Hamburg. Der Immobilien-Riese fordert hohe Nachzahlungen – doch die Schreiben sind nicht immer rechtmäßig. Wie Mieter sich jetzt helfen können.

Viele Hamburger haben schon frühzeitig „Weihnachtspost“ erhalten – nämlich Schreiben der Vermieter.Sie verlangen drastisch erhöhte Mietkosten oder, im Fall von Vonovia, deftige Energiekosten-Nachzahlungen. Doch in vielen Fällen müssen die Mieter den Forderungen zunächst nicht Folge leisten, wie ein Zusammenschluss verschiedener deutscher Mietervereine, darunter auch der Mieterverein zu Hamburg, erklärt.

Wohnen in Hamburg: hohe Energienachzahlungen bei Vonovia

Der umstrittene Vermietungsriese Vonovia verlangt derzeit bundesweit von vielen Mietern extrem hohe Energiekostennachzahlungen, die in berichteten Einzelfällen bei bis zu 5000 Euro liegen. Für einige ist das existenzgefährdend. Auch bei vielen Bewohnern der rund 11.300 Vonovia-Wohnungen in Hamburg seien entsprechende Schreiben eingegangen, berichtet Paul Mann, Rechtsanwalt im Mieterverein zu Hamburg.

„In letzter Zeit gab es einige besondere Entwicklungen auf dem Energiemarkt mit enormen Preissteigerungen, die Einfluss auf die Heizkostenabrechnungen haben können“, heißt es zur Begründung von Vonovia-Sprecherin Panagiota-Johanna Alexiou. Doch selbst angesichts der gestiegenen Heizkosten infolge des russischen Krieges gegen die Ukraine halten Mietervereine die Forderungen noch für überzogen – und wissen, wie sich Mieter gegen Vonovia wehren können.

Wohnen in Hamburg: Heizkosten-Schock – Wann Mieter nicht zahlen müssen

Rechtsanwalt Mann mutmaßt, dass sich die Vonovia mit den Nachzahlungen auch in die eigene Tasche wirtschaftet. Denn teils würden konzerneigene Tochterfirmen die Energiemengen abrechnen. So könne es passieren, dass die Vonovia Energieservice GmbH dem Vermietungsunternehmen Vonovia Rechnungen schreibt, die dann auf die Mieter umgelegt werden und sich entsprechend schwierig nachvollziehen lassen. Für Knut Unger aus dem Mieterverein Witten eine „willkürliche Festsetzung. Hier gibt es keinen Markt, hier gibt es keine Kontrolle.“

Mieterschützer Mann geht zudem davon aus, dass viele Klauseln zur Preisanpassung der jeweiligen Energieanbieter angreifbar und die Erhöhungen daher unrechtmäßig sein könnten. „Uns ist aber nicht bekannt, dass Vonovia diese Rechtslage prüfen lässt“, sagt der Rechtsanwalt. Die unkontrollierten Preissteigerungen würden stattdessen einfach auf die Mieter abgewälzt.

Vonovias Contracting: Konzern mit hohen Kostenforderungen

Auffällig sei, dass bei den höchsten geforderten Kosten immer ein sogenanntes Contracting vorliege, heißt es von den Mietervereinen. „Hierbei sind Energieversorgungsfirmen Besitzer und Betreiber von Heizungsanlagen sowie Wärmelieferant“, erklärt Vonovia-Sprecherin Alexiou. „Wir als Vonovia gehen für die Kosten der Wärmelieferung in Vorleistung und rechnen die entstandenen Kosten dann im Nachgang der Heizkostenabrechnung mit den Mieterinnen und Mietern ab. Vonovia ist sozusagen nur Vermittler.“ In Hamburg habe das Unternehmen solche Contracting-Verträge mit den Firmen E.on Energy Solutions, Hansewerk Natur sowie Techem Solutions.

Vonovia informiert, dass die jeweiligen Unternehmen stets nach dem Gebot der Wirtschaftlichkeit ausgewählt würden, sodass der Wohnungskonzern Leistungen und Produkte zu marktüblichen Preisen beziehe. Nach Erkenntnissen der Mietervereine liegen dem Contracting wiederum langfristige Verträge zugrunde, die den Wärmepreis mit einer Preisgleitklausel an die Börsenpreise für Gas koppeln. Der jedoch ist den Mietervereinen zufolge stärker gestiegen als die Gasbezugspreise, und somit werde den Mietern zu viel Geld fürs Heizen abverlangt.

Vorwurf: Immobilienriese Vonovia kann Kosten oftmals nicht rechtfertigen

Rechtsanwalt Mann weist daraufhin, dass Mieter die hohen Nachzahlungen in vielen Fällen nicht leisten müssen. Sie haben nach Eingang des Schreibens von Vonovia ganze zwölf Monate Zeit, der Forderung zu widersprechen – und vollständige Belegeinsicht zu verlangen. Die Vonovia muss dann Rechnungen, Verträge, Zahlungs- und Leistungsnachweise oder Ableseprotokolle zusammensammeln und damit die Nachzahlung rechtfertigen. Das Geld können die Mieter vorerst zurückbehalten.

„Oft schafft es die Vonovia nicht, prüffähige Belege vorzulegen“, sagt Mann. „Wir halten sämtliche Abrechnungen der Vonovia für angreifbar.“ Zwar erhielten die Mieter in der Folge vielfach Mahnungen, doch scheue der Konzern den Rechtsstreit. Oft würden die Nachzahlungsgesuche nach drei Jahren einfach in die Verjährung laufen, „weil es der Vonovia offenbar nicht gelingt, ihre Forderungen nachzuweisen“.

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Die Kehrseite: Ein Widerspruch kann langwierig sein, und der Mieter sieht sich unter Umständen mit regelrechten Aktenbergen konfrontiert. Sich an einen Mieterverein zu wenden kann daher lohnen. Einerseits bieten die Vereine Musterschreiben an, mit denen Vonovia-Mieter Belegeinsicht fordern können. Andererseits kennen sich die dortigen Experten mit der Prüfung der Unterlagen aus. Sich gegen die Nachzahlung zu wehren dauere in vielen Fällen dennoch Jahre.

In Widerspruch zu gehen, empfiehlt der Vermietungsriese selbst natürlich nicht. Jedoch sollten Mieter, die von einer hohen Nebenkostennachzahlung betroffen sind, Kontakt zum Unternehmen aufnehmen: „Wir finden dann gemeinsam eine individuelle Lösung. Zum Beispiel kann eine Ratenzahlung vereinbart werden“, sagt Sprecherin Alexiou und betont: „Niemand muss bei uns ausziehen, wenn er die hohen Energiekosten nicht bezahlen kann.“