Hamburg. Stabbogenbau über 108 Meter bleibt „gesetzte Variante.“ Neuer Entwurf der Sternbrücke unterscheidet sich nur wenig vom alten.
Kreativwerkstatt, Bürgerbeteiligung und zeitgemäßes Bauen: Die Deutsche Bahn hat versprochen, bei der Planung und Gestaltung der Sternbrücke über einer der meistbefahrenen Straßen Hamburgs und auf einer der höchstfrequentierten Gleisstrecken Deutschlands die Bedenken zu berücksichtigen. Was sie am Donnerstag präsentierte, zeigte mit leichten Abänderungen den ursprünglichen Planungsstand der Sternbrücke.
Die Initiative Sternbrücke reagierte entsetzt auf diesen Vorschlag. Ihr Sprecher Axel Bühler sagte dem Abendblatt: „Die Planung ist und bleibt so mangelhaft, dass sie nach Einschätzung unserer Anwältinnen und Anwälte vor Gericht keinen Bestand haben wird.“ Die Initiative bereite mit Partnern und privaten Eigentümern Verbands- und Privatklagen vor. Vor einer gerichtlichen Auseinandersetzung, so die Mindestforderung der Gegner an Bahn und Senat, dürften weder Bäume gefällt noch Häuser abgerissen werden.
Auf den ersten Blick waren keine, auf den zweiten kleine Korrekturen am Ausgangsentwurf einer gewaltigen, 108 Meter langen Stabbogenbrücke über Stresemannstraße und Max-Brauer-Allee zu erkennen. Das hat für die Bahn gute Gründe: „Der Stabbogen ist die gesetzte Variante“, sagte DB-Projektleiter Markus Warnken.
Sternbrücke: Was den Neubau so kompliziert macht
Nach den Vorgaben auch von der Stadt Hamburg gebe es keine Alternative. Ein kompletter Neuentwurf sei auch nie in Frage gekommen. Im Übrigen gebe es eisenbahntechnische und gesetzliche Anforderungen, denen die Bahn nachkommen müsse. Das Unternehmen verfolge den Deutschlandtakt als Ziel, mit dem die Zahl der Verbindungen zwischen den großen Städten erhöht werden soll.
Umweltaspekte mit einer deutlich erhöhten Zahl an Fahrgästen, die möglicherweise vom Auto oder aus dem Flugzeug umsteigen, kommen hinzu. Der Sternbrücke in ihrer neuen Bauweise fällt dabei eine wichtige Rolle zu. Sie soll nicht nur den Verkehr auf der sogenannten Verbindungsbahn mit rund 900 Zügen pro Tag (inklusive S-Bahn) stabil gewährleisten. Denn die Brücke von 1926 ist marode. Ihre Kasematten stammen sogar von 1890.
Von Hamburg nach Sylt und Kiel
Die Sternbrücke ist auch das Bindeglied vom Hauptbahnhof Richtung Altona (zukünftig Diebsteich), nach Sylt und Kiel – und quasi für die meisten Fernzüge zu den Bahnbetriebswerken in Langenfelde und Eidelstedt. Dort werden die ICEs und Intercitys gereinigt und gewartet.
Projektleiter Warnken sagte, die Kreativwerkstatt habe Ideen erbracht, die in den neuen Entwurf eingeflossen seien. „Die Brücke wirkt leichter, filigraner.“ Neu sind vor allem die integrierten Lärmschutzwände. Beim „Unterbau“ hat die Bahn keine Alternative. Die derzeitigen Stützpfeiler müssen nach Hamburger Vorgaben fallen und die Statik anders bewerkstelligt werden. Denn unter der Brücke soll der Verkehr vierstreifig rollen. Hier ist die angestrebte Verteilung noch nicht klar. Ein breiter Radstreifen? Einer, auf dem auch die Busse fahren, die hier in hoher Frequenz verkehren?
Wie soll der Raum unter der Sternbrücke verteilt werden?
Stephan Deyß von der Verkehrsbehörde wies darauf hin, dass es an der Sternbrücke im Vergleich kaum Radverkehr gebe und nur „untermaßige Fußwege“. Heißt: zu wenig, zu klein. Und: „Die Randbedingungen haben sich geändert.“ Deyß meinte damit, dass Fußgänger, Busse und Räder „zwingend mehr Platz“ haben müssten. Die Verkehrsbehörde war zwar bereits in die ersten Planungen der neuen Sternbrücke vor einigen Jahren eingebunden. Damals aber war sie noch nicht von einem Grünen geleitet worden. Fahrradsenator Anjes Tjarks ist erst seit 2020 im Amt.
