Hamburg. Noch ist Fernwärme teuer, aber womöglich die Alternative zur Wärmepumpe. Wo neue Fernwärmeleitungen entstehen sollen.
Neun von zehn dänischen Wohnungen werden bereits mit Fernwärme beheizt, und genau so einen solchen Anschluss hätten in Zeiten gesetzlich regulierter Heizungsmodernisierung auch gerne viele Hamburger. Denn die Fernwärme ist eine der wenigen realistischen Alternativen zur Wärmepumpe mit Blick auf die ökologischen Vorgaben der Bundesregierung. Vor allem für Hamburgs schicke Altbauten wäre sie eine Lösung, denn die Fernwärme kommt mit mindestens 90 Grad für die Raumheizung beim Kunden an. Steigt das Interesse an Fernwärme? Wie wird das Netz in den nächsten Jahren ausgebaut? Wer hat Chancen auf einen Anschluss? Wo liegen die Fernwärmetrassen? Das Abendblatt beantwortet die wichtigsten Fragen.
Wie ist die Versorgung mit Fernwärme in Hamburg?
Mit einem Anteil von aktuell 25 Prozent ist die Versorgung mit Fernwärme zumindest besser als im Bundesdurchschnitt mit einem Anteil von 14 Prozent. Die stadteigenen Hamburger Energiewerke versorgen aktuell circa 250.000 Haushalte mit Fernwärme zum Heizen und zur Warmwasserbereitung. Darüber hinaus werden zahlreiche Industrie- und Gewerbekunden sowie Krankenhäuser und andere städtische Einrichtungen mit Fernwärme beliefert. Weitere 40.000 Haushalte werden nach einer Untersuchung des Bundesverbandes der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) von anderen Anbietern mit Fernwärme versorgt. Mit einer Länge der Rohrleitungen von 860 Kilometern verfügt Hamburg über das zweitgrößte Fernwärmenetz in Deutschland.
Steigt das Interesse an Fernwärme?
„Die Nachfrage nach Fernwärme ist im vergangenen Jahr erheblich gestiegen“, sagt eine Unternehmenssprecherin der Hamburger Energiewerke. Die Neuabschlüsse für das zentrale Stadtwärmenetz konnten im vergangenen Jahr um 16 Prozent gesteigert werden. Zu den neu mit Stadtwärme versorgten Gebäuden und Quartieren zählen unter anderem das Diakoniewerk Tabea in Altona (470 Wohneinheiten), das südliche Überseequartier in der HafenCity (1831 Wohneinheiten), die neue Gänsemarktpassage in der Innenstadt (231 Wohneinheiten) sowie der Bürocampus Westend Ottensen (234 Wohneinheiten).
Allerdings sind Wohneinheiten in der Zählweise der Hamburger Energiewerke nicht identisch mit privaten Wohnungen, sondern dienen nur der Veranschaulichung der erbrachten Heizleistung. Denn neben Wohnungen werden auch Büros, Gewerberäume oder soziale Einrichtungen angeschlossen. So heißt es von den Hamburger Energiewerken: Eine Wohneinheit entspricht dem Wärmebedarf einer 70 Quadratmeter großen Standardwohnung mit einem jährlichen thermischen Energieverbrauch von rund 8500 Kilowattstunden. Nach dieser Rechnung beliefern die Hamburger Energiewerke umgerechnet 517.000 Wohneinheiten mit Fernwärme.
Wie wird das Fernwärmenetz ausgebaut?
Der Senat hat das Ziel ausgegeben, den Anteil der leitungsgebundenen Wärmeversorgung in Hamburg bis 2030 von 25 auf 35 Prozent zu erhöhen. 35 Prozent sind nach Angaben der Umweltbehörde das Gesamtziel für die Stadt und beziehen sich nicht nur auf Wohnungen, sondern auch die gewerblichen Anschlüsse und die Industrie. „Wir werden einen Großteil dieses Ausbauziels realisieren und wollen bis 2030 die Leistung der angeschlossenen Abnehmer von Fernwärme um 450 Megawatt auf dann 1930 Megawatt erhöhen“, sagt eine Sprecherin der Hamburger Energiewerke (HEnW).
Wird das Leitungsnetz noch erweitert?
Jährlich wächst das Fernwärmenetz nach Angeben der HEnW um fünf bis zehn Kilometer. „Limitierungen gibt es unter anderem durch begrenzte Kapazitäten an eigenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern aber auch an Tiefbauunternehmen, die sich momentan vor allem auf die Verdichtung innerhalb des bestehenden Netzgebiets konzentrieren und zudem den Umbau zu einer klimaneutralen Erzeugung schultern müssen“, sagt eine Unternehmenssprecherin der HEnW.
Ein großer Teil des Wachstums bei der Hamburger Fernwärme wird durch Verdichtung erreicht. „Das bedeutet, dass Immobilien entlang der Fernwärmeleitungen, die heute mit Öl oder Gas beheizt werden, an das Wärmenetz angeschlossen werden“, sagt die HEnW-Sprecherin. Es sei aber auch ein Netzausbau geplant. So sollen vor allem in den Stadtteilen Lokstedt, Dulsberg, Wandsbek und Altona neue Straßenzüge und Quartiere für die Fernwärme erschlossen werden.
Haben auch Einfamilienhausbesitzer Chancen auf einen Anschluss?
