Hamburg. Eigentlich dürfen sich Laien mit dem Combo4 nicht selbst auf Influenza testen. Ein Hilferuf sorgt für eine Gesetzesänderung.
Testen, testen, testen: Die Corona-Pandemie hat gezeigt, dass sich Infektionsketten unterbrechen lassen, wenn man weiß, ob man ein übles Virus erwischt hat – und dass es jeder kann. Es war beinahe schon erschreckend zu sehen, wie routiniert Schulkinder mit Stäbchen und Kassetten von Antigen-Schnelltests umgingen. Diese Kinder – und mitunter ihre Geschwister und Eltern – waren in Hamburg zuletzt von einer lang gezogenen Welle mit Grippe- und RS-Viren betroffen. Das Coronavirus spielte auch noch eine Rolle, jedoch eine untergeordnete. Bei Schniefnasen wollen Kinderärztinnen und Kinderärzte wissen, ob nun eine ärgerliche Erkältung vorliegt oder tückische Erreger wie das Respiratorische Synzytial-Virus (RSV), das bevorzugt kleine Kinder und ganze Kitas ernsthaft lahmlegt.
Schon für Eltern ist es eine psychologische Hilfe, wenn ein Schnelltest bereits die Richtung weist. Auch deshalb hatte sich zunächst in Hamburg, dann bundes- und europaweit der im Internet und in Apotheken sowie bei Aldi Süd erhältliche Vierfachtest Combo4 zum Renner entwickelt. Er kann Coronaviren, Influenza A und B sowie RSV erkennen. Auch üble Mischinfektionen zeigt er an.
Corona, Grippe, RSV: Vierfachtest wurde verboten
Vertrieben haben ihn die Macher von Corona Freepass, die Unternehmer Axel Strehlitz (u. a. Klubhaus St. Pauli) und Heiko Fuchs. Doch nur in Deutschland wurden sie mitten in der Welle an Atemwegsinfekten ausgebremst, weil Apotheker darauf hinwiesen, dass, grob gesagt, eine meldepflichtige Erkrankung wie die Grippe nur von einem Arzt festgestellt werden darf. Ein Laie – die Regelung stammt aus der Vor-Corona-Zeit – könne das nicht.
Nun haben sie über Umwege erreicht, dass sogar Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) sich dafür einsetzt, dass sich das schleunigst ändert. Der Mann ist vom Fach. Er weiß, dass Pandemien und Grippewellen mit einem guten Testregiment im Zaum zu halten sind. Strehlitz und Fuchs kam zugute, dass sie beim höchstrangigen Ansteckungsgegner des Landes schnell ein offenes Ohr fanden.
Gesundheitsminister Karl Lauterbach macht sich für Vierfachtest stark
Das hat ihnen der Bundestagsabgeordnete Falko Droßmann (SPD) vermittelt, der seinen Genossen Prof. Karl gleich anschrieb und fragte, was es mit diesem Verbot des privaten Grippetests denn auf sich habe. Droßmann war selbst verwundert, dass Lauterbach schneller antwortete, als man „Infektionsschutzgesetz“ und „Medizinprodukteabgabenverordnung“ (MPAV) sagen kann.
Lauterbach formulierte in dem Schreiben, das dem Abendblatt vorliegt: „Ich teile die Auffassung, dass der Kombinationstest einen sinnvollen Beitrag in aktuellen, aber auch in kommenden Erkältungswellen darstellt, indem er meldepflichtige von gewöhnlichen Atemwegsinfektionen zu unterscheiden hilft. Daher habe ich den Auftrag erteilt, die MPAV anzupassen, um die Verfügbarkeit der Vierfachtests für die Laienanwendung in Deutschland zu ermöglichen.“
Bei Infektionsverdacht Arzt kontaktieren
Testverkäufer Strehlitz sagte dem Abendblatt, er sei über das Tempo von Erkenntnis bis Umsetzung überrascht und wünsche sich das für weitere Anwendungen, die einen klaren, unmittelbaren Patientennutzen hätten. Die nächste Welle komme spätestens im Herbst bestimmt, auch Laien wünschten sich eine schnelle Sicherheit zur Art ihrer Erkrankung. Es könne nicht sein, dass man selbst einen HIV-Test zu Hause machen könne, aber Grippe-Checks bislang ausgeschlossen seien.
Ärzte weisen darauf hin, dass eine Untersuchung für vireninfizierte Patienten zumeist immer noch angezeigt sei. Allerdings sei es wichtig, die Abstands- und Hygieneregeln einzuhalten oder bei einem privaten Positivtest eine Praxis vor dem Besuch darauf hinzuweisen. Umgekehrt gewinnen die Ärzte Zeit für die Behandlung schwerer erkrankter Patienten, wenn Verdachtsfälle wissen, dass sie mit großer Sicherheit zum Beispiel Corona oder Grippe ausschließen können. In der Bedienungsanleitung des Selbsttests steht ausdrücklich, dass ein Ergebnis keine „endgültige Diagnose“ liefere.
- Özlem Türeci erhält Hamburger Medizin-Preis – 300.000 Euro
- Digitaler Haut-Check- Wie Apps den Arztbesuch verändern
- UKE – Hamburger Rechtsmediziner lösen wichtige Corona-Rätsel
Bundesrat entscheidet über Hamburger Vierfachtest
Im Juristendeutsch des Bundesgesundheitsministeriums klingt das alles auf Anfrage etwas gestelzter: „Mit der Dritten Verordnung zur Änderung der Medizinprodukte-Abgabeverordnung soll die Anlage 3 zu § 3 Absatz 4 der Medizinprodukte-Abgabeverordnung um In-Vitro-Diagnostika zur Eigenanwendung zum Nachweis von Influenzaviren erweitert werden.“ Unternehmer Strehlitz ist nur froh, dass er nach aufwendigen Rechtsgutachten, um die er sich bemühte, jetzt nicht auch noch für den Vierfachtest klagen muss. Das hätte Jahre gedauert.
Voraussichtlich noch im Mai wird der Bundesrat darüber abstimmen. Auch hier könnte eine enge Verbindung zählen. Der Präsident der Länderkammer ist ein Hamburger Arzt mit Namen Peter Tschentscher.