Hamburg. Auch Hamburger sehen sich mit horrenden Kosten konfrontiert. Sie werfen Konzern überhöhte Abrechnungen vor – der widerspricht.
Wenn ein Schreiben mit einer Heizkosten-Nachforderung in Höhe von knapp 9000 Euro hereingeflattert kommt, könnte das bei einigen Mieterinnen und Mietern vielleicht schon für einen Schwächeanfall sorgen. Das ist ein Extrembeispiel, doch zahlreiche Vonovia-Mieter in Deutschland – auch in Hamburg – klagen derzeit über vierstellige Beträge, die sie nachzahlen sollen.
Dass die Mieter in den Widerspruch gehen können, wissen sie häufig nicht. Und wie die hohen Preise zustande kommen, erscheint vielen Betroffenen nicht nachvollziehbar. Ein deutschlandweites Bündnis aus diversen Mietern und Vereinen namens VoNO!via kämpft nun gegen die horrenden Forderungen des Wohnungsriesen – und fordert in einem offenen Brief die Abkehr des Konzerns von seinem Heizkosten-Geschäftsmodell.
Vonovia: Bis zu 9000 Euro Heizkosten-Nachforderung für Mieter
„Das ist ein bundesweites Phänomen, auch wir in Hamburg haben eine Reihe von hohen Heizkosten-Nachforderungen“, sagt Paul Mann, Rechtsanwalt im Mieterverein zu Hamburg. Selbstverständlich waren erhöhte Energiekosten für das Jahr 2022 abzusehen, Stichwort Ukrainekrieg. „Doch was da an Kosten entsteht, das steht in keinem Verhältnis zu den tatsächlich aufgewandten Kosten für die Beheizung“, ist sich Rolf Bosse, Vorsitzender des Mietervereins zu Hamburg, sicher – Kriegsfolgen und gestiegene Importkosten hin oder her. Vonovia selbst widerspricht dieser Darstellung.
Zahlreiche Mieter leiden nun an einer finanziellen Überforderung, die ihnen Angst vor Armut und Wohnungsverlust mache. „Ich habe schon alles gesehen hier in Hamburg – bis hin zu Nachzahlungen von 5000 Euro“, sagt Bosse. Etwa zehn bis 15 Prozent der Vonovia-Mieter seien von Nachzahlungen betroffen. Insgesamt vermietet der Konzern ungefähr 10.000 Wohnungen in Hamburg sowie rund 2000 weitere in der Peripherie.
Vonovia-Mieter sollten in Widerspruch gehen
Wichtig ist: Landet ein Brief der Vonovia mit deftigen Forderungen im Kasten, müssen Mieter nicht sofort zahlen, informiert Bosse. Sie können von ihrem Einsichtsrecht Gebrauch machen. Dann muss die Vonovia ihnen Verträge, Rechnungen und Zahlungsnachweise vorlegen. Gehen die Betroffenen in den Widerspruch, können sie die Zahlung vollständig zurückbehalten, bis die Vonovia mit den Belegen bewiesen hat, wie die hohen Heizkosten zustande kommen.
Bisher sei nicht eine Abrechnung vollständig belegt worden, berichtet das Bündnis. Die Vonovia habe den Widerspruch bislang in jedem Fall in die Verjährung laufen lassen, sodass die Mieter keine Nachzahlung leisten mussten. Hilfe zu den Formalien gibt es bei Mietervereinen.
Hamburger Mieterverein arbeitet mit Verbraucherzentrale an Musterfeststellungsklage
Rechtsanwalt Mann weist darauf hin, dass Mieter innerhalb von zwölf Monaten nach Erhalt der Rechnung widersprechen müssen. „Wird das nicht getan, ist die Sache rechtlich ziemlich tot“, sagt er. Zudem sollten die Betroffenen gegebenenfalls „horrende Nachzahlungen auch beim Jobcenter beziehungsweise bei den Grundsicherungsämtern einreichen“. Der Mieterverein zu Hamburg arbeite derzeit eng mit der Verbraucherzentrale zusammen an dem Thema. In laufenden Gesprächen würde geklärt, inwiefern der Bundesverband der Verbraucherzentrale eine Musterfeststellungsklage in der Sache realisieren kann.
