Hamburg. Klubhaus-Betreiber auf St. Pauli und Geschäftspartner von Udo Lindenberg: In der Corona-Pandemie brachte er den Vierfachtest heraus.

Axel Strehlitz ist jetzt 56. Für einen agilen Unternehmer ist das Alter ohnehin nur eine Zahl. Und doch ist erstaunlich, dass er sich jemanden aus seinem engeren Umfeld quasi zum Vorbild genommen hat, der 77 ist. Der gerade eine Knieoperation hinter sich hat und darauf brennt, vor Publikum wieder drei Stunden auf den großen Bühnen abzuzappeln. Der gerade als „Komet“ den wohl größten Einzelerfolg seiner Hitparadenkarriere genießt. „Sensationell“ nennt Strehlitz das, was Udo Lindenberg als Rock-Opa auf die Beine stellt. „Er hat eine fantastische Energie.“

Vom Auf und Ab der „Nachtigall“ über viele Jahrzehnte des Trällerns kann auch Strehlitz ein Lied singen. Sein Geschäft war praktisch tot, als ein Virus namens Sars-CoV-2 sich pandemisch ausbreitete. In den Restaurants gingen die Öfen aus, in den Clubs die Lichter, auch St. Pauli machte dicht. Dem Gastronom Strehlitz drohte der Boden unter den Füßen wegzufliegen. Er erinnert sich an quälende Gedanken: „Was können wir tun, um die Leute zurückzuholen, die Läden offen zu halten?“

„Corona-Unternehmer“ Axel Strehlitz baute das Gesundheitsgeschäft aus

Der Corona-Lockdown, die vorsichtige Öffnung mit 2G- und 3G-Regeln, getestet, genesen, geimpft, per Luca-App registriert, mit Maske, dann ohne – es war die Hölle für Unternehmer, deren Geschäftsmodell auf dem unverkrampften Zusammentreffen vieler Feierfreudiger beruhte. Corona oder nicht – das Testen war der Schlüssel zu allem.

Strehlitz wurde vom Gastronom zum Gesundheitsunternehmer. Mit Partnern, einem Arzt, IT-Experten und Beratern, die er dank guter Kontakte in alle Richtungen hatte, gründete er Corona Freepass, eine PCR-Station, die vom Spielbudenplatz aus zeigte, wie man sich während der Pandemie etwas Sicherheit zurückerobern konnte. Noch bevor überall Testzentren wie Pilze aus dem Boden schossen und die Stäbchen und Plastikkassetten für zu Hause familienfähig wurden, hatten Strehlitz und Co. ein Netz gesponnen, eine Infrastruktur aufgebaut, die über die Pandemie hinaus bestehen sollte.

Corona: Strehlitz bemühte sich frühzeitig um Vierfachtest

Anstatt über Drinks, Einkaufspreise für Lebensmittel oder Personalnachwuchs für den Tresen unterhielt sich Strehlitz mit seinen Geschäftspartnern nun über PCR-Testgeräte, über Labordiagnostik, Zertifikate, Computer-Software und digitale Lösungen fürs Handy der Kunden. Er bemühte sich schon vor dem vergangenen Winter um die Vertriebsrechte für einen Vierfachtest auf Corona, RSV (Respiratorisches Synzytialvirus) sowie Influenza A und B, also Grippe. Diesen Test (Firmenname CorDx) ließ er in einer Kinderarztpraxis testen, um zu schauen, was er entdeckt. Gerade bei hustenden oder fiebernden Kindern ist oft nicht klar, was dahintersteckt.

Vierfachtest auf Corona, RSV, Influenza A und B

Combo4 ist der Vierfachschnelltest auf Influenza A und B sowie Corona und RSV.
Combo4 ist der Vierfachschnelltest auf Influenza A und B sowie Corona und RSV. © Combo4 | Combo4

Der Vierfachtest, für 4,95 Euro über das Internet oder in Apotheken verfügbar, kann mit hoher Genauigkeit innerhalb von 15 Minuten Gewissheit geben. Ärzte können ja auch die bekannten Labortests machen und binnen eines Tages ein Ergebnis erhalten. Der Test, den es auch von anderen Anbietern gibt, hat allerdings den Charme, dass er selbst ausprobiert werden kann. „Corona“, sagt Strehlitz, „hat gezeigt, dass Testen kein Hexenwerk ist.“ In der aktuellen RSV- und Corona-Welle – noch vor der eigentlichen Grippesaison – ist das Testen für Verschnupfte wieder Alltag geworden, um in der Familie oder bei Angehörigen in Heimen beruhigt Weihnachten zu feiern.

Dabei hatte Strehlitz mit dem Combo4 erneut eine ungeahnte Hürde zu überwinden. Apotheker aus Nordrhein-Westfalen wiesen darauf hin, dass Corona und Grippe meldepflichtige Erkrankungen seien. Das könne also nur ein Arzt feststellen, kein Laie. Aldi Süd und Drogeriemärkte nahmen den Selbsttest zunächst aus dem Sortiment, weil sie dachten, er sei nicht zugelassen. Strehlitz, agil, wie er ist, schrieb über seinen Bekannten Falko Droßmann (SPD-Bundestagsabgeordneter) an den deutschen Chef-Tester, Gesundheitsminister Karl Lauterbach – und lief offene Türen ein. Lauterbach reagierte sofort und ließ die Medizinprodukte-Abgabeverordnung (MPAV) reformieren.

