Hamburg. Helfer der Hamburger Terrorzelle vom 11. September wurde nach langer Haft abgeschoben – nun will er von der Uno rehabilitiert werden.
15 Jahre Haft – so lautete am 8. Januar 2007 das Urteil des Hanseatischen Oberlandesgerichts wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung und Beihilfe zum Mord in 246 Fällen gegen Mounir al-Motassadeq. Mitte Oktober 2018 wurde der Mann, der als Helfer der Terrorzelle um Mohammed Atta die Anschläge vom 11. September auf das World Trade Center in New York und das Pentagon mit ermöglichte, in seine Heimat Marokko abgeschoben. Jetzt möchte der inzwischen 49-Jährige rehabilitiert werden. Bei der Uno in New York, so berichtet der „Spiegel“, möchte Motassadeq von der Terrorliste gestrichen werden.
Tatsächlich beschäftigt sich ein Gremium mit dem Ansinnen des Marokkaners. Für Motassadeq ist es mit Nachteilen verbunden, dass sein Name auf der Terrorliste steht, die ihn als Mitglied der Terrororganisation al-Qaida einstuft. So kann er kaum reisen. Seine Konten sollen, sofern sie in Mitgliedstaaten der UN sind, eingefroren werden.
Terroranschläge vom 11. September: Ombudsmann des Uno-Sicherheitsrats in Hamburg
Laut „Spiegel“ sammelt ein Ombudsmann des Uno-Sicherheitsrats seit Ende Mai in verschiedenen Ländern Informationen zu Motassadeq. Erst vor zwei Wochen sei der Topjurist demnach zu Besuch in Hamburg gewesen und habe sich dort mit Vertretern mehrerer Behörden zum Austausch getroffen.
Motassadeq war am 28. November 2001 in Hamburg verhaftet worden. Im Gegensatz zu anderen Mitgliedern der siebenköpfigen Gruppe um Mohammed Atta war er nach den Anschlägen nicht untergetaucht. Der Marokkaner hatte seit Anfang der 1990er-Jahre in Hamburg gelebt, war Student der Elektrotechnik an der Technischen Universität in Harburg, wo er auch Mitglied der „Islam AG“ war, die von der Gruppe um Atta an der Uni initiiert worden war.
Motassadeq lebte zeitweise in Terrorwohnung in Marienstraße
Zu den drei aus Hamburg stammenden Todespiloten pflegte er ein freundschaftliches Verhältnis. Er wohnte auch zeitweise in der Wohnung an der Marienstraße, in der Mohamed Atta mit Ramzi Binalshibh und Said Bahaji vor den Anschlägen lebten.
Ermittlungen hatten ergeben, dass Motassadeq unter anderem Vollmacht hatte für das Konto des Terrorpiloten Marwan Alshehhi, das als Finanzierungstopf der Terrorgruppe galt. In Hamburg hatte Motassadeq, so ermittelte die Bundesanwaltschaft, für die Terroristen während deren Abwesenheit deren Aufenthalt verschleiert und ihre persönlichen Angelegenheiten erledigt. Die Bundesanwaltschaft stufte ihn damals als „wesentliches Rädchen“ ein, ohne dass die Terroranschläge nicht funktioniert hätten. Während des Prozesses kam heraus, das Motassadeq im Jahr vor den Anschlägen in einem al-Qaida-Ausbildungslager in Afghanistan gewesen war.
Terrorhelfer wird in islamistischer Szene verehrt
Nach seiner Festnahme im November 2001 wurde Motassadeq im April 2004 unter Auflagen wieder auf freien Fuß gesetzt. Er wohnte weiter im Stadtteil Harburg. Schon damals wurde er hier verehrt, bei seinen Spaziergängen durch den Stadtteil umlagerten ihn oft „Bewunderer“. Auch heute, so schreibt der „Spiegel“, werde er in der islamistischen Szene als Held gefeiert.
Im November 2006 wurde Motassadeq wieder in Harburg festgenommen. Die Bundesanwaltschaft hatte nach dessen Verurteilung zu 15 Jahren Haft Fluchtgefahr gesehen, zumal seine Frau und seine Kinder sich bereits ins Ausland abgesetzt hatten.
Panne bei Haftentlassung: Motassadeq erhält 7000 Euro
Während seiner Haft bemühte sich Motassadeq dreimal um vorzeitige Entlassung. Zunächst erfolglos. Dann wurde er doch vorzeitig mit der Auflage der sofortigen Abschiebung nach Marokko am 15. Oktober 2018 aus der Haftanstalt Santa Fu entlassen. Für Deutschland hat er ein Einreise- und Aufenthaltsverbot, das bis zum 3. April 2064 gilt.
Seine Abschiebung hatte noch einmal für Schlagzeilen gesorgt, weil ihm bei seiner Entlassung entgegen der Anti-Terror-Bestimmungen mehr als 7000 Euro Guthaben seines Häftlingskontos ausgezahlt worden waren. Motassadeq ließ sich nach der zwangsweisen Rückkehr in seine Heimat mit seiner Frau und Kindern im Haus seiner Familie in Marrakesch nieder.