Perfide seien auch die deutlich erhöhten Vorauszahlungen für Heizkosten, die die Vonovia ansetze. Damit wolle sie den Schock der Mieter über extreme Nachzahlungsforderungen abdämpfen, so Bosse. Um bis zu 550 Prozent habe der Wohnungsriese die Vorauszahlungen angehoben und „wie sich inzwischen herausgestellt hat, waren zugrundeliegende Vergleichsrechnungen fehlerhaft“, heißt es vom Bündnis VoNO!via.
Vonovia unterhält Tochterfirmen, die sich um Energieversorgung kümmern
Doch wie kommen die enormen Heizkosten eigentlich zustande? Die Mietervereine haben da eine Theorie. Denn die Vonovia stellt den Mietern vielerorts ihre Wärme per Contracting-Vertrag zur Verfügung. „Hierbei sind Energieversorgungsfirmen Besitzer und Betreiber von Heizungsanlagen sowie Wärmelieferant“, erklärt Vonovia-Sprecherin Alexiou. „Vonovia ist sozusagen nur Vermittler.“ In Hamburg unterhalte das Unternehmen Contracting-Verträge mit den Firmen E.on Energy Solutions, Hansewerk Natur sowie Techem Solutions. Hauptsächlich werde aber Fernwärme bezogen, sodass kein Contracting stattfindet, so Alexiou.
Die Krux: Die Wärmepreise der Contractor-Firmen orientieren sich oft an Gaspreis-Indizes, berichtet das Bündnis. Diese jedoch lagen aufgrund von Börsenspekulationen im betroffenen Zeitraum deutlich höher als die tatsächlichen Gaskosten. „Diese Klauseln könnten unwirksam sein, wenn sie keine Rücksicht auf reale Preisentwicklungen nehmen“, so Bosse.
Heizkosten: Mietervereine werfen Vonovia Gewinnmaximierung vor
Besonders pikant: Laut VoNO!via ist an dem Geschäftsmodell auch die Vonovia Energie Service GmbH beteiligt. „Da schreibt sich der Konzern die Gaskosten intern auf“, sagt Knut Unger vom Bündnis. Auch an der Contracting-Firma G+D Gesellschaft für Energiemanagement mbH halte die Vonovia 49 Prozent der Anteile. Im Übrigen habe dieser Betrieb, G+D, nicht einmal Personal.
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„Nach den vorliegenden Vertragsfragmenten hindert den Konzern keinerlei Preisgleitklausel daran, die Preise seines Tochterunternehmens nach Gutdünken festzusetzen“, heißt es in einem offenen Brief, den das Bündnis VoNO!via jüngst veröffentlichte. Die Mieter und Vereine haben die Vermutung, dass Vonovia sich an den enormen Heizkosten-Nachforderungen selbst bereichern könnte, dass der Wohnungsriese an der überteuerten Wärmeversorgung mitverdient.
Bis 9000 Euro Heiz-Nachforderung: Mieter gegen Wohnungsriese
„Wir haben den offenen Brief der Aktivisten zur Kenntnis genommen“, erklärt Vonovia-Sprecherin Alexiou. „Die darin genannten Themen und Fälle sind bekannt, die Vorwürfe allesamt mit Fakten zu widerlegen.“ Die hohen Nachzahlungen entstanden durch drei Faktoren: die extrem gestiegenen Energiekosten im Jahr 2022, die Vorauszahlung der Mieter und ihren Energieverbrauch. Eine Gewinnmaximierung auf Mieterkosten findet nach Aussagen des Konzerns also nicht statt.
Gerade bei hohen Abrechnungssummen seien die Schreiben von der Vonovia gründlich geprüft worden, bevor sie die Mieter erreichten. „Sie entsprechen allen gesetzlichen und vertraglichen Regelungen, die branchenüblich gestaltet sind“, so Alexiou. Auch habe ein Bottroper Gericht in einem entsprechenden Fall bereits bestätigt, dass die vertraglichen Regelungen mit dem Wärmeversorger zulässig sind.
Mieter und Vereine lassen sich jedoch nicht bremsen. Sie wollen weiterhin protestieren und Aufmerksamkeit erzeugen. In ihrem offenen Brief an den Wohnungsriesen fordern sie ein verantwortliches Handeln der Vonovia, das Verhindern unsozialer Kostenbelastungen, die Offenlegung ihrer tatsächlichen Kosten für Energie sowie ein konstruktives Gespräch zwischen dem Konzern und den Mietervereinen. Letzteres ist schließlich schon vor langer Zeit abgerissen, berichtet Rolf Bosse aus Hamburg.