Hamburg. Neuer Bericht zum Sozialmonitoring beleuchtet die sozialen Status der Stadtteile. Dabei zeigte sich: Es gibt gute Nachrichten.
Sag mir, wo du wohnst – und ich sag dir, wer du bist? In Hamburg beruft sich mancher Stadtteil gern auf sein Image, besonders grün, urban oder wohlhabend zu sein. Die Nennung anderer Gegenden ist wiederum sofort mit negativen Konnotationen verbunden.
Doch so einfach ist es nicht, zeigt der just erschienene Sozialmonitoring-Bericht der Hamburger Stadtentwicklungsbehörde. Der seit 2010 jährlich erscheinende Report gibt ein Bild über die soziale Ungleichheit innerhalb der Stadt ab.
Soziale Ungleichheit in Hamburg: Wo sich Kriege, Krisen und Armut bemerkbar machen
Mit dem Monitoring beobachtet die Behörde sozialräumliche Entwicklungen in Hamburg. In welchen Gebieten herrscht ein niedriger sozialer Status? Wo hat sich die Lage stabilisiert oder verbessert? Und welche Quartiere benötigen jetzt besondere Unterstützung? Im neuen Bericht der Stadtentwicklungsbehörde mit dem Stichtag 31. Dezember 2022 wird deutlich: Der Krieg in der Ukraine mitsamt vielfacher Migration nach Hamburg ist nicht spurlos an der Stadt vorbeigegangen.
Doch die damit einhergehenden sozialen Herausforderungen wurden offenbar weitgehend aufgefangen – und die Spaltung in der Stadt hat nicht zugenommen.
Soziale Ungleichheit: Krisen der Welt kommen auch in Hamburg an
Im Sozialmonitoring untersucht die Behörde nicht allein Stadtteile, sondern geht deutlich kleinteiliger vor. Erkenntnisse aus 856 sogenannten statistischen Gebieten, die das Statistikamt Nord festgelegt hat, fließen in den Bericht ein. Daher lassen sich auch kleinräumige Veränderungen ausmachen.
Um den jeweiligen Status eines Gebiets zu bestimmen, bezieht die Behörde unter anderem folgende Indikatoren ein: die Anzahl der Empfänger staatlicher Leistungen, die Arbeitslosigkeit, die Zahl der Kinder in Mindestsicherung, die Zahl der Kinder und Jugendlichen mit Migrationshintergrund sowie die Zahl der Jugendlichen ohne Schulabschluss. Aus den Indikatoren bildet die Behörden den jeweiligen Sozialstatus von hoch bis sehr niedrig.
Sozialmonitoring: Spaltung zwischen Hamburgs Quartieren hat 2022 nicht zugenommen
Erstaunlicherweise lautet die Quintessenz des neuesten Berichts jedoch trotz rund 40.000 Geflüchteter, die allein im Jahr 2022 zugewandert sind: Die sozialräumliche Polarisierung in Hamburg nimmt nicht weiter zu. Die Spaltung zwischen wohlhabenden und einkommensschwachen Quartieren ist nicht größer geworden.
„Mehr noch, im Vergleich zum Vorjahr haben mehr statistische Gebiete ihren Status verbessern können als noch im letzten Jahr“, kommentiert Stadtentwicklungssenatorin Karen Pein (SPD). Dabei handele es sich fast zur Hälfte um Gebiete mit vormals sehr niedrigem Status.
Pein macht für das erfreuliche Ergebnis unter anderem das Rahmenprogramm Integrierte Stadtteilentwicklung (RISE) verantwortlich. „Die Lebensqualität in einzelnen Quartieren wird durch Maßnahmen unter anderem in die soziale Infrastruktur und das Wohnumfeld gezielt verbessert“, sagt sie. Im Jahr 2022 habe Hamburg dafür rund 56,6 Millionen Euro in die Hand genommen.
Gebiete mit niedrigem Status über beinahe ganz Hamburg verteilt
Besonderes Augenmerk legt die Behörde auf jene statistischen Gebiete, die im Monitoring als Gegenden mit niedrigem oder sehr niedrigem sozialen Status ausgemacht werden. Auffällig ist, dass die statusniedrigen Gebiete sich beinahe über das gesamte Stadtgebiet verteilen und sich nicht etwa in wenigen größeren Gegenden befinden. Einige Cluster lassen sich dennoch ausmachen: etwa am östlichen Stadtrand in den Bezirken Bergedorf, Hamburg-Mitte und Wandsbek sowie auf der Elbinsel im Bezirk Mitte und südlich der Elbe im Zentrum des Bezirks Harburg konzentrieren sich statusniedrige Gebiete.
