Hamburg. Haus- und Wohnungsbesitzer vertröstet, obwohl Leitungen nur 20 Meter entfernt liegen. Drei Gründe, warum Fernwärme in Hamburg hakt.

Bis zum Jahr 2045 soll Hamburg CO2-neutral sein. Das bedeutet auch, dass bis dahin möglichst wenig fossile Brennstoffe zum Heizen von Wohnräumen verbraucht werden. Eine künftig klimafreundliche Alternative etwa zur Gasheizung ist die Fernwärme. Derzeit beträgt der Anteil erneuerbarer Energien an der Fernwärme laut Wirtschaftsministerium zwar lediglich 17,5 Prozent (Stand 2021). Doch bis zum Jahr 2045 sollen die Netze klimaneutral sein.

Wie die kürzlich veröffentlichte Wärmenetzeignungskarte zeigt, können rund drei Viertel der Hamburger damit planen, per Fernwärmeanschluss künftig klimafreundlicher zu heizen. Jedoch zeigt sich: Nur weil ein Wohnhaus potenziell an das Netz angeschlossen werden kann, heißt das nicht, dass der Anschluss auch zeitnah erfolgt. Eigentümer in Hamburg, die sich für diese Art der Heizung interessieren, werden vielfach von den Energieversorgern hingehalten.

Fernwärme Hamburg: Eigentümer klagen über Hürden bei Anschluss

Lars Melzer (Name von der Redaktion geändert), Mitglied einer Wohneigentümergemeinschaft (WEG) in Winterhude, berichtet von enormen Wartezeiten, um Teil des Fernwärmenetzes zu werden. Er und die weiteren Eigentümer einer 1911 erbauten Altstadtvilla wollen die dort verbaute Gasetagenheizung bereits seit einem Jahr loswerden und stattdessen Fernwärme beziehen. „Denn eine Wärmepumpe macht für so ein Haus keinen Sinn, und wir wollen energetisch einfach besser werden“, sagt Melzer. Sowohl die Häuser gegenüber der Villa als auch jene auf der Rückseite seien bereits am Fernwärmenetz. „Für den Anschluss müsste keine Trasse gebaut werden, da sind nur zehn bis 20 Meter zu überbrücken“, schätzt er.

Der zuständige Versorger, die Hamburger Energiewerke, jedoch meldete sich auf die Anfrage der WEG Anfang 2023 erst gar nicht und zuletzt mit schlechten Nachrichten: Im Laufe des Jahres 2026 solle die WEG ihr Anliegen noch einmal vortragen, heißt es in einer Mail des Versorgers. Bis dahin seien die Hamburger Energiewerke „aufgrund politischer und gesamtwirtschaftlicher Rahmenbedingungen“ voll ausgelastet.

Für Melzer unverständlich, denn der Wunsch der Politik, „dass man in Zukunft mit erneuerbaren Energien heizt, ist genau das, was wir uns auch vorstellen“, sagt er. Stattdessen könnte es nun sogar notwendig werden, dass die WEG der Winterhuder Altstadtvilla bis 2026 die alte durch eine neue Gasheizung ersetzen müsse, „und das ist doch, was man eigentlich verhindern möchte“, so Melzer.

Energiewerke Hamburg mit vollen Auftragsbüchern

Tatsächlich geraten die Energiewerke Hamburg hierbei häufiger in Erklärungsnot. Ein Sprecher des Versorgers bestätigt, dass viele der an einem Fernwärmeanschluss Interessierten derzeit nicht bedient werden können. „Für die nächsten Jahre sind die Auftragsbücher voll“, sagt er.

Bereits mit der Energiekrise infolge des Krieges in der Ukraine sei das Interesse an Fernwärmeanschlüssen deutlich gestiegen. Im vergangenen Jahr, mit den politischen Diskussionen um das neue Gebäudeenergiegesetz und die kommunale Wärmeplanung, sei die Zahl der Anfragen dann noch einmal sprunghaft angestiegen. Selbst für den Hamburger Marktführer – die Energiewerke versorgen 250.000 Menschen in der Stadt mit Wärme und zählen derzeit rund 12.500 Kundenanschlüsse für die Fernwärme – nicht zu stemmen.

Hamburg: Wartezeiten für Fernwärme wegen extrem gestiegener Nachfrage

Um der stark gestiegenen Zahl der Anfragen zu begegnen, brauche es unter anderem größere Kapazitäten bei den Drittfirmen, die den Tiefbau für die Leitungen bewerkstelligen, so der Sprecher. Des Weiteren müsse von Erzeugerseite genug Energie geliefert und eventuell das Leitungsnetz angepasst werden. Denn wenn mehr Wärme als bislang zu den Haushalten gelangen soll, sei unter Umständen der Einsatz sogenannter Entlastungsleitungen notwendig.

Außerdem weist der Sprecher darauf hin, dass der Versorger einen Fernwärmeanschluss höchst individuell auf das jeweilige Gebäude anpassen muss. Die Entfernung des Hauses von der Leitung, die bauliche Situation, aber auch der Verbrauch spielen hierbei eine Rolle. All das benötige Zeit und ausreichend Arbeitskräfte.

