Hamburg. Hamburgs Hafen Drehscheibe des Kokainimports. Bürgermeister will in Allianz gefährlichen Boom organisierter Kriminalität verhindern.
Die Reise war zuvor nicht bekannt gemacht worden – aus Sicherheitsgründen: Hamburgs Bürgermeister Peter Tschentscher ist in dieser Woche nach Kolumbien gereist. Das Ziel der Südamerikareise gemeinsam mit den Bürgermeistern Ahmed Aboutaleb (Rotterdam) und Bart De Wever (Antwerpen): In einer Allianz wollen die drei Politiker den Drogenschmuggel über Europas wichtigste Häfen und die damit verbundene Organisierte Kriminalität wirksamer bekämpfen.
Dazu haben Tschentscher und seine Amtskollegen Gespräche mit der kolumbianischen Regierung und den dortigen Sicherheitsbehörden geführt. Begleitet werden sie von einer 40-köpfigen Delegation mit Vertreterinnen und Vertretern der deutschen, niederländischen und belgischen Zoll-, Sicherheits- und Hafenbehörden.
„Die zuletzt deutliche Zunahme der Kokaineinfuhr über die deutschen Seehäfen ist ein Alarmsignal“, sagte Tschentscher. Die Entwicklungen in Rotterdam und Antwerpen hätten gezeigt, dass ein wachsender Drogenkonsum und der Drogenschmuggel über die Häfen mit einer gefährlichen Ausweitung der Organisierten Kriminalität insgesamt einhergingen. „Das müssen wir in Hamburg verhindern.“
Hafen Hamburg ist zur Drehscheibe für Kokainschmuggel geworden
Insider gehen davon aus, dass über den Hamburger Hafen jährlich Kokain im Wert von bis zu 16 Milliarden Euro Straßenverkaufswert umgeschlagen wird. Das Geschäft, so ist man sich im Landeskriminalamt sicher, ist dabei fest in den Händen der Organisierten Kriminalität. Das bereitet auch dem neuen Polizeipräsidenten Falk Schnabel Sorgen. Ermittler gehen davon aus, dass Mitarbeiter der Hafenwirtschaft gezielt von kriminellen Gruppen angeworben werden.
Die Organisierte Kriminalität braucht sie, um einen reibungslosen Schmuggel des Kokains abzuwickeln, das per Schiff aus Südamerika kommt. Um den Hamburger Hafen besser zu schützen und Drogenkriminalität wirksamer zu bekämpfen, wurde im vergangenen Jahr auf dem Hamburger Hafensicherheitsgipfel die „Allianz Sicherer Hafen Hamburg“ gegründet.
Kolumbien ist für zwei Drittel des weltweiten Kokain-Anbaus verantwortlich und Europa zählt zu den wichtigsten Absatzmärkten. Das Geschäft boomt. Allein im Hafen von Antwerpen wurden 2023 rund 116 Tonnen Kokain sichergestellt, in den Niederlanden waren es 59 Tonnen. Anlässlich der Gründung der „European Ports Alliance“ in der vergangenen Woche teilte das Bundesinnenministerium mit, dass in Deutschland im vergangenen Jahr 35 Tonnen Kokain sichergestellt wurden. Laut Zoll wurde der Großteil davon im Hamburger Hafen beschlagnahmt. Im Sommer hatte eine Einbruchsserie im Hamburger Hafen für Rätsel gesorgt. Vermutet wurde ein Zusammenhang mit Drogengeschäften.
Kolumbiens Polizisten setzen Leben im Kampf gegen Drogen ein
Tschentscher und seine Bürgermeister-Kollegen besuchten in Kolumbiens Hauptstadt Bogotá eine Konferenz der dortigen Außen-, Justiz-, Handelsministerien sowie der obersten Repräsentanten der kolumbianischen Marine und der Nationalpolizei. Die kolumbianische Regierung habe die dramatischen Folgen der organisierten Drogenkriminalität für ihr Land und ihre Strategie und Maßnahmen im Kampf gegen Drogenhandel dargelegt, hieß es von der Pressestelle des Hamburger Senats. Die Regierung sei bereit, mit den Häfen von Hamburg, Rotterdam und Antwerpen direkt zu kooperieren.
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Parallel dazu führten die Sicherheitsexperten der Delegation Gespräche mit Drogenbekämpfungseinheiten von Polizei, Zoll, Staatsanwaltschaft und dem Militär. Mit modernster Technik und teils unter Einsatz des Lebens vieler Polizisten versuche Kolumbien, die illegalen Drogengeschäfte zu unterbinden, hieß es. Darüber hinaus fand eine gemeinsame Konferenz mit den Hafenbehörden von Kolumbien, Peru und Ecuador statt, in der sich hochrangige Hafenvertreterinnen und -vertreter über Sicherheitsmaßnahmen und eine bessere internationale Kooperation austauschten.
Hamburgs Bürgermeister Tschentscher und Kollegen wenden sich an EU
Die Leiterin des Büros für Drogen- und Verbrechensbekämpfung der Vereinten Nationen (UNODC) in Kolumbien schilderte ihrerseits die dramatischen Folgen der organisierten Drogenkriminalität für die Bevölkerung in den Kokain-Anbaugebieten. Bewaffnete Banden verbreiten Unterdrückung und Gewalt, setzen den Anbau von Kokainpflanzen durch und verhindern den Aufbau einer legalen Wirtschaft, die den Menschen bessere Zukunftsperspektiven geben würden. Am Dienstag besuchten die Bürgermeister die Hafenstadt Buenaventura und sprachen mit der Küstenwache der Marine, dem Leiter der Hafenpolizei und dem Geschäftsführer der Hafenverwaltung.
„In Bogotá und Buenaventura haben wir viele neue Informationen erhalten, Ansprechpartner für unsere Hafen- und Sicherheitsbehörden gefunden und direkte Kooperationen vereinbart. Auch in Deutschland müssen wir die technische Überwachung der Häfen, der Terminals, der Schiffe und Container verbessern“, sagte Tschentscher. „Nur ein entschlossener Kampf gegen die international organisierte Drogenkriminalität kann uns vor einer Entwicklung bewahren, die in den Niederlanden und Belgien bereits eingetreten ist.“ Mit den Bürgermeistern von Rotterdam und Antwerpen will er die praktische Kooperation fortführen und mit einem gemeinsamen Bericht über die Lateinamerika-Reise auf die nationalen Regierungen und die Europäische Kommission zugehen.