Hamburg. Polizei will gezielt kontrollieren. Unfallzahlen bleiben unter Vor-Corona-Stand – aber Busse und E-Scooter stechen besonders heraus

Es ist weniger das vergangene Jahr, das Innensenator Andy Grote (SPD) in puncto Verkehrssicherheit in Hamburg Sorgen bereitet – es ist das laufende Jahr. Im April wird in Deutschland voraussichtlich Cannabis legalisiert. Grote rechnet mit einem deutlichen Anstieg der Verkehrsunfälle unter Drogeneinfluss. Die Hamburger Polizei will gezielte Kontrollen durchführen. Dafür sieht man sich gut aufgestellt. Mehr als 600 Beamte sind speziell geschult, um Anzeichen für Drogenkonsum zu erkennen.

63.542 Verkehrsunfälle hat die Hamburger Polizei im vergangenen Jahr aufgenommen. Das ist ein leichter Anstieg um 4 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Im Vergleich zu 2019, dem letzten Vor-Corona-Jahr, ist die Zahl der Unfälle deutlich um 7,8 Prozent zurückgegangen. Was Grote, Polizeipräsident Falk Schnabel und den Chef der Verkehrsdirektion, Enno Treumann, gemeinsam positiv stimmt: Die Zahl der wirklich schwer Verletzten Unfallopfer ist deutlich um fast 15 Prozent im Vergleich zu 2022 zurückgegangen. Betrachtet man die Bevölkerungsentwicklung in Hamburg, war es noch nie – mit Ausnahme der Corona-Jahre – so unwahrscheinlich, bei einem Verkehrsunfall auf Hamburgs Straßen verletzt zu werden wie 2023. Statistisch verunglückten im vergangenen Jahr 492 von 100.000 Einwohnern. Zum Vergleich: im Jahr 2000 waren es noch 738.

Hamburgs Innensenator Grote fürchtet mehr Unfälle nach Cannabis-Freigabe

An der Masse der Verkehrsunfälle waren Autos beteiligt, es waren genau 55.822. Danach kommen Lastwagen mit 13.995. Fahrräder spielten mit 4037 eine untergeordnete Rolle. Eine positive Entwicklung gab es bei den Elektrorollern. Dort ging die Zahl der Unfälle, bei denen so ein Fahrzeug eine Rolle spielte, im Jahr 2023 auf 727 zurück. Im Vorjahr waren es noch 860 gewesen. Was bei den Zahlen mit einbezogen werden muss: Im Gegensatz zu Unfällen mit Autos dürfte die Zahl der Unfälle mit Fahrrädern oder E-Rollern, die der Polizei nie bekannt werden, hoch sein.

Was Grote Sorge macht: Bei jedem fünften Verkehrsunfall mit einem E-Roller war Alkohol im Spiel. Zum Vergleich: Bei Verkehrsunfällen mit Autofahrern war dies lediglich bei jedem 100. Unfall so.

Hamburgs Polizei erwartet mehr Unfälle unter Cannabiseinfluss – auch mit Rädern und E-Rollern

So dürfte die Legalisierung von Cannabis gerade bei Fahrzeugen, für die man keinen Führerschein braucht, zu deutlich mehr Unfällen unter Drogeneinfluss führen. Was viele Nutzer von Fahrrädern oder E-Rollern nicht realisieren: Sie dürfen auch diese Verkehrsmittel nicht angetrunken oder berauscht benutzen. Wer erwischt wird, riskiert nicht nur eine empfindliche Strafe. Er kann auch seinen Führerschein verlieren.

Der Ampel-Regierung stellt SPD-Politiker Grote im Zusammenhang mit der Legalisierung von Cannabis ein schlechtes Zeugnis aus. Er moniert, dass in dem Gesetz kein Grenzwert wie beim Alkohol festgesetzt wurde.

In Hamburg deutlich mehr Verkehrsunfälle mit Bussen

Auffällig bei der Verkehrsunfallentwicklung im vergangenen Jahr ist eine Fahrzeuggruppe, die bislang bei der Vorstellung der Verkehrsunfallbilanz keine Rolle spielte: Es sind die Busse. Bei 2780 Verkehrsunfällen spielten sie im vergangenen Jahr in Hamburg eine Rolle. 2019 waren es noch 2233 Unfälle.

Geht es um besonders tragische Verkehrsunfälle, bei denen Kinder ums Leben kommen, ist ihre Rolle noch gravierender. 2023 wurden in Hamburg zwei Kinder im Straßenverkehr getötet. In beiden Fällen waren sie von Bussen erfasst worden. Auch in diesem Jahr setzt sich diese traurige Serie fort. Bei dem Verkehrsunfall, bei dem am vergangenen Freitag ein neun Jahre alter Junge in Neuallermöhe ums Leben kam, war ein Bus beteiligt. Ein wirkliches „Rezept“ hat die Polizei gegen solche Unfälle nicht gefunden. So war der Junge am vergangenen Freitag im Bereich der Haltestelle in der Mitte des Fahrzeugs unter den Bus gestürzt und überrollt worden.

Siebenjähriger läuft bei Grün los – und wird von Bus überrollt

Auch der Unfall im vergangenen Jahr in der HafenCity, bei dem ein Siebenjähriger starb, hatte verhängnisvolle Umstände. Der Junge war direkt beim Umspringen der Fußgängerampel auf Grün losgerannt. Offenbar wollte er mit seinem Bruder um die Wette laufen. Der Busfahrer war bei Grün in den Kreuzungsbereich gefahren und hatte verkehrsbedingt halten müssen. Als er wieder anfuhr, zeigte die Ampel, die er hinter sich gelassen hatte und nicht sehen konnte, bereits Rot.

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Trotz dieser tragischen Fälle: Insgesamt ist die Unfallentwicklung bei Kindern vergleichbar mit der Gesamtentwicklung. Statistisch wurden im vergangenen Jahr 492 von 100.000 Kindern in Hamburg in einen Verkehrsunfall verwickelt. Das ist, abgesehen von den beiden Corona-Jahren, der niedrigste Wert der Nachkriegsgeschichte. Zum Vergleich: Im Jahr 2000 waren noch 738 von 100.000 Kindern in Hamburg bei einem Verkehrsunfall verletzt worden.

Laster ohne Abbiegeassistent: Gefahr für Radfahrer bleibt

Ein großes Thema bleibt für die Polizei der Abbiegeassistent für Lastwagen. Im vergangenen Jahr gab es fünf sogenannte Abbiegeunfälle, bei denen Radfahrer von einem Lastwagen erfasst und getötet wurden. Laut Treumann war in keinem Fall der Laster mit so einem Abbiegeassistenten ausgerüstet gewesen. Obwohl Neufahrzeuge mit diesem Gerät ausgerüstet werden, werden auch in Zukunft weiterhin viele Lastwagen, vor allem aus dem Ausland, ohne diese Sicherheitseinrichtung auf Hamburgs Straßen unterwegs sein. Deshalb sensibilisiert die Polizei bei gezielten Kontrollen an Kreuzungen auch Radfahrer für die Gefahr.