„Wir arbeiten mit Hochdruck daran, dass wir die Zahl der Hausanschlüsse, die wir im Jahr erstellen können, erhöhen“, so der Sprecher. Seit 2019 hätten die Hamburger Energiewerke die jährliche Anschlussleistung bereits um 60 Prozent gesteigert. Das heißt, der Versorger kann nun 60 Prozent mehr Wärmemenge als noch vor fünf Jahren jährlich neu anschließen. Dass dies immer noch zu wenig Angebot für die enorme Nachfrage ist, sei im Vorfeld nicht planbar gewesen.

Eigentümer bemängeln hohe Kosten für Fernwärmeanschluss

Doch nicht allein lange Wartezeiten verzögern die Energiewende in der Stadt. Denn je nach Gebäude kann der Fernwärmeanschluss auch richtig teuer werden, sodass Interessenten wieder Abstand von der klimafreundlichen Heizung nehmen. So erging es etwa Matthias Haller (Name von der Redaktion geändert) aus Bramfeld.

„Bis vor Kurzem habe ich auch gehofft, dass eine Stütze der Energiewende die Versorgung mit Fernwärme ist, um die vielen kleinen, teilweise unwirtschaftlichen Heizungen in jedem Haus zu ersetzen“, sagt er. Diese Hoffnung wurde zuletzt stark geschmälert. Haller habe im Zuge der Verlegung von Fernwärmeleitungen durch Hansewerk Natur in Bramfeld angefragt, ob ein just von ihm energetisch saniertes Haus in unmittelbarer Nähe zu den neuen Leitungen an diese angeschlossen werden könne.

„Zunächst wurde seitens Hansewerk Natur kein Interesse gezeigt“, berichtet Haller. Erst nach einigen Telefonaten und Mails habe er letztlich ein Angebot für den Anschluss erhalten. 35.250 Euro sollte den Eigentümer die Maßnahme kosten – „so unwirtschaftlich, dass ich abgelehnt habe“, sagt er. Zumal die verbrauchsabhängigen Kosten sowie der Grundpreis in Höhe von 40 Euro im Monat aus seiner Sicht ebenfalls „sehr unangemessen“ seien.

„Wie soll so die Energiewende funktionieren?

Der Eigentümer kann sich das Prozedere rund um die neuen Fernwärmeleitungen kaum erklären: „Wenn in einem solchen Wohngebiet Leitungen verlegt werden sollen, dann hätte man doch eigentlich alle Anwohner anschreiben oder ansprechen sollen, ob ein Anschlussinteresse vorliegt“, meint er und ob der hohen Kosten: „Wie soll so die Energiewende funktionieren?“

Eine Sprecherin von Hansewerk Natur erklärt, dass der Anschlusskostenbeitrag für Fernwärme stark variieren kann. Darin enthalten seien unter anderem die Kosten für die Wärmeübergabestation, für Tiefbauarbeiten, Materialkosten und die Inbetriebnahme des Anschlusses. „Da die Gegebenheiten vor Ort sehr unterschiedlich sein können, kann der Anschlusskostenbeitrag unterschiedlich ausfallen“, so die Sprecherin.

Mehr zum Thema

„Bei günstigen Bedingungen kann dieser bei unter 15.000 Euro liegen. In den meisten Fällen liegt er zwischen 15.000 und 20.000 Euro.“ Im vorliegenden Fall des Bramfelder Eigentümers Haller seien die enormen Kosten darin begründet, dass der Anschluss direkt an eine Hauptleitung mit hohem Druck und hoher Temperatur erfolgen müsste, was eine spezielle Hausanschlussstation erfordere.

Hansewerk Natur betreibe mehr als 20 unterschiedlich große Wärmenetze in Hamburg. Insgesamt versorgt das Unternehmen rund 6300 Kunden in der Stadt mit Fernwärme.

Fernwärme Hamburg: Karte zeigt, wo sie möglich ist – theoretisch

Der Hamburger Senat macht zwar deutlich, dass die kürzlich erschienene Wärmenetzeignungskarte lediglich anzeigt, welche Haushalte künftig Teil des Netzes werden könnten, und nicht garantiert, dass der Anschluss auch zeitnah beziehungsweise überhaupt gelegt wird. Darüber entscheiden nämlich die Energieversorger. Dennoch bleibt den so angelockten Eigentümern ein fader Nachgeschmack.

Insbesondere, weil aus der Politik Fernwärme-positive Signale kommen. Noch am vergangenen Dienstag, bei der Präsentation der Wärmenetzeignungskarte, sagte Umweltsenator Jens Kerstan (Grüne) beispielsweise: „Wir gehen in Hamburg mit der Umsetzung der Wärmeplanung zügig voran und legen bereits jetzt mit der Wärmenetzeignungskarte einen wichtigen Zwischenschritt vor.“