Hamburg. Bei Klima und Corona forderte die Politik, den Experten zu folgen. Bei der geplanten Legalisierung der „weichen Droge“ ist jetzt alles anders.
Erinnern Sie sich noch an das hohe Lied auf die Wissenschaft? Es wurde erstmals angestimmt, als es um den menschengemachten Klimawandel ging. Selten herrschte unter Forscher so viel Einigkeit, dass der Mensch am Klima dreht – aber leider dauerte es Jahrzehnte, bis die Erkenntnis in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft einsickerte.
Ein weiteres Mal wurde die Weise von der weisen Wissenschaft angestimmt, als Corona die Welt heimsuchte. Damals aber begann sie, schräg zu klingen. Denn die Wissenschaftler, auf die man gefälligst zu hören hatte, waren zuvor sorgsam ausgewählt. Sie mussten meist dem Team Vorsicht angehören, ansonsten galten sie als unglaubwürdig. Ja, Forscher, die anders dachten, wurden als lebensgefährliche Verharmloser oder gleich als, na klar, Rechte dargestellt. Dabei ist Wissenschaft – das ist übrigens Teil ihrer Jobbeschreibung – eher die Suche nach Erkenntnissen als das Verkünden absoluter Wahrheiten.
Wie also hält es die Politik mit der Wissenschaft? Nun, das hängt davon ab.
Sage nicht, es gibt nur zwei biologische Geschlechter
Vor zwei Jahren verkündete der Queer-Beauftragte der Bundesregierung, Sven Lehmann, die Idee der biologischen Zweigeschlechtlichkeit sei „quasi-kreationistisch“. Das klingt arg gebildet, meint aber ungefähr, dass Leute, die von zwei biologischen Geschlechtern ausgehen, auch an Adam und Eva glauben.
Die Biologin Christiane Nüsslein-Volhard antwortete in der „Emma“, beim biologischen Geschlecht gebe es „nur weiblich oder männlich“, während es beim sozialen Geschlecht eine Bandbreite gebe. „Da hat Herr Lehmann vielleicht den Grundkurs in Biologie verpasst“, setzte die Nobelpreisträgerin obendrauf. Dummerweise hört die Regierung aber lieber auf die Glaubenssätze des Politikwissenschaftlers Lehmann als auf die Wissenschaft.
Gegen Glaubenssätze hat es die Wissenschaft schwer
Damit ist sie nicht allein: Der Verein Bayer Leverkusen wurde nun allen Ernstes vom DFB bestraft, weil die Fans ein Plakat hochhielten: „Es gibt viele Musikrichtungen, aber nur 2 Geschlechter.“ Das war als pubertäre Provokation an die Adresse der woken Fans des SV Werder Bremen gedacht, aber empörte die Politik: „Das Banner ist menschenverachtend“, befand die sportpolitische Sprecherin der Grünen. Manchmal ist der Glauben bei den Grünen ebenso ausgeprägt wie bei der Katholischen Kirche im Streit mit Galileo Galilei anno 1633.
Man überhört eben gern, was nicht ins eigene Programm passt. In der nächsten Woche will die Ampel Cannabis legalisieren, aber nicht, weil das Gesetz Sinn ergibt, sondern eigentlich aus einem Grund: Es ist der einzige Punkt, in dem sich Grüne und FDP einig waren – da durfte die SPD nicht Nein sagen. Sie konnte nur ein paar absurde Einschränkungen in den Entwurf hinein verhandeln. So gelten Konsumverbote im Umkreis von 100 Metern von Schulen – da werden bald Kiffer vor dem Joint erst einmal Google-Maps befragen und Polizeibeamte mit Zollstock nachmessen. Wäre es nicht so bitter, man könnte darüber lachen.
Präsident der Bundesärztekammer warnt eindringlich vor Cannabis-Freigabe
Leider wollte keiner auf die Wissenschaft hören: Der Präsident der Bundesärztekammer, Klaus Reinhardt, hat nun in der „FAZ“ einen Frontalangriff auf das Lauterbach’sche Gesetz gefahren: „In Kanada und den amerikanischen Bundesstaaten, in denen Cannabis legalisiert wurde, gibt es nach wie vor einen erheblichen Schwarzmarkt mit allen Begleiterscheinungen der organisierten Kriminalität“, sagte er. „In der Summe ist auch die Belastung des Gesundheitssystems durch die Folgen des Cannabisgebrauchs gestiegen. Wie verbohrt muss man sein, um all das nicht wahrhaben zu wollen?“
Fast egal, mit welchen Pädagogen, Suchtforschern oder Ärzten man spricht, die Einigkeit der Wissenschaft erinnert fast an die Klimaforschung. Neurologen warnen, dass der Cannabis-Konsum vor dem Abschluss der Gehirnreifung mit Mitte 20 bleibende Schäden verursachen kann, Pädagogen fürchten die Verharmlosung der Droge durch dieses Gesetz, Juristen warnen.
Einen Hamburger Doppelmord von 2021 erklärte die Richterin so: „Der Konsum der angeblich doch so harmlosen Droge Cannabis ist — in Verbindung mit einer gewissen genetischen Disposition, von der man nicht weiß, ob man sie hat – dafür verantwortlich, dass ein bislang völlig unbestrafter, unauffälliger Mensch eine Schizophrenie und damit einhergehend Wahnvorstellungen entwickelt.“
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Hört auf die Wissenschaft? Offenbar nur, wenn sie dem Koalitionsfrieden dient.