Die Linken-Verkehrsexpertin Heike Sudmann attackierte den Senat und die Tjarks-Behörde harsch: „Wie befürchtet, hat sich nichts an den Ausmaßen der Sternbrücke geändert. Egal, wie oft betont wird, es sei ein filigranes Bauwerk: Dieses Monstrum passt sich in keinster Weise in den Stadtraum ein. Alle Welt spricht von der Klimakrise und der notwendigen Reduzierung des Autoverkehrs. Doch die Verkehrsbehörde hat bis heute keine Vorstellung, wie viel Verkehr sie unter der Brücke in Zeiten des Klimakrise überhaupt noch vertretbar findet.“ Tjarks halte an der Verbreiterung unterhalb der Brücke fest, um „viel Autoverkehr“ darunter rollen zu lassen. „Dadurch zementiert die BVM die Überdimensionierung der neuen Sternbrücke.“
Initiativen-Sprecher Bühler sagte: „Wir fordern Bahn und Senat im Interesse einer schnellen Klärung auf, das Gerichtsverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht zu vermeiden, und die Planungen mit städtebaulichem Wettbewerb und vernünftiger öffentlicher Beteiligung sofort neu zu starten.“
Sternbrücke: Das ist der alternative Entwurf
Die Bahn bedauerte am Donnerstag noch einmal, dass Gebäude abgerissen werden und dass Bäume fallen müssen. Sie sollen im Stadtteil nachgepflanzt werden. Auf einer Fläche an der Max-Brauer-Allee soll die neue Brücke zusammengebaut werden. Ob es bei den Gesamtkosten von 125 Millionen Euro bleibt, ist fraglich, gab die Bahn zu. Quasi jedes Bauprojekt verteure sich derzeit. Der Planfeststellungsbeschluss soll im kommenden Jahr da sein. Anfang 2023 bereits rückt der Kampfmittelräumdienst an der Sternbrücke an, um das Umfeld zu sondieren. Dass gegen den Stabbogenbau geklagt wird, scheint sicher. Zurzeit rechnet die Bahn mit einer Fertigstellung im Jahr 2027.
Mit mehreren Protestaktionen hatten sich Anwohner gegen den Neubau gestemmt. Prominente aus Altona wie Jan Delay oder Fatih Akin und Nina Petri hatten sie dabei unterstützt. Die Initiative Sternbrücke hatte große Sympathie gezeigt für den Neuentwurf des Hamburger Architekten Prof. Karsten Bauer. Brauer, der reichlich Erfahrungen mit Großprojekten im Verkehrswesen hat, zeigte im Abendblatt eine Vision der Sternbrücke, die eine schlanke Stützenkonstruktion hat und eine geringere Spannweite. Die Wucht der Stabbögen war ersetzt durch drei gebogene Stahlträger.
Bühler sagte: „Der Brückenneubau erdrückt die gewachsene Stadt und kleinteilige Kultur um die Brücke herum, die Klimabilanz des Neubaus ist verheerend. Die Baumfällungen nur für den Transport der Brücke werden das Mikroklima in der Max-Brauer-Allee drastisch verschlechtern. Der klar überlegene Entwurf von Prof Brauer/Dr. Meyer, der das überflüssig macht, wird nicht einmal erwähnt.“
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S-Bahn-Tunnel vom Hauptbahnhof geplant
Das renommierte Ingenieurbüro WP aus Winterhude hat Brauers Vorschlag berechnet und ist zu dem Ergebnis gekommen: Es ist günstiger und schneller zu bauen. Der geschäftsführende Gesellschafter von WP Ingenieure, Ulrich Meyer, sagte: „Gegenüber dem Brückenentwurf der Bahn mit einer Spannweite von über 108 Metern zeigt der Entwurf von Prof. Brauer eine maximale Spannweite von weniger als 40 Metern. Wir halten allein dadurch Kosteneinsparungen von circa 30 Prozent für realistisch.“ Auch Brauer hat berechnet, dass möglicherweise in Zukunft auf vier statt zwei Gleisen die Fern- und Regionalbahn verkehrt. Denn Bahn und Senat liebäugeln nach wie vor mit dem Neubau eines Tunnels, der vom Hauptbahnhof Richtung Diebsteich führt und die S-Bahn beherbergt.
Was aus einer weiteren Bürgerbeteiligung an der neuen Sternbrücke wird, ist fraglich. Bahn und Verkehrsbehörde sehen diesen Teil des Projektes offenbar für abgeschlossen an. Linken-Politikerin Sudmann sagte: „Ich kann einfach nicht verstehen, weshalb die BVM den Alternativentwurf von Professor Brauer, der eine elegante, viel kleinere und stadtraumverträgliche Brückenkonstruktion vorgeschlagen hat, nicht ernsthaft prüft. Das wäre für die Stadt und die Bahn eine wesentlich bessere Lösung.“