Hamburg. Voller Saal in Billbrook, bis zu 400 Besucher. Sicherheitsdienst und Stellwände schotten Veranstaltung ab. Verfassungsschutz alarmiert.
Der Betreiber der Eventlocation in Billbrook hatte diesen Ausgang zwar befürchtet, man sei schließlich vertraglich gebunden und somit „in der Pflicht“. Doch gegenüber dem Abendblatt beteuerte er am Donnerstag darüber hinaus auch, er werde „alles versuchen, um die Veranstaltung noch abzusagen“. Er habe ja nicht geahnt, dass es sich bei den Männern, die vor Wochen seinen normalerweise für Hochzeitsfeiern genutzten Partysaal gebucht hatten, um Salafisten handelte.
Doch zur Absage der Islamisten-Veranstaltung, von der sich der Gastronom nach eigenen Angaben regelrecht überrumpelt fühlte, reichte es am Ende nicht. Am Sonnabendnachmittag trafen die nach Angaben des Betreibers ungebetenen Gäste wie geplant gegen 15 Uhr ein, und es waren viele. Nach Schätzungen eines Augenzeugen könnten es bis zu 400 gewesen sein. Ein Wachdienst hatte sich am Eingang postiert, im rückwärtigen Teil des Saals waren Stellwände vor die Fenster gestellt worden – offenbar, um die Veranstaltung mit Livevortrag und anschließendem „Gebet & Iftar“, wie auf einer Ankündigung zu lesen war, vor neugierigen Blicken und Kameraaufnahmen zu schützen. Das Abendblatt hatte bereits am Donnerstag exklusiv über das große Treffen der Salafisten in Billbrook berichtet.
Salafisten wollen bei Islamisten-Veranstaltung in Billbrook Spenden sammeln
Organisiert hatte die Veranstaltung, die längst auf dem Radar des Landesamtes für Verfassungsschutz aufgetaucht war und ursprünglich sogar in der Tawheed-Moschee (Steilshoop) stattfinden sollte, die Hamburger Sektion der verfassungsfeindlichen Islamisten-Gruppierung Hizb ut-Tahrir (HuT). Bei dem Treffen am Tag vor dem Osterfest sollten auch Spenden für die HuT gesammelt werden, hatte das Abendblatt erfahren.
Als prominenten Redner der Veranstaltung unter dem Motto „Die Gebetsstätten und das Versprechen Allahs“ konnte die HuT den deutschen Top-Salafisten Marcel Krass gewinnen, der in der Szene einen großen Namen hat. Mit seinem Bild warb die HuT auf einem Ankündigungsplakat im Internet auch für die Veranstaltung. Krass gilt als einer der bekanntesten Salafisten der Republik. In den sozialen Netzwerken folgen dem 1995 zum Islam konvertierten Diplom-Ingenieur rund 250.000 Menschen. Anders als der eher hemdsärmelige Demagoge Pierre Vogel tritt Krass in seinen Videos zurückhaltend auf, er wirkt freundlich und nahbar – nicht wie ein islamistischer Hetzer, eher wie ein moderater Prediger mit einer dazu passenden angenehmen, ruhigen Stimme.
Verfassungsschutz rechnet mit 490 Salafisten in Hamburg
An den radikalen Inhalten ändert aber auch die sozial und medial kompatible Verpackung nichts. Seit Jahren taucht Krass immer wieder in den Verfassungsschutzberichten der Bundesländer auf. Im Baden-Württembergischen heißt es etwa, dass er „seit zwei Jahrzehnten eine feste Größe“ in der salafistischen Szene Deutschlands sei. Weiter steht dort, dass Krass um die Jahrtausendwende herum Kontakt zu Ziad Jaarah hatte, einem der Attentäter vom 11. September 2001.
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Insgesamt rechnet der Hamburger Verfassungsschutz der islamistischen Szene in der Hansestadt 1775 Menschen zu, darunter 490 Salafisten. 225 gelten als Dschihadisten, die auch die Anwendung von Gewalt befürworten. „Islamisten, Salafisten oder auch die Hizb ut-Tahrir streben eine Gesellschaftsform an, die mit unserer Demokratie absolut unvereinbar ist. In einem solchen Kalifat gibt es keine Grundrechte“, sagt Marco Haase, Sprecher des Hamburger Landesamts für Verfassungsschutz.