Hamburg. Die Corona-Pandemie hat das Land zum Negativen verändert und wirkt bis heute fort. Es wäre Zeit für eine Aufarbeitung der Politik.

In diesen Tagen sind sich ja alle einig, dass dieses Land von der schlechtesten Regierung seit 1945 regiert wird. Nun, ich kenne eine, die schlechter war: die Große Koalition davor.

Was sie unterlassen hat in Sachen Digitalisierung, Energiewende, Migrationsbegrenzung, wird erst mit reichlich Verzögerung beklagt; was sie getan hat, ist fast schon vergessen: Sie hat in der Corona-Pandemie über viele Monate an einer angstgetriebenen Lockdown-Politik festgehalten, orchestriert von hysterischen Medien.

Hamburger Kritiken: Deutschland nach Corona – Leidet die Nation an „Long Covid“?

Nur zur Erinnerung: Es war die Ampel, die erst Ende 2021 klipp und klar einen Lockdown für Ungeimpfte oder bundesweite 2G-Regeln für Veranstaltungen oder Restaurantbesuche abräumte. Und anders als befürchtet, ist das Land nicht im Corona-Tsunami untergegangen. Oder aber: Es hat den Tsunami nicht bemerkt.

Wer derzeit in Hamburgs Bussen und Bahnen die Sitznachbarn röcheln, husten und schniefen hört, müsste sofort panisch werden. Oder er ahnt: Die Pandemie ist eine Endemie geworden. Wir haben damit zu leben gelernt. Corona nervt. Aber Corona ist eine Infektion wie viele andere.

Corona: Deutschland fand später als andere zur Normalität zurück

Genau hier stellt sich die Frage, warum wir uns so lange so schwer getan haben, zur Normalität zurückzukehren. Erinnern wir uns: Deutschland begann mit einer klugen Politik der Vorsicht, damals im Frühjahr 2020, als niemand wusste, wie gefährlich Corona ist. Bald stellte sich aber heraus: So dramatisch ist es nicht, erst recht nicht nach den Impfungen.

Doch die Politik fand erst mit dem Regierungswechsel in Berlin zurück zur Vernunft. Was bis dahin an Maßnahmen vorgeschlagen und durchgesetzt wurde, hat jedes Maß gesprengt: Kaum ein Land hat die Schüler so lange zu Hause eingesperrt, kaum ein Land so lange an absurden Beschränkungen festgehalten, kaum ein Land war so gefangen in Angst. Oster-Lockdown, Ein-Freund-Regel, Ausgangssperre! Von der Maskenpflicht beim Spaziergang künden noch immer die Piktogramme an der Elbe.

Die Langfristschäden des Lockdowns gerade bei Kindern sind enorm

Die Folgen gerade für die Kinder und Jugendlichen sind verheerend, die Schulschließungen wirken bis heute nach: Die Kinder haben weniger gelernt, was sich auf ihre eigene Karriere, aber auch die Volkswirtschaft auswirken wird. Zudem verstärkten sich Bildungsungleichheiten im Land, die Zahl psychischer Störungen nahm zu. Hierzulande gibt es für viele Lappalien Untersuchungsausschüsse – warum nicht zur Corona-Politik?

Ich hätte da schon ein paar Fragen. Wie leicht ist es, Grundrechte außer Kraft zu setzen? Hat eine privilegierte Schicht das Land im Lockdown gehalten, weil sie blind vor Angst war? War die Politik ein bisschen verliebt in ihren Machtzuwachs? Mochten die Nachrichtenportale ihre Klickrekorde für Corona-Apokalypsen nicht missen?

Die USA arbeiten ihre Pandemiepolitik auf - mit überraschenden Ergebnissen

In den USA wird die Pandemiebekämpfung nun intensiv aufgearbeitet – mit dem überraschenden Ergebnis, dass sich die bereinigten Todeszahlen von Kalifornien und Florida kaum unterscheiden, obwohl beide Bundesstaaten konträr auf das Virus reagierten. Auch zwischen dem liberalen Schweden und dem gouvernantenstrengen Deutschland fällt die Bilanz ähnlich aus.

Deutschland ist nicht nur ökonomisch seit der Pandemie nicht so recht auf die Beine gekommen, sondern auch gesellschaftlich. Viele Selbstständige hat die Pandemie nicht nur die Kunden, sondern auch den Mut geraubt. Die Menschen sind noch staatsgläubiger geworden und erwarten, dass der Steuerzahler für alle Gefahren aufkommt. Zugleich hat sich das Land entsolidarisiert, weil in der Pandemie der Blick aus dem Altbau regierte und soziale Realitäten in den Brennpunkten lange ausgeblendet wurden.

Die „Explosion der Lebensfreude“ fiel aus

Theater und Kinos klagen, dass die Bürger zu Stubenhockern mutiert sind, die Besucherzahlen haben die Vor-Corona-Zeit nie mehr erreicht. Zugleich sind wir ökonomisch ineffizienter geworden – die Menschen verharren im Homeoffice, und manche lassen sich fürs Krankfeiern gar als rücksichtsvoll abfeiern. Noch immer ist das Land gespalten in Corona-„Leugner“ und Corona-„Eiferer“. Die von Soziologen erwartete „Explosion der Lebensfreude“ nach Ende der Pandemie blieb aus. Die schlechte Laune regiert.

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Und welch bittere Ironie ist nun das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Umwidmung von Corona-Geldern für den Klimaschutz. Am Ende haben wir die Pandemie überschätzt – und nun fehlen uns die Mittel für die wirklichen Herausforderungen für die Zukunft.