Hamburg. Noch vor einem halben Jahr waren die HHLA-Aktien an der Börse der große Verlierer. Nun erkennen alle ihren Wert.

„Viel Feind, viel Ehr“, lautete der Wahlspruch des frühneuzeitlichen Landsknechtsführers Georg von Frundsberg. Für Wirtschaftssenatorin Melanie Leonhard (SPD) ist das geflügelte Wort nur ein schwacher Trost. Denn ihr Coup, ihr erhofftes Meisterstück als Senatorin, wird nicht gefeiert, sondern zerpflückt. Die Pläne der Stadt und der weltgrößten Reederei MSC für die Kooperation beim Hafenlogistiker HHLA stoßen außerhalb des rot-grünen Senats unisono auf Ablehnung.

Es gibt eine ganz große Koalition gegen den Teilverkauf der HHLA: Die Linkspartei und die CDU haben sich untergehakt, Hafenmanager und HHLA-Betriebsräte, Reeder und Gewerkschafter. Wenn von allen Seiten die Pfeile fliegen, hat man zweifellos auf sich aufmerksam gemacht. Aber aufhorchen lässt, dass die Schar der Angreifer doch sehr unterschiedliche Argumente ins Felde führt: Während die einen jede Änderung ablehnen, geht den anderen der Teilverkauf nicht weit genug.

HHLA musste im Sommer dramatischen Gewinneinbruch vermelden

Blicken wir noch einmal zurück in den Sommer. Heute wissen alle um den Wert der Hamburger Hafen und Logistik AG – im Juli sah das anders aus. Da musste der Konzern verheerende Zahlen für das erste Halbjahr vermelden: ein Umsatzminus von 6,7 Prozent, ein Rückgang des Konzern-Betriebsergebnisses um mehr als die Hälfte. Das Ergebnis nach Steuern und nach Anteilen anderer Gesellschafter zerbröselte um mehr als 80 Prozent.

Die Aussagen der Vorstandschefin klangen eher nach Durchhalteparolen: „Daher arbeiten wir umso entschlossener daran, diese herausfordernde Zeit zu meistern und die Chancen erfolgreich zu nutzen.“ Die Dividende, die sonst ein Stimmungsaufheller für die Stadt war, wäre mikroskopisch klein ausgefallen. Dementsprechend hoffnungslos schien die Lage an der Börse. Das Papier, 2007 für 53 Euro ausgegeben, rutschte im August kurz unter die Marke von zehn Euro. Analysten hatten noch tiefere Kurse in Aussicht gestellt.

Ein „Weiter so“ war keine kluge Alternative

Wer auf den Abgrund zuläuft, sollte nicht auf ein forsches „Weiter so“ vertrauen.

Da lag es nahe, einen starken Partner für den Hafen zu suchen. Dass man derlei nicht auf dem Rathausmarkt mit Megafon macht, versteht sich angesichts der Börsenregularien von selbst. Vielleicht aber glaubte der Senat angesichts des Wertverfalls selbst nicht mehr an die HHLA. Und war froh, mit der Genfer Reederei MSC einen starken Investor zu gewinnen.

Vor dem MSC-Angebot hatte Kühne Übernahmeofferte ins Spiel gebracht

Erst am 13. September, als der Deal verkündet wurde, ging vielen auf, welche Werte in der HHLA stecken, an der die Stadt bis vor Kurzem 69,25 Prozent besaß. Klaus-Michael Kühne hatte kurz zuvor, als die Gespräche mit MSC schon weit gediehen waren, sein eigenes Angebot öffentlich gemacht.

„Ich mache mir ernsthaft Sorgen um den Hafen: Er ist schlecht strukturiert, schlecht gemanagt und kann mit der Konkurrenz in einigen anderen Seehäfen nicht mithalten“, hatte er dem Abendblatt Anfang September gesagt und hinzugefügt: „Ich überlege mir, ein offizielles Übernahmeangebot für die HHLA-Aktienmehrheit zu machen, weiß allerdings, dass es bei der Stadt zurzeit kaum Anklang finden wird.“

Tatsächlich klang das parallel diskutierte Angebot von Hapag-Lloyd, die HHLA-Mehrheit zu übernehmen und die Marke Hamburg Ports in die Welt zu tragen, nach dem ökonomisch besseren Konzept.

Politisch wäre ein Verkauf der Mehrheit kaum durchzusetzen gewesen

Politisch hingegen wäre es für den rot-grünen Senat Harakiri geworden: Schon der MSC-Deal, bei dem Hamburg die Mehrheit hält und Arbeitnehmerrechte verteidigt, hat die leicht entflammbaren Betriebsräte auf die Barrikaden und zu wilden Streiks getrieben. Man stelle sich vor, was ein Jahr vor der Wahl los gewesen wäre, wenn die Mehrheit anderswo gelandet wäre. Diese Wut war es übrigens auch, die den CDU-Senat 2007 hat davor zurückzucken lassen, die Mehrheit an der HHLA zu veräußern. Damals stoppte der Senat ein laufendes Bieterverfahren und entschied sich aus Furcht vor zermürbenden Arbeitskämpfen für den Teilbörsengang.

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Nun hat sich die Stadt für den Partner MSC entschieden. Ob das eine gute Wahl ist, kann erst die Zukunft beantworten. So wenig wie die angedrohten Verlagerungen kommen müssen, so wenig sollte man sich auf die Zusagen aus Genf über Mengenzuwächse verlassen. Am Erfolg wird der Senat gemessen werden. Ob sein Medikament wirkt, steht noch dahin. Aber alles ist besser als ein weiteres Siechtum.