UHH).“

Der Verfassungsschutz schätzt den mit einer Deutschen zusammenlebenden Mann als „führendes Mitglied von Muslim Interaktiv“ ein. Muslim Interaktiv ist ein Zusammenschluss, bei dem die Macher einen zeitgemäßen Internetauftritt radikaler Muslime in sozialen Medien wie TikTok oder Instagram inszenieren, der sich offenbar an jüngere Menschen richtet.

Polizei Hamburg: Auch deutscher Top-Salafist Marcel Krass war Gast

Mit den Veranstaltungen in Allermöhe, bei denen zumindest in einem Fall der 25-Jährige dabei war, war auch der deutsche Top-Salafist Marcel Krass aufgetreten. Zu dem Treffen, bei dem „Iftar“, das Fastenbrechen gefeiert wurde, kamen mehrere Hundert Männer und einige Frauen. Ziel war es nach Einschätzung der Sicherheitsbehörden gewesen, den muslimischen Fastenmonat zu politisieren und Spenden zu sammeln.

Muslim Interaktiv steht nach Erkenntnissen der Sicherheitsbehörden der 1953 gegründeten islamistischen Organisation Hizb ut-Tahrir , kurz HuT, nahe und übernehme deren Propaganda. HuT gilt als verfassungsfeindlich und strebt ein weltweites Kalifat an. Auch die Veranstaltung, bei der der 25-Jährige in Bergedorf auftrat, wird dem Umfeld von HuT zugerechnet.

Islamisten-Organisation Hizb-ut-Tahrir seit Jahrzehnten in Hamburg aktiv

Dass Medien genutzt werden, um Propaganda der Hizb-ut-Tahrir zu verbreiten, ist nicht neu. Bereits 20011 wies der Verfassungsschutz auf das Magazin „explizit - Das politische Magazin für ein islamisches Bewusstsein“ hin, in dem bereits damals eine Gesellschaftsform befürwortet wurde, die auf dem Koran und der Scharia basiert.

Schon damals wusste der Verfassungsschutz, dass Anhänger „seit mehreren Jahren“ in den Moscheen in St. Georg aktiv waren – mal als Flugblattverteiler, aber auch als Redner. 2001 war die Organisation auch im Internet mit einer eigenen Seite präsent, die – passend zur Anhängerschaft – mehrsprachig aufgebaut war.

Damit war die HuT schon damals eine der aktiveren Gruppierungen. Anhänger anderer extremistischen Gruppen, wie der Hamas, agierten zu der Zeit in Hamburg zurückgezogener und konzentrierten sich auf das Sammeln von Spenden.

Polizei Hamburg: Verfassungsschutzbericht änderte sich nach 9/11

Wie unbedarft Politik und Sicherheitsbehörden zu dem Zeitpunkt mit dem radikalen Islamismus umgingen, zeigte damals der Aufbau des Verfassungsschutzberichtes 2000. Es war der letzte Bericht dieser Sicherheitsbehörde, der nicht unter dem Eindruck der Anschläge vom 11. September gemacht wurde, die von der Terrorzelle um den TU-Studenten Mohammed Atta in Hamburg geplant und auch von mehreren Mitgliedern der Hamburger Zelle durchgeführt wurden.

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In dem Bericht 2000 rangiert arabischer Islamismus mehr als Anhängsel an hinterer Stelle auf zehn Seiten, während Rechtsextremismus an erster Stelle auf 59 Seiten behandelt wurde. Im Bericht 2001 wechselte dann das Thema „Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern“ an erste Stelle in deutlich größerem Umfang. Einen großen Raum nahmen dabei die Attentäter vom 11. September 2001 ein, die das islamistische Netzwerk in Hamburg genutzt hatten. Ein Zentrum der Ermittlungen war die Al-Quds-Moschee. Dort hatten Atta und seine Komplizen oft gebetet.

Nach dem 9. September wurde mehr Personal bei Polizei und Verfassungsschutz für das Themenfeld Islamismus eingesetzt. Erst neun Jahre nach den verheerenden Anschlägen in den USA gelang es den Behörden, die Hamburger Al-Quds-Moschee zu schließen und den Trägerverein zu verbieten. „Das zeigt, welchen Spielraum solche radikalen und verfassungsfeindlichen Gruppierungen hier haben und wie schwer es ist, ihnen beizukommen“, sagt Thomas Jungfer, Landesvorsitzender der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG). „Islamismus ist eine sich schleichend ausbreitende Gefahr für unsere Gesellschaftsform.“