Wenn man die Grundsätze der HEnW berücksichtigt, so dürften es Einfamilienhausbesitzer eher schwer haben. So heißt es zu den Kriterien des Anschlusses: „Bevor wir einem Gebäudeeigentümer ein Fernwärmeversorgungsangebot unterbreiten, prüfen wir immer, ob eine Fernwärmeleitung in unmittelbarer Nähe zum Gebäude liegt und ob am jeweiligen Ort noch ausreichend Wärmemenge zur Verfügung steht.“ Ein weiterer Aspekt ist der Bauaufwand für einen Anschluss, wobei dieser nahezu unabhängig von der Größe des anzuschließenden Objektes sei.
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Das spricht dafür, dass Mehrfamilienhäusern der Vorzug gegeben wird, auch wenn die HEnW das nicht so deutlich sagen. „Je näher das Objekt an einer vorhandenen Leitung liegt und je mehr Gas- oder Öleinsatz durch Fernwärme verdrängt werden kann, desto sinnvoller ist der Anschluss an das Fernwärmenetz und desto größer ist die Wahrscheinlichkeit der Umsetzung“, sagt die HEnW-Sprecherin. Das Unternehmen machte keine Angaben, was ein solcher Anschluss im Schnitt kostet.
Wo kann ich sehen, ob in meinem Wohngebiet Fernwärme liegt?
Die Behörde für Umwelt, Klima, Energie und Agrarwirtschaft verweist auf Hamburgs Wärmekataster: www.hamburg.de/energiewende/waermekataster/ Nach Eingabe eines Stadtteils oder Straßennamens kann man sehen, ob dort ein Fernwärmenetz liegt oder nicht. „Im positiven Fall kann man sich direkt an einen Vertriebskontakt des Wärmenetzbetreibers wenden und einen potenziellen Wärmenetzanschluss erfragen“, sagt Behördensprecherin Renate Pinzke.
„Im Zuge der kommunalen Wärmeplanung, die aber noch nicht abgeschlossen ist, werden Eignungsgebiete für den Ausbau und die Nachverdichtung von Wärmenetzen identifiziert und ausgewiesen.“ Zudem würden weitere Möglichkeiten klimaneutraler Wärmeversorgungslösungen mit Blick auf die jeweiligen räumlichen Gegebenheiten untersucht, um Gebäudeeigentümern eine Orientierung zu geben, wie sie sich klimaneutral mit Wärme versorgen können.
Wie teuer ist Fernwärme?
Absolute Angaben, etwa einen Preis pro Kilowattstunde, macht das Unternehmen nicht. Da sei je nach Abnehmer zu unterschiedlich. Der Heizspiegel beziffert die jährlichen Kosten für das Jahr 2022 für die Beheizung einer 70 Quadratmeter großen Wohnung in einem Mehrfamilienhaus mit Fernwärme auf 965 Euro. Es ist die teuerste Lösung von allen Energieträgern, nach Heizöl (945 Euro), allerdings müssen Fernwärmenutzer keine eigene Heizanlage anschaffen und warten. Die Gasheizung kostet in diesem Standardbeispiel 820 Euro, die Wärmepumpe 840 Euro und die Pelletheizung 580 Euro.
Die HEnW verweisen darauf, dass es im Vergleich 2021 zu 2022 für den Großteil der Kunden in der Fernwärmeversorgung zu einem Preisanstieg von rund 60 Prozent gekommen ist, der durch den Kohle- und Gaspreisanstieg begründet ist. Dagegen seien in den Jahren 2017 bis 2021 die Preise insgesamt im Durchschnitt nur um 6,3 Prozent gestiegen. Aktuell gilt für Fernwärme noch eine gesetzliche Obergrenze von 9,5 Cent je Kilowattstunde für 80 Prozent des Verbrauchs vom Vorjahr. Für den Rest ist der volle Marktpreis zu zahlen.
Was sind die größten Probleme bei der Umstellung des Fernwärmenetzes?
Wer im nächsten Jahr an das Hamburger Fernwärmenetz angeschlossen wird, ist noch weit entfernt von einem Anteil an 65 Prozent erneuerbarer Energie, wie es nach dem Regierungsentwurf des Heizungsgesetzes vorgegeben ist. Aber das muss Fernwärmekunden nicht besorgen, denn im Gesetzentwurf heißt es: „Bei Anschluss an ein bestehendes Wärmenetz gilt die Vorgabe unabhängig vom Anteil an erneuerbaren Energien oder Abwärme am Erzeugungsmix des Netzes als erfüllt.“ Das Fernwärmenetz muss dann bis 2030 mindestens 50 Prozent klimaneutrale Wärme liefern.
Noch werden über 80 Prozent der Hamburger Fernwärme aus fossilen Energieträgern erzeugt. Bis zum Jahr 2025 soll das Kohlekraftwerk in Wedel ersetzt werden, bis spätestens 2030 das letzte verbliebene Kohlekraftwerk in Tiefstack. Für die künftige Wärmeversorgung der Hansestadt setzen die HEnW unter anderem auf die verstärkte Nutzung von Abwärme aus energieintensiven Industriebetrieben, aus verschiedenen Müllverbrennungsanlagen in der Metropolregion und aus Klärwerksprozessen.
Schon jetzt werden Wohnungen in der HafenCity und in Rothenburgsort mit der Wärme geheizt, die bei Produktionsprozessen bei Aurubis entsteht. „Nachdem ein Strang für einen anderen Wärmeanbieter bereits in Betrieb ist, planen wir, einen zweiten Strang zur Heizsaison 2024/25 zusammen mit den Hamburger Energiewerken in Betrieb zu nehmen“, sagt ein Aurubis-Sprecher. Bis zu 28.000 Wohnungen sollen einmal von Aurubis mit Wärme versorgt werden.