Hamburg. Obwohl es keinen Planfeststellungsbeschluss gibt, sollten auch Bäume fallen. Es war offenbar eine Panne. Das sagt die Bahn.

Die Deutsche Bahn arbeitet weiter auf den Abriss von Gebäuden und weitere Baumfällungen hin, um den Neubau der Sternbrücke in Hamburg-Altona vorzubereiten. Dabei gab es offenbar eine Kommunikationspanne. Zunächst hatte es geheißen, es werde auch ohne Planfeststellungsbeschluss mit dem Abriss von Häusern begonnen. Das entpuppte sich jedoch als falsch. Gegner wie die Initiative Sternbrücke und Anwohner protestieren gegen die Neubaupläne. Die Kasematten am Brückenrand werden aktuell von Schadstoffen befreit und verstärkt. Dort hausten bis vor Kurzem die stadtbekannten Clubs, die mithilfe des Senats zum Teil Ausweichquartiere gefunden haben. Auf den Kasematten ruht in Zukunft die neue Brücke, die mit ihrer Stahlbogenkonstruktion erheblich größer sein wird als die bisherige, aus dem Jahr 1926 stammende Brücke.

Über sie fahren jeden Tag rund 900 ICE, Regionalbahnen, Güter- und S-Bahn-Züge auf vier Gleisen. Die Bahn erklärte zunächst, sie dürfe auch ohne formellen Planfeststellungsbeschluss bereits mit Arbeiten beginnen. Doch diese erste Info war nach Angaben der Bahn irreführend. Es werde momentan kein Haus abgerissen, kein Baum gefällt, ehe ein formaler Planfeststellungsbeschluss vorliege, erklärte ein Bahnsprecher am Montagnachmittag. Es geht um sieben Gebäude oder Gebäudeteile, die bis Mai dem Neubau weichen sollen.

Die Initiative Sternbrücke warf dem Staatskonzern vor, „den Rechtsstaat zu unterhöhlen“. Die Bahn habe Angst vor Klagen gegen den Bau der neuen Sternbrücke. Die Initiative sammelte bereits 41.000 Euro, um ein Verfahren gegen die Planfeststellung zu finanzieren (das Abendblatt berichtete). Auch Parteien hatten bereits auf die verfrühte Abrissankündigung reagiert. Die Bahn teilte mit, man sei mit den Betroffenen in regelmäßigem Austausch.

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Initiativensprecherin Marlies Thätner erklärte: „Wir fordern Bahn, Bezirk und Senat auf, das Planfeststellungsverfahren zu respektieren und sämtliche Bauarbeiten bis zu einer gültigen Baugenehmigung zu stoppen. Ohne offizielle Baugenehmigung für die Brücke 40 teilweise geschützte Bäume zu fällen und fünf teilweise denkmalgeschützte Gebäude abzureißen, schafft vollendete Tatsachen und macht jeden später erreichten Baustopp zur Farce.“

Sternbrücke: Der Abriss soll im Februar 2024 beginnen – wenn der Planfeststellungsbeschluss da ist.
Sternbrücke: Der Abriss soll im Februar 2024 beginnen – wenn der Planfeststellungsbeschluss da ist. © FUNKE Foto Services | Marcelo Hernandez

Die Bahn habe lediglich „per Postkarte und online“ in der vergangenen Woche mitgeteilt, dass die Vorarbeiten nun begännen. So stand es auch auf der Projektseite im Internet. Dort hieß es, bestimmte Arbeiten seien auch ohne den Planfeststellungsbeschluss umsetzbar. Es würden lärmarme Geräte eingesetzt, darunter ein „vollelektrischer Abbruchroboter“. Entlang des Bahndamms würden 40 der 86 Bäume gefällt, für die es jedoch Ersatzpflanzungen im Bezirk gebe. Zudem seien die Fällarbeiten mit der Umweltbehörde und dem Bezirksamt abgestimmt: „Selbstverständlich halten wir uns an die in Hamburg geltenden Zeiträume für Vegetationsarbeiten.“

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Die Bahn erklärte zudem: „Uns ist die Tragweite der Maßnahmen für die betroffenen Mieterinnen und Mieter bewusst und (wir) haben uns daher intensiv mit der Situation beschäftigt. So haben wir die Beschaffung von Ersatzwohnraum für die verbliebenen Mieterinnen und Mieter übernommen.“

Vom Bezirksamt Altona hieß es, dass Abrissgenehmigungen schon vorlägen: „Zur Versachlichung der Debatte kann das Bezirksamt mitteilen, dass es für insgesamt neun Gebäude im Umfeld der Sternbrücke und im Zusammenhang mit den dort geplanten Arbeiten Abrissgenehmigungen erteilt hat. Da die Abrissanträge im sogenannten vereinfachten Genehmigungsverfahren gestellt wurden, ist das Denkmalschutzamt vom Bezirksamt Altona im Rahmen des Genehmigungsverfahrens nicht beteiligt worden, weil Denkmalrecht kein Prüfgegenstand im vereinfachten Genehmigungsverfahren ist.“ Diese Genehmigungen müsse der Bauherr selbst einholen. Um Bäume fällen zu dürfen, müsse es erst einen Planfeststellungsbeschluss geben.

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Die Gegner bemängeln, dass die Alternativen für die geplante Brücke nicht geprüft worden seien. Zudem liege noch immer keine Verkehrsplanung vor, die eine „Aufweitung“ des Straßenraumes unter der Brücke begründen könnte. Diese Aufweitung meint, dass unmittelbar unter der Brücke mehr Platz geschaffen werden solle, um auf der Stresemannstraße Autos und Lkw sowie Busse, Fahrräder und die Fußgänger besser nebeneinander „verkehren“ zu lassen. Wie das künftig geregelt wird, ist noch unklar. Eine Bürgerbeteiligung soll dabei helfen, eine Lösung zu finden.

So soll die künftige Sternbrücke aussehen.
So soll die künftige Sternbrücke aussehen. © Hamburg | DB/Ney & Partners/ rendertaxi/ architecture.visualisation

Nur durch diese politisch gewollte „Aufweitung“ wird überhaupt die neue Brücke in der Größe gebaut, die sie nach den Plänen der Bahn haben soll. Alternative Pläne würden wie bisher Stützelemente auf der Straße erfordern. Die Kritiker führen an, dass sowohl auf der Stresemannstraße als auch der Max-Brauer-Allee unmittelbar vor und hinter der Brücke sich der Straßenraum wieder extrem verenge.

Hier stehen die Häuser so nah am Bordstein, dass die gewollte „Aufweitung“ wirklich nur unter der Brücke entstehe. So führen zum Beispiel Radler in Zukunft weiter eng an den Lkw, hätten unter der Brücke mehr Platz, um direkt danach wieder in die Enge zu strampeln. Am Sonntagabend bereits hing ein Plakat von Brückengegnern über der Stresemannstraße. Der geplante Neubau sei „tödlich für das Viertel“. Initiativensprecherin Thätner sagte dem Abendblatt, die Kreiselkonzerte (zuletzt mit der Band Meute) und Proteste gingen weiter. Möglicherweise werde man sich neue Formen des Widerstands gegen den Neubau überlegen.