Cluster statistischer Gebiete mit hohem Status finden sich wiederum insbesondere in den Elbvororten im Bezirk Altona, westlich des Alsterlaufs im Bezirk Eimsbüttel und in den Walddörfern im Bezirk Wandsbek. Auch steige der Status im Bereich der Vier- und Marschlande im Bezirk Bergedorf an, heißt es im Bericht.
Die allermeisten Hamburger leben in Gebieten mit mittlerem oder hohem Status
Im jüngsten Bericht fällt auf, dass die sozialen Räume in Hamburg im Jahr 2022 besonderen Schwankungen unterworfen waren. Im Vergleich zu den Vorjahren haben mehr statistische Gebiete ihren Status gewechselt. Dass die Welt im Wandel ist, kommt also auch in Hamburg an, lässt sich vermuten. Die positive Nachricht: 52 Gebiete konnten ihren Status verbessern, deutlich mehr als im Vorjahr. Darunter sind 24 statistische Gebiete, die nun nicht mehr als „sehr niedrig“ eingestuft werden. 34 Gebiete wiederum verloren eine Statusstufe.
In der Gesamtrechnung ist der Anteil der Gebiete in Hamburg mit sehr niedrigem Status von 9 auf rund 7 Prozent gesunken. Dafür ist der Anteil der Gebiete mit dem Status niedrig von etwa 8 auf rund 10 Prozent gestiegen. Die Zahl der Menschen, die ein statistisches Gebiet mit mittlerem oder hohem Status bewohnen, hat zudem mit knapp 1,6 Millionen einen neuen Rekordwert erreicht. Das sind rund 82 Prozent der Hamburgerinnen und Hamburger.
40.000 Geflüchtete, doch gleichbleibend viele Hamburger in Gebieten mit niedrigem Status
Das Jahr 2022 war aufgrund des Krieges in der Ukraine von Migration geprägt. Um rund 40.000 Einwohner stieg die Bevölkerungszahl infolgedessen. Jedoch: Die Zahl der Bewohner von Gebieten mit niedrigem oder sehr niedrigem Status hielt sich konstant bei 347.000. Das bestätigt einen langfristigen Trend. Seit dem Berichtsjahr 2012 nimmt die Zahl der Menschen in Gebieten mit niedrigem oder sehr niedrigem Status ab – und das, obwohl Hamburg insgesamt wächst.
An anderen Stellen im Bericht spiegelt sich die Fluchtbewegung deutlicher wider. So zeigt sich in 30 Gebieten, in denen sich Geflüchtetenunterkünfte befinden, eine negative Dynamik des Sozialstatus. In Gegenden ohne Unterbringungen ist die Statusdynamik viel seltener negativ. Auch sind Gebiete mit niedrigem oder sehr niedrigem Status häufiger solche, in denen sich Geflüchtetenunterkünfte befinden.
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Wichtig an der Stelle: Die Zahl der Kinder und Jugendlichen mit Migrationshintergrund gilt als einer der sieben Indikatoren für den jeweiligen Status eines Gebiets. Dementsprechend wirkt sich die Zahl der Geflüchteten automatisch negativ auf die Bewertung einer Gegend aus. Ein tatsächlicher Zusammenhang zwischen migrantischen Bewohnern und dem Status eines Gebiets lässt sich also nur bedingt herstellen.
Hamburg: Monitoring-Bericht wirft Schlaglicht auf soziale Ungleichheit
Der Stadtentwicklungsbehörde dient das Sozialmonitoring nicht als bloße Information darüber, wie es um soziale Ungleichheit in der Stadt steht. Sie nutzt die Erkenntnisse aus dem Beobachtungssystem, um Quartiere mit niedrigem oder sinkendem sozialen Status rechtzeitig zu erkennen und ihnen Aufmerksamkeit zu schenken. Denn hinter statusniedrigen Gebieten lassen sich soziale Herausforderungen vermuten. Wo Bedarf besteht, greift das RISE-Programm. Mithilfe der Förderung sollen die Gebiete städtebaulich aufgewertet und sozial stabilisiert werden.
Das Programm wirkt offenkundig. Nach Informationen der Stadtentwicklungsbehörde ist der Anteil statistischer Gebiete mit sehr niedrigem sozialen Status in den RISE-Fördergebieten innerhalb des Jahres 2022 um rund 7 Prozentpunkte auf etwa 24 Prozent gesunken. Derzeit umfasst das RISE-Programm 143 der statistischen Gebiete.