Karl Lauterbach „rettete“ den Vierfachtest für zu Hause

In einem Ministerschreiben heißt es: „Ich teile die Auffassung, dass der Kombinationstest einen sinnvollen Beitrag in aktuellen, aber auch in kommenden Erkältungswellen darstellt, indem er meldepflichtige von gewöhnlichen Atemwegsinfektionen zu unterscheiden hilft. Daher habe ich den Auftrag erteilt, die MPAV anzupassen, um die Verfügbarkeit der Vierfachtests für die Laienanwendung in Deutschland zu ermöglichen.“ Lindenberg oder Lauterbach – Strehlitz sagt: „Ich bin Unternehmer, das ist meine DNA. Ich bin kein Mediziner, sondern ein Möglichmacher.“

Das wissen auch Politiker von Welt. Als der kanadische Premierminister Justin Trudeau bei einem Hamburg-Besuch unbedingt, aber diskret „klassisch“ deutsche Kost im entsprechenden Ambiente austesten wollte, kam seine Entourage vermutlich per Google-Bewertung auf das „Dorf“ in St. Georg, ein Strehlitz-Restaurant an der Langen Reihe. Trudeaus Secret Service schickte ein Zwei-Mann-Vorauskommando, der eine „musste mal kurz aufs Klo“ – und checkte den Hinterausgang. Ein kurzes Gespräch, und das „Dorf“ machte möglich, dass Trudeau mit Anhang entspannt speisen konnte. Das Trinkgeld war üppig.

Blut-Checks in Apotheken – ein neues Geschäftsmodell?

Die Geschäftspartner Heiko Fuchs und Axel Strehlitz
Die Geschäftspartner Heiko Fuchs und Axel Strehlitz © FUNKE Foto Services | Roland Magunia

Schon im Abflauen der großen Corona-Welle erkannten Strehlitz und Partner: Im Testen steckt noch mehr Potenzial. Die Inanspruchnahme von medizinischen Leistungen hat sich komplett geändert. Videosprechstunden werden beliebter, Internetplattformen wie das europaweite Zava des Hamburger Unternehmers David Meinertz, Online-Apotheken und ähnliche Angebote werden eher wachsen als schrumpfen.

Wie Strehlitz haben sich viele medizinische Labore überlegt: Was kommt nach Corona? Wie lastet man Hightech-Analysegeräte weiter aus, die kostspielig angeschafft wurden? Lifestyle-Trends, Fitness-Anwendungen und die große Zahl der Selbstoptimierer sind neben bekannten Gesundheitschecks neue Geschäftsfelder. Strehlitz baut in Zusammenarbeit mit Apotheken einen neuen Service auf, mit dem Kundinnen und Kunden mit etwas Kapillarblut aus dem Finger allerhand bestimmen können: von Eisen- oder Magnesiumspiegel, Blutzucker oder Testosteron bis zu Unverträglichkeiten.

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Strehlitz will die Apotheker einbinden, weil sie die kleine Blutprobe schmerzfrei und professionell nehmen können. Bei der Anwendung zu Hause kommt oft „Quetschblut“ heraus, das viel Plasma enthält. Und Apotheken können zur Kundenbindung gleich Vitaminpräparate oder Ähnliches anbieten. Die Ergebnisse der Blut-Checks können die Kunden binnen 24 Stunden über einen Link in einer E-Mail abrufen. Ob das Angebot ankommt, wird sich zeigen.

Axel Strehlitz: Neue digitale Ideen für die Nöte der Gastronomie

Strehlitz könnte sich ausruhen auf seinen Gemeinschaftsprojekten wie dem Klubhaus an der Reeperbahn, der Panik City für Udo Lindenberg, dem „Dorf“ oder der Wunderbar. Doch gerade in seinem Kerngeschäft, der Gastro, ziehen wieder dunkle Wolken auf. Nach hervorragenden Post-Corona-Umsätzen droht die Mehrwertsteuer-Anhebung ab 2024 auf die Essengehlaune zu drücken.

Nicht minder ernst: Überall fehlt Personal. „Alle haben Not“, sagt Strehlitz. Erneut geht es darum, die Läden offen zu halten, wenn auch aus anderen Zwängen. „Aus Corona Freepass heraus haben wir einen digitalen Zugang gefunden und für die Gastronomie ein System gebaut, das es künftig denkbar macht, schon mal am Tisch zu bestellen, die Wartezeit zu minimieren und es Gastronomen zu ermöglichen, mit weniger Personal ihren Laden zu managen.“

So jongliert Axel Strehlitz mit all seinen Projekten. Sein „Problemlöser-Geist“, wie er es nennt, ist unbändig. Als einmal auf dem Weihnachtsmarkt Santa Pauli wegen großer Kälte der Nachschub an Glühwein stockte, musste er reagieren. Das Geschäft muss weiterlaufen. Heute sind die Leitungen beheizbar.